Circus Group: „Unser Flaggschiff ersetzt den Koch und fast alle seiner Helfer“

Die massenhafte Zubereitung von Speisen – z.B. in Mensen, bei der Bundeswehr etc. – ist aufwändig. Und damit kostspielig, speziell aufgrund des Personalbedarfs. Das geht einfacher, ist sich die Circus Group sicher, und bietet auch schon die passende und vor allem ausgereifte Lösung: in Bälde zu bestaunen bei REWE oder Tamoil. BondGuide sprach mit CFO Fabian Becker.

BondGuide: Herr Becker, gerne zum Einstieg einige eigene Worten zu Ihnen selbst.
Becker: Wie es sich für einen CFO gehört, habe ich klassisch BWL und VWL studiert. Danach ging es eher untypisch weiter: Ich habe die Reederei Auerbach Schifffahrt in Hamburg mit aufgebaut – Deutschlands Marktführer für alles, was groß und schwer ist und nicht in einen Container passt. Es ging um globale Logistik, komplexe Projekte und Ergebnisse unter Zeitdruck. Diese Erfahrung bringe ich jetzt bei Circus ein – nur geht‘s hier nicht um Frachten, sondern um die Transformation einer ganzen Industrie.

BondGuide: Und Gründer und CEO Nikolas Bullwinkel?
Becker: Er ist erst 28 und doch hat er schon einige überaus erfolgreiche Unternehmensgründungen hinter sich: Die bekannteste davon ist die FLINK SE, die er 2020 gegründet und auf eine Größe von mehreren Milliarden hochskaliert hat. Als er technologisch erreicht hatte, was er sich vorgenommen hatte, verkaufte Nikolas seine Anteile zu einer damaligen Unternehmensbewertung von 3,3 Mrd. EUR. An der Stelle befand er, dass der Bereich Lebensmittelversorgung bereit für einen Innovationssprung ist. Mit Circus will er nicht weniger, als diesen Markt durch künstliche Intelligenz und Robotik neu definieren – effizienter, skalierbarer, besser.

„Mit Circus will unser CEO Nikolas Bullwinkel nicht weniger, als diesen Markt durch künstliche Intelligenz und Robotik neu definieren – effizienter, skalierbarer, besser.“

BondGuide: Wie steht es um den Firmennamen – haben Sie da etwa schon KI herangelassen?
Becker: Nein, das war eine Idee des Gründers. Ein Zirkus ist ein Mikrokosmos, wie eine kleine Kleinstadt oder ein Kreuzfahrtschiff. Alles ist drin: Komplexität, Logistik, Menschen, Abläufe – ein perfekt organisierter Raum, in dem viele Elemente ineinandergreifen. Genau das ist auch unser Anspruch bei Circus.

CEO und Gründer Nikolas Bullwinkel

BondGuide: Da wären wir schon wieder zur See… Aber Spaß beiseite: Und das prädestiniert Sie persönlich für die Lebensmittelversorgung?
Becker: Sie werden sich wundern: Hier wie dort machen Personalkosten das Gros aus, nämlich rund 60%. Das ist sehr, sehr viel. Hier kam dann Nikolas ins Spiel. Seine Vision ist, den Food-Service-Bereich umzubauen, eigentlich zu revolutionieren – das hat mich sofort überzeugt. Wenn wir richtig liegen, stehen wir vor dem größten disruptiven Sprung in der physischen Welt, nicht der virtuellen. Daran wollen sowohl Nikolas als auch ich mitwirken. Noch heute basiert rund die Hälfte des globalen BIP auf manueller Arbeit. Wenn wir diese Prozesse durch künstliche Intelligenz und Robotik smarter gestalten, entsteht enormes Potenzial für Effizienz und Fortschritt.

„Wenn wir richtig liegen, stehen wir vor dem größten disruptiven Sprung in der physischen Welt, nicht der virtuellen.“

BondGuide: Das heißt weniger Personaleinsatz bei der Zurverfügungstellung von Lebensmitteln. Die Idee verstehe ich natürlich, aber wie neu ist sie?
Becker: Daran haben sich schon einige Anbieter abgearbeitet, aber einen wirklichen Sprung hat noch niemand bewirkt. Meist blieb es bei gutgemeinten Ansätzen. Wir reden immerhin von Milliardenmärkten – oder noch mehr. Und die Rechnung ist einfach: Wer qualitativ hochwertiges Essen zum halben Preis anbieten kann, da Personalkosten aus der Gleichung reduziert werden, der hat ein gutes Argument: in der Kaserne, in der Mensa, in Seniorenheimen, in Tankstellen- oder Verbrauchermarktketten – überall dort, wo wir über große Mengen von Malzeiten reden, die eben nicht alle in aufwändiger Handarbeit durch viel Personal hergestellt werden müssen. Es geht nicht um Fine Dining oder Haubenküche. Sondern um viele Mahlzeiten, effizient, hygienisch, lecker – ohne, dass alles aufwändig von Hand gemacht werden muss.

„Es geht nicht um Fine Dining oder Haubenküche. Sondern um viele Malzeiten, effizient, hygienisch, lecker.“

BondGuide: Wem gehört die Circus Group heute – grob?
Becker: Der Gründer und CEO hat heute noch rund 25%. Wichtige institutionelle Adressen haben entsprechende Prozente, sind aber genau wie das Management für noch weitere 3 ½ Jahre gelockt, können also keine Anteile verkaufen. Aber das hat auch ohnehin niemand von uns vor.

BondGuide: Also dann: Was kann ich mir unter einem vollautomatisierten System für die Nahrungsmittelversorgung vorstellen? – industrielle Mahlzeiten mit industrieller Zuverlässigkeit… in Ihrer eigenen Beschreibung auf der Homepage.
Becker: Unter dem Strich ist es ein Roboter: ca. 2m hoch, Platzbedarf rund 8 Quadratmeter. Der kann 50 bis 100 Gerichte pro Stunde herstellen. Das ist unser Flaggschiff und das, was den Koch und viele Helfer ersetzt. Oder nehmen Sie eine Tankstellenkette, die sich natürlich keine eigene Küche inklusive Personal leisten kann. Der Personalbedarf besteht aus einer einzigen Person, die nachfüllt und hier und dort etwas reinigt – das war’s. Wir haben auch noch eine zweite Serie mit noch höherem Output, geeignet für den Outdoor-Bereich, also z.B. für die Bundeswehr.

„Der Personalbedarf besteht aus einer einzigen Person, die nachfüllt und hier und dort etwas reinigt – das war’s.“

Jan Hesselbarth

BondGuide: Und da kommt Ihr neuer Vice President Jan Hesselbarth ins Spiel, seines Zeichens mit langer Bundeswehrkarriere sowohl operativ als auch beratend?
Becker: Es ist eine Sache, eine Lösung für eine erkannte Problemstellung zu haben und eine andere, Externe davon zu überzeugen. Jan Hesselbarth kennt die Bundeswehr aus erster Hand, er spricht ihre Sprache und versteht ihre Herausforderungen. Ob Deutschland, Litauen oder Malta – er bewegt sich auf Augenhöhe mit Entscheidungsträgern im Verteidigungsbereich. Die US-Army sagt: „Our soldiers are athletes.“ Und Athleten kann man nicht mit Dosenkost versorgen. Indes, die Bundeswehr möchte absehbar ja ihr Personal verdoppeln. Das ist Personal, das rund um die Uhr im Einsatz ist – und natürlich auch verkostet werden muss. Die Circus Group hat kostenminimierende Lösungen für genau diese Aufgabenstellung.

BondGuide: Die Circus liefert die Software, aber wer stellt die Hardware her?
Becker: Das übernimmt unser großer Partner und Auftragsfertiger, die Celestica: ein nordamerikanisches Unternehmen mit ca. 8. Mrd. USD Umsatz. So weit, also der Serienfertigung, ist noch niemand in diesem Markt. Wir beziffern den Vorsprung auf bis zu zwei Jahre, wenn wir sehen, dass Andere noch nicht über Testphasen hinausgekommen sind. Celestica kann im Werk Shanghai bis zu 6.000 Einheiten pro Jahr produzieren für Europa, das Werk in Texas produziert für den nordamerikanischen Markt.

BondGuide: Wie viel Umsatz machen Sie im letzten Jahr oder auch in diesem und wie sieht es mit der Profitabilität aus? – kurz gesagt: Die Zahlen sagen mir, dass die Gruppe einen Top-Line-Umsatzsprung benötigt, der EBITDA bis runter zum Unter-dem-Strich ins Positive befördert.
Becker: In den letzten Jahren haben wir uns intensiv auf die Entwicklung unserer – heute bereits patentierten – Technologie konzentriert und diese bis zur industrialisierten Marktreife gebracht. Erste Umsätze sind in dieser Zeit im Rahmen einer Beta-Testphase mit ausgewählten Pilotkunden entstanden – den kommerziellen Rollout sehen wir ab diesem Jahr. Damit vollziehen wir als Deep-Tech-Unternehmen den Schritt aus der Forschung und Entwicklung hin zum marktreifen Rollout – als weltweit erster autonomer Anbieter dieser Art. Zu ersten Enterprise-Kunden im Rahmen des Rollouts zählen z.B. der Ölkonzern Tamoil mit den HEM-Tankstellen sowie die REWE Gruppe – mit der vollständigen Integration unserer Technologie in deren Flächen erwarten wir eine erste relevante Top-Line-Umsatzentwicklung.

„Zu ersten Enterprise-Kunden im Rahmen des Rollouts zählen z.B. der Ölkonzern Tamoil mit den HEM-Tankstellen sowie die REWE Gruppe – mit der vollständigen Integration unserer Technologie in deren Flächen.“

Fabian Becker, Circus Group

CFO Fabian Becker, Circus Group

BondGuide: Aber es dauert noch?
Becker: Nein, die Serienfertigung unserer Technologie läuft seit Jahresbeginn mit unserem globalen Partner Celestica planmäßig und befindet sich voll im Zeitplan – die Auslieferung an erste Kunden wie REWE startet bereits im Oktober dieses Jahres. Mit allein 16.000 potenziellen Standorten bei nur diesem Kunden ist das langfristige Wachstumspotenzial enorm. Mittelfristig rechnen wir – getrieben vor allem durch unsere Software- und AI-Service-Umsätze – mit einer nur gering hardwarelastigen P&L-Struktur [1]und einer attraktiven EBIT-Marge von 30–35 %.

BondGuide: Herr Becker, ganz herzlichen Dank für die überaus spannenden Einblicke!

Interview: Falko Bozicevic

[1] P&L: von oben nach unten Umsätze (Top Line), EBITDA, EBIT und Reingewinn für ein bestimmtes Jahr – zusammen mit der Bilanz sowie Cashflow-Rechnung mit das wichtigste Dokument eines Unternehmens.

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