Gewinnsaison richtig deuten – mit Qualitätsauslese ins zweite Halbjahr

Regelmäßig kommentieren Eoin Murray und Geir Lode von Federated Hermes die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Diesmal: Weshalb ein Ausblick auf das zweite Halbjahr verhalten ist – und eine belastbare Erholung noch nicht absehbar.

Eoin Murray, Head of Investment bei Federated Hermes:

„Bereits zuvor habe ich meine Präferenz für europäische Aktien gegenüber US-Aktien erläutert. Das möchte ich vertiefen und darlegen, warum gerade jetzt die Zeit für Value gegenüber Growth gekommen sein könnte. In diesem Jahr war Value bislang weltweit durchweg unter den Erwartungen, da die Pandemiekrise diesen – wirtschaftlich empfindlichen – Anlagestil hart getroffen hat. Ebenso erstarkte Value auch nicht mit der Erholung der Wirtschaftstätigkeit im Allgemeinen – was anscheinend auf Bedenken hinsichtlich der wachsenden Verschuldung und der schwachen Rentabilität zurückzuführen ist.

 Eoin Murray

Warum ist also gerade jetzt die richtige Zeit für Value? Das ist grundsätzlich differenziert zu betrachten. Meine Einschätzung stützt sich nicht auf Value allein, sondern vielmehr auf die Verbindung von Value und Qualitätsstilen. Der Aufschlag bei teuren Wachstumstiteln gegenüber günstigen Aktien ist derzeit auf einem Niveau, das es seit dem Ende der Technologieblase Anfang der 2000er Jahre nicht mehr gab. Jegliche Gewinnausfälle könnten dazu führen, dass das reine Wachstum stark zurückgeht. Das Kaufrisiko von so genannten Value-Trap-Aktien, die sich nicht wieder erholen können und aus gutem Grund günstig sind, kann begrenzt werden: Indem Value mit Qualität abgesichert wird, verringert sich das wirtschaftliche Risiko mitsamt des Betas – und man bereitet sich auf einen Anleihe-Welle vor, die eher früher als später kommen kann.“

Geir Lode, Head of Global Equities bei Federated Hermes:

„Alle Augen sind auf die Gewinnsaison im zweiten Quartal gerichtet. Viele Anleger machten sich kaum Sorgen über enttäuschende Gewinnaussichten in diesem Quartal; da es im vorangegangenen Quartal fast keinerlei Halt und Orientierung gab, hat dies zu einer niedrigen Erwartungshaltung geführt. Obwohl es zwar kleinere Überraschungen gab, konzentrieren sich viele Anleger nun eher auf Marktausblicke, um Klarheit zu gewinnen.

Was haben wir also bisher gelernt? Einige der US-Bankengiganten haben enorme Rückstellungen für absehbare Schuld- und Kreditverluste eingeplant, obwohl die Auswirkungen durch eine gute Handelsperiode bereits ausgeglichen wurden. Dennoch vermittelt dies ein Gefühl dafür, wie die Banken aus makroökonomischer Sicht denken – und steht in direktem Kontrast zur anhaltend positiven Stimmung der Konsumenten.

Geir Lode

Gleichwohl glauben viele nach wie vor an eine V-förmige Erholung. Dabei ist es noch zu früh, um festzustellen, ob die laufende Gewinnsaison diese Ansicht stützen kann oder nicht. Währenddessen bleiben die Geld-Hähne weiter aufgedreht – und werden wahrscheinlich auch weiterhin geöffnet bleiben. Dies gilt, solange die Arbeitslosigkeit derart hoch ist. Dies sollte den Märkten weiterhin Aufwind verleihen.

Jedoch: Während die Märkte weiter steigen, werden Anleger zunehmend nervöser. Möglicherweise werden wir also einige Faktorrotationen sehen. Wir sind weiterhin der Meinung, dass in diesem Umfeld zwei Dinge entscheidend sein werden: Erstens Diversifizierung und zweitens ein Fokus auf Unternehmen mit langlebigen Geschäftsmodellen, die aus verschiedenen Perspektiven attraktiv sind.“