Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Der Kapitalmarktkommentar von Dieter Aigner*, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG. Die durch die Notenbanken gewünschten Effekte seien lediglich aufgeschoben, nicht jedoch aufgehoben.

Nach stärkeren Zinsanhebungen durch Notenbanken folgen in aller Regel Marktphasen, in denen sowohl Aktien als auch die Renditen von Staatsanleihen fallen. Der Auslöser für diese Entwicklungen ist eine Abschwächung der Wirtschaft bis hin zur Rezession mit den entsprechenden Auswirkungen auf Unternehmensgewinne (fallend) und Inflation (fallend).

Die Abschwächung der Wirtschaft wird von den Notenbanken in Kauf genommen, wenn nicht sogar angestrebt, geht es doch darum, den nachfrageseitigen Inflationsdruck zu vermindern. Soweit zur Theorie. In den letzten zwei Jahren haben wir nun den stärksten Inflationsanstieg seit Jahrzehnten gesehen. Dieser hat zu einem Zinsanstieg geführt, der im Arbeitsleben der meisten Marktteilnehmenden beispiellos ist, muss man doch in die 1980er Jahre zurückgehen, um Vergleichbares zu sehen.

Einzig, die oben beschriebenen Auswirkungen sind bis jetzt nicht eingetreten. Der US-Aktienmarkt sowie die Renditen von US-Staatsanleihen notieren nahe ihrer langjährigen Höchststände und die US-Wirtschaft überrascht laufend positiv. ‚Rezession vorläufig abgesagt‘ haben wir aufgrund dessen in unserer letzten Ausgabe getitelt.

Warten auf ... Daten

Warten auf … Daten

Beim Wirkungsmechanismus der Geldpolitik gibt es allerdings umfangreiche zeitliche Verzögerungen. Wenn die Zinsen heute steigen, spürt das die Wirtschaft vollumfänglich erst bis zu einem Jahr später. Insofern haben die Zinsanhebungen des Jahres 2023 ihre bremsende Wirkung auf die Wirtschaft noch nicht zur Gänze entfaltet.

Darüber hinaus gibt es Einflüsse, die die Bemühungen der Geldpolitik zum Teil konterkarieren. Hier ist etwa die expansive Fiskalpolitik vieler Staaten zu nennen. Schließlich dürfte es noch Nachzieheffekte aus der Pandemie geben, siehe Tourismus und andere Dienstleistungsbereiche. Diese Effekte werden jedoch tendenziell auslaufen, während die Notenbanken die Zinsen noch für einige Zeit hoch halten werden, bis die gewünschten Effekte eingetreten sind.

‚Aufgeschoben ist nicht aufgehoben‘, ist in Bezug auf schwächere Wirtschaft, sinkende Aktien und fallende Anleiherenditen daher treffender als ‚Warten auf Godot‘. Denn anders als das Eintreffen von Godot ist das Eintreten dieser Entwicklungen nur eine Frage der Zeit. […]

Unternehmensanleihen: Konjunkturindikatoren in Kern-Eurozone auffallend schwach

Dieter Aigner

An den Unternehmensanleihe-Märkten sind die Risikoprämien bei Investmentgrade-Anleihen in Euro zuletzt leicht angestiegen. High Yield-Spreads tendierten hingegen seitwärts. Konjunkturindikatoren präsentierten sich vor allem in der Kern-Eurozone auffallend schwach. Insbesondere für die deutsche Wirtschaft sind die Aussichten besonders mau. In Summe präsentiert sich das Risikosentiment aber trotz schwachen Ausblicks vergleichsweise positiv und diskontiert die fundamentale Schwäche de facto kaum.

*) Dieter Aigner ist Geschäftsführer der Raiffeisen KAG (Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.).

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