Davos / WEF 2024: Polykrisen, Entglobalisierung, Relevanz – eine lange Liste an To Do’s

Das WEF in Davos hat eine geschäfts- und investorenorientierte Perspektive. Das ist keine Schwäche, sondern eine Chance. Von Thomas Hohne-Sparborth*

Zum Weltwirtschaftsforum 2024 in Davos werden wie in den Vorjahren zwischen 2.000 und 3.000 offizielle Gäste erwartet – viele aus der Wirtschaft, aber auch Vertreter von Regierungen und NGOs. Hinzu kommen unzählige inoffizielle Teilnehmer, die während der ganzen Woche an zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen. Was können Investoren vom diesjährigen WEF erwarten?

Anknüpfend an das letztjährige Thema ‚Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt‘ werden sich die Teilnehmer 2024 mit der ‚Wiederherstellung des Vertrauens‘ befassen und sich dabei auf vier Schlüsselthemen konzentrieren: Möglichkeiten zur Förderung von Sicherheit und Zusammenarbeit zum Nutzen aller, Wachstum und Beschäftigung, künstliche Intelligenz und die komplexen Zusammenhänge von Klima, Natur und Energie.

Der rote Faden, der sich durch die Themen von Davos zieht, ist ihr globaler Charakter und die Notwendigkeit gemeinsamer Lösungen. Vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen, der Verlagerung von Lieferketten und der wachsenden Diskussion über die ‚Entglobalisierung‘ haben viele die Fähigkeit des Forums in Frage gestellt, seine Relevanz beizubehalten. Auf der anderen Seite könnte man vor dem Hintergrund von Instabilität und ‚Polykrisen‘ argumentieren, dass der Bedarf an dieser Art von Diskussion nie größer war.

Davos für Wanderer - die meisten WEF-Teilnehmer werden eher eingeflogen

Davos für Wanderer – die meisten WEF-Teilnehmer werden eher eingeflogen

Die Agenda in Davos schließt sich nahtlos an die COP 28 an, die vor wenigen Wochen in Dubai stattfand. Trotz der weit verbreiteten Skepsis im Vorfeld der Veranstaltung und ungeachtet der geopolitischen Turbulenzen wurde im Ergebnis der Konferenz die Notwendigkeit einer Abkehr von fossilen Brennstoffen erstmals anerkannt. Während ein Großteil der Herausforderung in der Umsetzung liegen wird, dürfte sich die Diskussion in Davos stärker auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Übergangs zu einem sauberen Energiesystem konzentrieren.

Wir sehen diese Veränderungen als Teil eines breiten Spektrums von Systemveränderungen, die sich schnell und in großem Umfang in unserer Wirtschaft vollziehen. Die Turbulenzen in der Weltwirtschaft verstärken ein gemeinsames Muster: Wertschöpfungsketten werden neu konfiguriert, nicht nur durch eine neue Risikowahrnehmung, sondern auch durch technologische Disruptionen und neu entstehende Geschäftsmodelle. Die Energiewende, die neue Wertschätzung der Natur und die zunehmende Dynamik der Klimaschutzmaßnahmen beschleunigen den Wandel und verschieben die Gewinnquellen.

Unterschied zu COP 28

Auch wenn einige der an der COP28 vertretenen Interessengruppen denen in Davos entsprechen, unterscheiden sich die beiden Konferenzen doch deutlich in ihrem Charakter. Die COP-Treffen sind eng mit der Arbeit des Internationalen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) verbunden, einem wissenschaftlichen Gremium, das von einer Organisation unterstützt wird, die sich aus Regierungsvertretern zusammensetzt. Das Weltwirtschaftsforum hingegen hat traditionell eine stärker wirtschaftsorientierte Mitgliedschaft und ist nach wie vor eine hervorragende Gelegenheit für Investoren, sich ein Bild über die Kapitalströme zu machen. […]

Natur als neue Anlageklasse für Investoren

Davos stellt für Investoren eine Gelegenheit dar, eine Bestandsaufnahme zu machen, wie ökologische Veränderungen weitreichende Umwälzungen in unserer Wirtschaft und Investitionslandschaft auslösen:

Gehört zum Stadtbild von Davos

Stadtbild von Davos

Das Thema Natur zieht sich wie ein roter Faden durch die Agenda und geht weit über das reine Klimathema hinaus. Die Teilnehmer werden sich voraussichtlich mit neu aufkommenden Risiken, aber auch mit neuen Möglichkeiten für öffentlich-private Partnerschaften für naturbasierte Lösungen und der Notwendigkeit, Wertschöpfungsketten zu überdenken, befassen. Es geht darum, dass die Natur als eine neue und produktive Anlageklasse betrachtet werden muss.

– Nach den Resultaten der COP 28 verändern sich die Debatten über die Energiewende deutlich. Der Höhepunkt der Energieemissionen wird nun für 2025 erwartet, und selbst die IEA (die normalerweise konservative Prognosen abgibt) geht davon aus, dass der Gesamtverbrauch an fossilen Brennstoffen in diesem Jahrzehnt seinen Höhepunkt erreichen wird. In Davos dürfte der Fokus von der Frage, ob der Übergang stattfinden wird, auf die Frage verlagern, wie Investoren und andere Interessengruppen diesen Übergang vorwegnehmen können.

Künstliche Intelligenz als solches, aber auch als weiterer Beschleuniger und Treiber der oben erörterten Übergänge ist weit oben auf der Agenda. Neue digitale Technologien lösen eine technologische Revolution aus und ermöglichen eine umfassende Optimierung bestehender Geschäftsmodelle. Diese Optimierung führt zu Effizienzsteigerungen, die nicht nur der Umwelt zugutekommen, sondern auch die wirtschaftliche Rentabilität erhöhen. […]

Thomas Hohne-Sparborth

Thomas Hohne-Sparborth

So gesehen hat Davos eine geschäfts- und investorenorientierte Perspektive. Das ist keine Schwäche, sondern eine Chance zu erkennen, dass die Veränderungen, die um uns herum stattfinden, nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und finanziell sinnvoll sind. Das ist zumindest der Kern unserer Investitionsüberzeugung.

*) Thomas Hohne-Sparborth ist Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei Lombard Odier Investment Managers (LOIM)

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