Klimatransitionsplan im Fokus – strategische Dekarbonisierung für unternehmerische Zukunftsfähigkeit

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Der Begriff Klimatransitionsplan (Climate Transition Plan; CTP) geistert derzeit durch die Unternehmen der Republik. Das Management, darunter vor allem CEOs und CFOs, sieht sich dabei mit der Frage konfrontiert, ob ihr Unternehmen einen CTP erstellen soll – und warum. Von Jan-Marten Krebs*, Gründer und Vorstand, Sustainable AG Unternehmensberatung

Doch was ist der CTP denn nun konkret? Auf die Agenda vieler Unternehmen ist er zunächst durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gerückt, die erstmals eine Definition zu den CTPs enthielt. Gemäß dem European Sustainability Reporting Standard (ESRS) E1 – Klimastandard gibt ein sogenannter Übergangsplan für den Klimaschutz weitreichende Einblicke zu den bisherigen, derzeitigen und künftigen Klimaschutzbemühungen der Unternehmen.

Das Omnibus-Paper der EU-Kommission von März 2025, das die bisherigen Pflichten durch die CSRD aufweicht und infrage stellt, hat wenig überraschend auch die Diskussion um den CTP stark beeinflusst – die Frage, ob und wann sich Unternehmen einen eigenen CTP erarbeiten sollen, ist damit umso dringlicher geworden.

In der Diskussion mit dem C-Level von Unternehmen in der gesamten DACH-Region zeigt sich derzeit, dass es in den Unternehmen unterschiedliche Thesen zum CTP gibt, die im weiteren Verlauf genauer unter die Lupe genommen werden sollen:

These eins: Ein CTP ist doch nichts anderes als eine Klimastrategie.
These zwei: Ein CTP ist geschäftsrelevant, auch ohne CSRD.
These drei: Die Erwartungen der Banken werden nicht weniger – im Gegenteil.
These vier: Ohne Finanzler kein tragfähiger CTP.

These eins: Ein CTP ist doch nichts anderes als eine Klimastrategie
Handelt es sich bei den Anforderungen an einen CTP um eine Klimastrategie, die sich am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaübereinkommens orientiert? Ein klares Nein: Denn ein CTP geht deutlich über bisherige Klimastrategien hinaus und ist deshalb konkreter und wirkungsvoller. Er verbindet das Geschäftsmodell mit den Auswirkungen des Klimawandels und rückt damit die Resilienz und wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens in den Vordergrund und ist insofern so etwas wie eine Klimastrategie 2.0. Welche Schritte Unternehmen dafür er- und bearbeiten müssen, illustriert Abb. 1:

Abb. 1: Elemente eines CTP; Quelle: Sustainable AG Unternehmensberatung

Der CTP bringt Unternehmen dazu, genau zu analysieren, wie der Klimawandel auf ihre Wertschöpfung wirkt, wie sie Risiken reduzieren und Chancen nutzen können – es geht also um professionelles Management und die Verbindung des Klimawandels und seiner Wechselwirkung mit der Unternehmensstrategie. Wie stark der CTP auf die Resilienz des Unternehmens wirkt, hängt dabei wesentlich davon ab, mit welcher Konsequenz das Unternehmen bereit ist, gewonnene Erkenntnisse auch entschlossen umzusetzen.

These zwei: Ein CTP ist geschäftsrelevant, auch ohne CSRD
Ist ein CTP für jedes Unternehmen geschäftsrelevant? Diese Frage lässt sich eindeutig mit einem Nein beantworten. Welche Unternehmen sollten sich aber mit einem CTP beschäftigen? Um diese Frage zu beantworten, empfiehlt sich eine Analyse anhand von Abb. 2:

Abb. 2: Systematik zur Bewertung: CTP sinnvoll oder nicht?; Quelle: Sustainable AG Unternehmensberatung

Die zugrunde liegende Logik ist dabei simpel: Je höher die Gefährdung des Geschäftsmodells durch den Klimawandel ist – übrigens entlang der gesamten Wertschöpfungskette – und je stärker die möglichen unternehmerischen Vorteile durch eine Dekarbonisierung ausfallen, desto dringlicher und lohnender ist die Erarbeitung eines CTP.

Welche Aspekte des Klimawandels können bestehende Geschäftsmodelle gefährden? Hierbei geht es vor allem um transitorische und physische klimabedingte Risiken: Welche regulatorischen Anforderungen erwartet ein Unternehmen im Hinblick auf die Wertschöpfung (z.B. der CO2-Preis oder die Energiepreisentwicklung fossiler Energien)? Welche physischen Klimarisiken – wie Produktionsausfälle durch Extremwetterereignisse, Missernten, Beschädigung von Werken und Produktionsanlagen – können sich negativ auf die Wertschöpfungskette auswirken?

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Das Potenzial zur Dekarbonisierung betrachtet derweil zwei Aspekte: auf der einen Seite die wirtschaftlichen Möglichkeiten durch Steigerung der Energieeffizienz, Steigerung der Energieautarkie sowie durch Chancen, über Innovationen zur Dekarbonisierung beizutragen; auf der anderen Seite die potenziellen Risiken in fossilintensiven Wertschöpfungsketten und den damit verbundenen Herausforderungen, Alternativen zu finden.

Beispiele für „Muss-Unternehmen“ sind solche der Automobilindustrie und der Energiewirtschaft. Nehmen wir die Automobilindustrie: Die zum Teil komplexen und ressourcenintensiven Lieferketten sind anfällig für physische und transitorische Klimarisiken, die die Liefersicherheit einschränken. Gleichzeitig hat ein Automobilhersteller entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein hohes Potenzial für deren Dekarbonisierung. Dieses Potenzial geht in der Regel mit Kostensenkungen durch effizientere und ressourcenärmere Wertschöpfungsschritte einher. Die Produktebene selbst hat durch die E-Mobilität das größte Potenzial für die Dekarbonisierung – dieses ist eins zu eins mit dem Geschäft und der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens verbunden.

These drei: Die Erwartungen der Banken werden nicht weniger – im Gegenteil
Die Erfahrung zeigt, dass in stetig mehr – wenn auch nicht allen – Finanzierungsgesprächen Nachhaltigkeit und insbesondere Klimaschutz eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

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Das liegt zum einen daran, dass sich viele Banken eigene Net-Zero-Ziele gesetzt haben. Diese erreichen sie nur, wenn sie ihr Portfolio dekarbonisieren – und das geht nur, wenn sie ihre Kunden motivieren, zu dekarbonisieren. Entsprechend groß ist für Banken der Anreiz, ihre Kreditvergaben mit der Erreichung von Klimazielen zu verknüpfen.

Zum anderen prüfen Aufsichtsbehörden die Kreditinstitute darauf, ob sie ESG- und Klimarisiken berücksichtigen – denn nach Einschätzung von Akteuren wie World Economic Forum und The Financial Stability Board hat der Klimawandel das Potenzial, eine Finanzblase oder eine mögliche „Klimablase“ auszulösen. Um dies zu vermeiden, hat die BaFin die MaRisk für die Finanzwirtschaft eingeführt. Mit der 7. MaRisk-Novelle wurde dafür gesorgt, dass Kreditinstitute Mindestanforderungen an das Management bezüglich ESG- und Klimarisiken festlegen. Die Kreditinstitute sind angehalten, Klimarisiken in das Geschäftsrisiko und Industriekreditrisiko zu integrieren und damit ihr klimabedingtes Ausfallrisiko von Investitionen zu prüfen und zu minimieren. Die Umsetzung dieser Vorgabe wird durch die Aufsichtsbehörden kontrolliert.

Banken streben also möglichst niedrige Klimarisiken in ihrem Portfolio an. Dies gelingt allerdings nur, wenn die zu finanzierenden Unternehmen ihre Risiken kennen und reduzieren – und das optimalerweise mit einem CTP. Die Kreditinstitute achten vermehrt auf eine ganzheitliche Betrachtung des Klimawandels und seine Auswirkung auf den zukünftigen Geschäftserfolg des zu finanzierenden Unternehmens. Deshalb gilt: Daten zu haben ist besser, als keine Daten zu haben – und je fundierter und stimmiger diese in Bezug auf das Geschäftsmodell sind, desto besser und überzeugender.

Dies gilt insbesondere für Branchen, die hohe Treibhausgasemissionen aufweisen. Sie sind tendenziell stärker betroffen von Klimarisiken und bergen damit ein höheres Ausfallrisiko. Folglich werden sie kritischer durch Kreditinstitute bewertet.

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Generell gilt die Empfehlung: Lieber erarbeite ich als Unternehmen meinen CTP selbst, als dass eine Bank mich bewertet. Denn: Ein eigener CTP spiegelt die Unternehmensrealität besser wider, man bekommt einen besseren Überblick über Risiken und Chancen und schließlich werden oftmals die Kredite zu besseren Konditionen möglich.

These vier: Ohne Finanzler kein tragfähiger CTP
Generell muss ein CTP End-to-End gedacht und bereichsübergreifend umgesetzt werden; nur so gelingt ein ganzheitlicher Ansatz. Für die Umsetzung bedeutet das, dass die unterschiedlichen Bereiche wie Strategie, Produktion, Produktentwicklung, Einkauf, Nachhaltigkeit etc. Maßnahmen erarbeiten, um die jeweiligen Klimaziele zu erreichen. Wichtig: Ein tragfähiger CTP kann nicht ohne den Finanzbereich des jeweiligen Unternehmens erarbeitet werden, denn es geht um die finanzielle Bewertung von Risiken und um die Finanzierung der Transformation.

Optimalerweise werden die Maßnahmen des Unternehmens in einem Implementierungsplan zusammengefasst. Dieser wird mit dem Investitionsplan harmonisiert und damit die Finanzierung der Dekarbonisierung mit der Geschäftsplanung, also der Investitionsplanung und der Cashflow-Planung des Unternehmens, verbunden. Auf diese Weise wird die finanzielle Realisierbarkeit des Vorhabens geprüft und mit einem Kreditinstitut abgestimmt.

Jan-Marten Krebs, Sustainable AG Unternehmensberatung

Fazit
Der CTP erscheint zunächst einmal als lästige Pflicht, die viele Ressourcen bindet. Auf den zweiten Blick wird aber deutlich: Für Unternehmen, die auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften wollen, ist der CTP ein essenzielles Werkzeug, um die Transformation zu gestalten, Risiken und Chancen tiefgreifend zu analysieren und auch die Finanzierung der Weiterentwicklung des Unternehmens zu sichern. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die hohen Risiken durch den Klimawandel ausgesetzt sind – ob im eigenen Einflussbereich oder entlang der Wertschöpfungsketten –, sowie für all jene, die enorme Potenziale für eine Dekarbonisierung haben.

*) Jan-Marten Krebs ist Gründer und Vorstand der Sustainable AG Unternehmensberatung, die im Jahr 2008 gegründet wurde. Mit sieben Standorten in der DACH-Region und 140 Beratenden ist die Sustainable Gruppe die größte auf Nachhaltigkeit spezialisierte Unternehmensberatung im deutschsprachigen Raum.

Dieser Fachbeitrag erschien ursprünglich in der BondGuide-Jahresausgabe „Green & Sustainable Finance 2025“ am 12. Juni 2025HIER geht’s zur Gesamtausgabe.