Nachhaltigkeit light? Was die Omnibus-Verordnung für KMU bedeutet

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Seitdem die Omnibus-Vorschläge der EU-Kommission vorgestellt wurden und das Europaparlament im Eilverfahren für die Verschiebung der Berichtspflichten stimmte, gab es hierzu neben umfassender Berichterstattung hitzige Diskussionen. Ziel der Initiative, die vor allem die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD, die Sorgfaltspflichten aus dem Lieferkettenrecht der CSDDD sowie die EU-Taxonomie betrifft, ist die Reduzierung des bürokratischen Aufwands und die Entlastung vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen. Doch das Omnibus-Paket stößt dabei auf geteiltes Echo und lässt zum aktuellen Zeitpunkt einige inhaltliche Fragen offen. Vor allem für KMU zählt mehr denn je Eigeninitiative. Von Anita Roßbach*, Senior Consultant, EULE Corporate Capital, und Mareike Freund**, Projektmanagerin, ProConVis

Neustart für die CSRD? Das steckt hinter den Änderungen
Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket sieht u.a. eine Reduzierung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen, eine Verringerung des Berichtsumfangs sowie einen zeitlichen Aufschub der CSRD („stop the clock“), also der Berichtspflichten um zwei Jahre nach hinten, vor. Übergeordnetes Ziel soll eine deutliche Vereinfachung bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung, eine Entlastung der Unternehmen und Vereinfachung für Investitionen sein. Faktisch ist dies aber zugleich die Fortführung des Regulierungschaos, das Unsicherheiten für die betroffenen Unternehmen mit sich bringt.

Durch die Omnibus-Maßnahmen wird die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich reduziert werden, da Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden von der CSRD-Berichtspflicht ausgenommen werden sollen. Dadurch werden etwa 80% der bisher von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erfassten Unternehmen zukünftig vom Anwendungsbereich der CSRD nicht mehr betroffen sein. Nach ersten Schätzungen wären damit nur noch etwa 10.000 Unternehmen verpflichtet, nach CSRD zu berichten, und beispielsweise kapitalmarktorientierte KMU davon ausgenommen. Für nicht berichtspflichtige Unternehmen gibt es vereinfachte Standards für eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung (VSME), die von der EFRAG erarbeitet werden.

Können KMU das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung damit erst einmal entspannt vertagen?
Nein, auf keinen Fall. Zwar gibt es auch bei der Lieferkettenberichterstattung Lockerungen; d.h., KMU, die als Zulieferer tätig sind, müssen nur noch begrenzt Informationen bereitstellen und die Anforderungen an sie dürfen nicht über die freiwilligen Berichtsstandards VSME hinausgehen. Dennoch sollten auch Unternehmen, die nicht mehr in den Anwenderkreis der überarbeiteten CSRD fallen, die hohe Relevanz des Themas Nachhaltigkeit im Blick behalten: Denn zukünftig ist zu erwarten, dass Marktdruck und Wettbewerb sich auf die freiwillige Berichterstattung und die Bereitstellung von ESG-Daten auswirken werden. Stakeholder wie Kunden oder Investoren werden auch bei fehlender gesetzlicher Verpflichtung Transparenz in Nachhaltigkeitsfragen erwarten. Und neben der Wettbewerbsfähigkeit sind auch Mitarbeiterbindung bzw. Arbeitgeberimage sowie der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten bei der ESG-Berichterstattung zu berücksichtigen. Zwar können ESG-Strategien aktuell nur begrenzt direkte Zinsvorteile bieten – es ist jedoch davon auszugehen, dass Unternehmen mit schlechter ESG-Performance künftig höhere Finanzierungskosten oder sogar Schwierigkeiten beim Kapitalzugang selbst haben könnten.

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Insgesamt ergeben sich daraus besonders für KMU neben den theoretischen Erleichterungen, die das Omnibus-Paket bringen kann, durchaus auch spezielle Herausforderungen vor allem in Bezug auf langfristige Wettbewerbsfähigkeit, Kundenbindung und Glaubwürdigkeit im Markt.

Strategisch rangehen: ESG clever im Mittelstand integrieren
KMU haben zwar in der Regel weniger Ressourcen, dafür jedoch den Vorteil, flexibel und agil auf Veränderungen, Marktbedingungen und Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Dies sollten sie nutzen und durch freiwillige Maßnahmen und gezielte Strategien ihre Marktposition stärken. Mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Basis des VSME können sie in jedem Fall ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten und -ziele transparent dokumentieren und dadurch ihre Glaubwürdigkeit, aber auch ihre Marktposition bei Kunden und Geschäftspartnern stärken. Wichtig ist zudem, ganz konkret zu prüfen, welche Daten sie als Zulieferer erheben sollten, um Anforderungen von Geschäftspartnern erfüllen zu können. Hier geht es ganz konkret darum, Nachhaltigkeitsaspekte entlang der Wertschöpfungskette transparent zu erfassen.

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Für KMU kann die Datenerfassung sowie die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts eine Herausforderung darstellen, da oft nicht die entsprechenden Ressourcen oder das Fachwissen vorhanden sind. Hier gibt es zahlreiche Tools und Leitfäden, die speziell für kleinere und mittelständische Unternehmen entwickelt wurden, um den Prozess zu erleichtern. Externe Berater können darüber hinaus gemeinsam mit dem Unternehmen die Nachhaltigkeitsstrategie ausrichten und sie bestenfalls zu einem integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie machen, um Nachhaltigkeitsthemen im operativen Geschäft praktisch umzusetzen. Kooperationen mit anderen Unternehmen oder Organisationen können hilfreich für einen Erfahrungsaustausch sein oder um Best Practices zu entwickeln.

Hier lohnt der Blick auf kleine Unternehmen wie die Giovanni L. Produktions- und Handelsgesellschaft mbH & Co. KG. Die Kieler Gelatomanufaktur produziert in einer der modernsten EU-zertifizierten Manufakturen Norddeutschlands hochwertiges Speiseeis mit regionalen, natürlichen Rohstoffen und setzt schon seit Jahren auf solarproduzierten Strom für den Betrieb, Elektrofahrzeuge im Fuhrpark und modernste Technik bei den Kühlanlagen. Die Nachhaltigkeitsstrategie des inhabergeführten Unternehmens ist dabei intrinsisch motiviert und basiert auf der Überzeugung, das Unternehmen so zukunfts- und wettbewerbsfähig aufzustellen. Große Endkunden und Lebensmittelgroßhändler honorieren das.

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Jörg Fischer, geschäftsführender Gesellschafter: „Für uns haben sich die freiwillige Entwicklung von nachhaltigen Maßnahmen und deren Umsetzung als voller Erfolg herausgestellt. Sei es die nachhaltige Produktion, die nachhaltigen Instrumente in der Betriebsführung oder auch die Implementierung von Personalthemen im Nachhaltigkeitskontext. Wir haben dadurch nachweislich unsere Marktposition gestärkt und ausgebaut, und das werden wir auch weiterhin tun.“

Für Giovanni L. ist zukünftig auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Basis des freiwilligen VSME-Standards ein Thema, weil die Geschäftsführung davon überzeugt ist, dass dies Transparenz schafft und das Vertrauen der Kunden stärkt.

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Wettbewerbsvorteil Nachhaltigkeit: So profitieren KMU
Praxisbeispiele wie Giovanni L. zeigen, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen durchaus einen gezielten und messbaren Nutzen und somit einen Return on Investment auch für kleine und mittelständische Unternehmen haben können. Die Investitionen in die hauseigene Solaranlage, E-Mobilität und Digitalisierung reduzieren hier den Energieverbrauch und erzielen somit Kosteneinsparungen und erhöhen die Unabhängigkeit vom Energiemarkt. Durch die proaktive Einbindung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen in die Geschäftsstrategie kann das Unternehmen seine Marktanteile sichern und ausbauen und darüber hinaus weitere Marktpotenziale erschließen. Und nicht zuletzt im Bereich Mitarbeiterbindung und -motivation ergeben sich positive Effekte für Giovanni L. durch die Bereitstellung von nachhaltigen Angeboten wie E-Bike Leasing oder Firmenwagen mit E-Mobilität. In Zeiten von Fachkräftemangel ist dies eine nicht zu unterschätzende Auswirkung des Nachhaltigkeitskonzepts.

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Innovativ aus Überzeugung
Firmengründer Fischer ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen und hat mit Giobotics einen ganz eigenen Geschäftsbereich aufgebaut, bei dem Nachhaltigkeit integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist. Giobotics hat sich mit seinem hohen Qualitätsanspruch und gleichzeitig einem ressourcenschonenden Einsatz bereits nach kurzer Zeit zu einem starken Anbieter für Roboter auf dem internationalen Markt etabliert.

Mit dem Einsatz von Roboterlösungen kann so nicht nur dem Fachkräftemangel entgegenwirkt werden, sondern sie erfüllen gleichzeitig auch viele nachhaltige Aspekte. Giobotics hebt sich hier insofern von Wettbewerbern ab, als ihre Roboter ein ganzheitliches Konzept erfüllen und sich so in unterschiedlichen Geschäftsfeldern einsetzen lassen. Dennis Dehring, Geschäftsleiter von Giobotics, betont: „Mit unseren maßgeschneiderten und langfristigen Lösungen lassen sich für unsere Kunden signifikante Einsparungen und positive Nachhaltigkeitseffekte erzielen. Somit spart nicht nur der Kunde bei der Anzahl von Robotern, sondern auch die Umwelt. Die Ressourceneinsparungen mithilfe von Robotern sind signifikant; allein der Einsatz von Reinigungsrobotern hat enorme positive Auswirkungen auf den Wasserverbrauch. Sowohl hier als auch bei Service- und Lagerrobotik werden zudem die körperlichen Belastungen der Mitarbeiter stark reduziert – das wirkt sich dann wiederum positiv auf die Mitarbeitergesundheit aus.“

Anita Roßbach, EULE CC

Diese Praxisbeispiele zeigen, wie sich Nachhaltigkeitsstrategie und -maßnahmen ganz konkret umsetzen lassen und welche positiven Effekte sich daraus in den Bereichen Kunden- und Mitarbeiterbindung, Markterschließung und nicht zuletzt auch finanzielle Vorteile generieren lassen.

Fazit
Der Fokus insbesondere von KMU sollte jetzt auf Selbstverantwortung, strategischer Weitsicht und marktbasierten Anreizen liegen: Denn trotz der Verschiebungen und geplanten Erleichterungen im Rahmen des Omnibus-Pakets wird das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung weiter relevant bleiben, sei es durch direkte oder auch indirekte Berichtspflichten oder Datenlieferungen innerhalb der Lieferketten. Bis dahin sollten vor allem KMU die Zeit nutzen, um auf freiwilliger Basis eine entsprechende Datenbasis aufzubauen, ihre Nachhaltigkeitsstrategie auszurichten und dadurch die eigene Marktposition zu stärken.

*) Anita Roßbach berät bei EULE Corporate Capital GmbH als Senior Consultant mittelständische Unternehmen in den Bereichen Kapitalmarkt-, Unternehmens- und Krisenkommunikation sowie Unternehmensfinanzierung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf allen Themen rund um Nachhaltigkeit.

Mareike Freund, ProConVis

**) Mareike Freund berät bei ProConVis strategisch bei (IT-)Transformationen und Changemanagement und unterstützt Unternehmen mit ihrer Expertise bei der Digitalisierung von deren Nachhaltigkeitsinitiativen. Sie integriert Geschäftsprozessmanagement nahtlos in die Implementierung und Optimierung von (ESG-)Softwarelösungen.

Dieser Fachbeitrag erschien ursprünglich in der BondGuide-Jahresausgabe „Green & Sustainable Finance 2025“ am 12. Juni 2025HIER geht’s zur Gesamtausgabe.