Zwischen Altmaiers Klimaschutz-Visionen und dem Ausbau der Erneuerbaren tut sich ein Mariannen-Graben auf

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Am Freitag wollte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ganz Deutschland hinter dem Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft bis 2050 versammeln. In der Woche drauf zeigt sein Vorschlag für die Novelle des Erneuerbare Energien Gesetz (EEG 2020), wie groß die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist: „Mit einem wirklich hohen CO2-Preis und weniger Abgaben auf grünen Strom ließe sich der Weg zur Klimaneutralität fast auf einem Bierdeckel skizzieren“, sagt Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin von UnternehmensGrün e.V.

„Anstelle eines visionären Papieres, dass viele neue Baustellen aufmacht, brauchen wir im Klimaschutz vor allem die Stärkung der sinnvollen vorhandenen Ansätze und einen massiv höheren CO2-Preis für alle Sektoren – entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produktes“, so Reuter weiter.

So drohe ein Vorschlag wie eine „Charta für Klimaneutralität und Wirtschaftskraft“ zur bloßen PR-Maßnahme zu verkommen, da Unternehmen und Staat nicht rechtlich verbindlich auf vollständige Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet werden.

Der zentrale Vorschlag „Klimaneutralität“ bis 2050 ist ohnehin zu spät“, so David Wortmann, CEO der Politik- und Strategieberatung DWR eco und Mitglied bei UnternehmensGrün. „Die Atmosphäre hat heute schon 417 ppm Kohlendioxid. Seit Paris 2015 sind weltweit die Emissionen weiter gestiegen. 2019 war Rekordjahr. Bei aktuellem Pfad erreichen wir 1,5° C schon 2030 und 3° C 2050. Die Vorschläge von Minister Altmaier greifen daher leider zu kurz. Es fehlt eine klare Strategie 100% Erneuerbare Energien und die Aktivierung von natürlichen Kohlenstoffsenkern. Die Zeit rennt“, erläutert Wortmann.

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Auch müssten gerade die Großunternehmen stärker in die Pflicht genommen werden, eigene Pfade hin zur Klimaneutralität zu entwickeln. „Peter Altmaier stellt ihnen Hilfen in Aussicht und will sie vor „wettbewerblich relevanten Belastungen“ bewahren. Dass lädt die finanzstarken Konzerne aber geradezu ein, sich weiter passiv zu verhalten“, erklärt Reuter auch mit Blick auf Industrien wie Stahl, Chemie oder Glas, für die es heute noch keine absehbaren Pfade zur Klimaneutralität gibt.

Damit sich Staat und Wirtschaft nicht immer tiefer in einem Dschungel von Detailregelungen, Spezialgesetze und Ausnahmen für den Klimaschutz verirren, müsse man viel stärker als bisher auf Marktwirtschaft setzen. „Mit einem wirklich hohen CO2-Preis und weniger Abgaben auf grünen Strom lässt sich der Weg zur Klimaneutralität fast auf einem Bierdeckel skizzieren“, so Reuter.

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Hilfe für „Early Movers“: Erneuerbare müssen billiger sein als Fossile
In seinem 20-Punkte-Plan will Altmaier auch die Vorreiter der Klimaneutralität besonders fördern – davon würden sämtliche Mitglieder von UnternehmensGrün profitieren. „Die Unternehmen des ökologisch orientierten Mittelstandes fordern schon lange, dass etwa der Einsatz von Ökostrom für Wärme in Unternehmen wirtschaftlich werden muss. Und die Lebensmittelunternehmen im Verband fordern ebenso lange bessere Rahmenbedingungen für eine umweltfreundliche, klimaschonende Produktion von regionalen Waren“, erinnert Reuter. „Wenn Altmaier auf dem Weg zur Klimaneutralität tatsächlich vorangehen will, dann liegen genügend Konzepte etwa zur Einpreisung der externen Kosten der konventionellen Industrie und Landwirtschaft auf dem Tisch seines Hauses. Vieles davon müsste er nur umsetzten, statt Wolkenkuckucksheime wie eine internationale Klima-Universität an den Himmel zu malen“, kritisiert Reuter.

Dr. Katharina Reuter, UnternehmensGrün

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