Anbahnender Wendepunkt für Unternehmensanleihen

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Die absoluten Renditeniveaus für Investment-Grade- und Hochzins-Unternehmensanleihen sind unserer Ansicht nach weiterhin attraktiv. Von Simon Thorp*

Eine der ersten Überraschungen des Jahres 2023 war die Widerstandsfähigkeit der Märkte in den Industrieländern. Diese unerwartete Stärke sorgte in den ersten neun Monaten des Jahres für eine Rallye, insbesondere in schwächeren Kreditsegmenten.

Die Kombination aus kontinuierlich steigenden Zinsen und der zeitlichen Verzögerung seit der ersten Anhebung hat jedoch viele Volkswirtschaften an einen Wendepunkt gebracht. Unserer Meinung nach könnte sich der Aufschwung von 2023 recht schnell umkehren. Wir verweisen auf die jüngste Parallele an den Aktienmärkten, wo europäische Aktien innerhalb von nur sieben Wochen 50% ihrer bisherigen Jahresgewinne eingebüßt haben, wie der Euro Stoxx 50 Index zeigt.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts sind Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating in den negativen Bereich gerutscht, und hochverzinsliche Anleihen haben etwa 40% ihrer Gewinne seit Jahresbeginn wieder abgegeben.

Mit Blick auf die Zukunft finden wir die in den letzten 2-3 Monaten zu beobachtende größere Streuung der Spreads ermutigend, und glauben, dass sich dies fortsetzen wird.

Wir sind der Ansicht, dass es in bestimmten Branchen zu Verschiebungen kommen wird. Prozyklische Sektoren wie Chemie, Baumaterialien, Einzelhandel und Autoindustrie werden sich voraussichtlich Herausforderungen stellen müssen. Umgekehrt haben Sektoren, die in der Vergangenheit während Bären-Märkten defensiv ausgerichtet waren, wie Finanzwerte, Energie, Technologie, Medien und Telekommunikation, Glücksspiel und Gesundheitswesen, das Potenzial, positiv konvexe Alpha-Möglichkeiten zu bieten.

Unternehmensanleihen im Blickpunkt

Foto: © Maria Vonotna – stock.adobe.com

Im Bereich der hochverzinslichen und fremdfinanzierten Kredite zeichnet sich eine beträchtliche Fälligkeitsgrenze ab, die sich von 2024 bis 2026 erstreckt. Die Kapitalkosten sind auf ein Niveau gestiegen, das vor allem für Unternehmen mit schwächerer Bonität eine Herausforderung darstellen könnte. Unseres Erachtens dürfte dies im Jahr 2024 eine reichhaltige Quelle für Long- und Short-Chancen bei globalen Krediten bieten.

Sollten sich die makroökonomischen Bedingungen gegenüber dem aktuellen Stand verschlechtern, was sich auf die Unternehmenserträge auswirken könnte, könnte die Liquidität sowohl versiegen als auch sehr selektiv werden. Die Ausfallraten steigen bereits an, insbesondere in den USA (fast 5% gegenüber weniger als 2% im Jahr 2022). Die Credit Spreads fangen gerade erst an, diese sich entwickelnde Dynamik zu berücksichtigen.

Die absoluten Renditeniveaus für Investment-Grade- und Hochzinsanleihen sind unserer Ansicht nach weiterhin attraktiv und haben das Potenzial, noch attraktiver zu werden. Allerdings sind die Credit Spreads im historischen Vergleich weiterhin bemerkenswert eng. Um sich dem historischen Niveau anzunähern und den steigenden Ausfallraten in den USA von 8-10% Rechnung zu tragen, ist unseres Erachtens eine erhebliche Ausweitung der Spreads um 200 Basispunkte erforderlich, damit die Anleihen den ‚fairen Wert‘ widerspiegeln.

Da es unwahrscheinlich ist, dass die Zentralbanken die Märkte mit Zinssenkungen (die die ohnehin schon hartnäckige Inflation anheizen würden) und Konjunkturmaßnahmen (das derzeitige Verhältnis zwischen Staatsverschuldung und BIP ist bereits zu hoch) retten können, halten wir es für sinnvoll, auf absehbare Zeit eine defensive Positionierung bei globalen Krediten beizubehalten.

Simon Thorp

Die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten verstärken natürlich den geopolitischen Gegenwind, mit dem die Märkte ohnehin schon zu kämpfen haben. Wie bei jedem militärischen Konflikt nimmt die Unsicherheit zu. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts haben die Märkte ruhig und logisch reagiert. Wir gehen davon aus, dass sich eine Eskalation zunächst an den Energie-, Währungs- und Staatsanleihemärkten bemerkbar machen wird, was mit einem Rückgang der Aktien und einer Ausweitung der Credit Spreads einhergehen wird. Bei einer bereits defensiv ausgerichteten Strategie sehen wir keine wesentlichen Änderungen vor, obwohl wir bei einem Rückgang der Volatilität opportunistisch OTM-Put-Optionen zukaufen könnten.

*) Simon Thorp ist CIO Corporate Credit bei Aperture Investors

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