Denkansätze zur Coronakrise und ihrer Folgen

Toilettenpapier

So gut und schnell die Regierung Maßnahmenpakete zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und Coronakrise geschnürt hat, so wichtig ist jetzt ein bundesweiter Masterplan für das „Erwecken“ des öffentlichen Lebens aus dem selbstverordneten Koma. Von Carsten Mumm und Frank Wieser*

Ein Beispiel ist die derzeit viel diskutierte Öffnung der Schulen. Um kein Klumpenrisiko einzugehen, wird man zunächst nicht alle Schüler zurückholen. Damit stellt sich aber die Frage, ob zuerst die Gymnasiasten zugelassen werden, um die verspäteten Abiturprüfungen abzulegen oder ob die Fünftklässler dringender sind, damit sie Platz für die bald kommenden Grundschüler machen. Was ist mit G8 und G9 – wird G8 automatisch zu G9? Bildung ist zwar Ländersache, ohne abgestimmtes einheitliches Handeln wird es in diesen Bereichen jedoch nicht – gut – gehen. Ein bundesweiter Plan ist erforderlich und kein Masterplänchen einzelner Ressorts oder Bundesländer.

Andere Beispiele sind das Hotel- und Gaststättengewerbe, Taxifahrer, Kioskbesitzer, die Organisation von Großveranstaltungen etc. Hierbei müssen zudem Fragen der sozialen Gerechtigkeit beachtet werden. Welche Tätigkeiten dürfen wann, in welchem Ausmaß und in welcher Reihenfolge wieder aktiv werden? Die beschlossenen Maßnahmen müssen stets klar und deutlich nach außen kommuniziert werden – ggf. mit dem Hinweis, dass nicht jede Ungerechtigkeit auszuschließen ist bzw. man nicht alle Partikularinteressen in jeder Phase berücksichtigen kann.

Wirtschaftliche Schäden vs. medizinische Notwendigkeiten

Eine genaue Abwägung der Vor- und Nachteile, die eine verlängerte Shutdown-Phase1 mit sich bringt, wird bereits intensiv geführt. Irgendwann wird man die Bewegungseinschränkungen schon deswegen lockern müssen, um die notwendige Infizierung breiterer Bevölkerungsschichten zu ermöglichen. Zudem drohen der Wirtschaft bei längerer Abschaltung mehr Pleiten, Entlassungen und noch längere Anlaufphasen. Es braucht eine Gratwanderung zwischen dem Schutz der Krankenhäuser vor einer Überlastung und einem zeitnahen Wiederhochfahren des Wirtschaftslebens.

Die erheblichen wirtschaftlichen Kosten der Shutdown-Phase infolge der Coronakrise sollten Anlass sein, nahezu jeden möglichen medizinischen Schritt zur Verkürzung dieser Phase zu ermöglichen. Beachtet werden muss, dass ein Hochfahren der Wirtschaftsaktivität oftmals nur langsam erfolgen kann, etwa weil Zulieferketten noch unterbrochen sind oder die Nachfrage stockt. Zudem müssen in der Industrie – in der die Arbeit nicht dezentral von zu Hause aus erledigt werden kann – einige Prozesse adjustiert werden, z.B. um erhöhte Ansteckungszahlen bei der Rückkehr zur Arbeit in Teams zu vermeiden.

Wie die Welt nach der Akutphase der Pandemie aussehen könnte

Umgang mit stark erhöhten Staatsschulden

Irgendwann müssen die im Zuge der Corona-Krise zumeist massiv ausgeweiteten Staatsschulden zurückgefahren werden. Beispielsweise liegt die Staatsverschuldung in den USA schon heute über 100% bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt – ein Niveau, das zuletzt in der Nachkriegszeit erreicht wurde. Anders als damals wird es in diesem Fall allerdings nicht zu einem langjährigen und strukturell höheren Wirtschaftswachstum kommen, der die Relation zwischen Schulden und Wirtschaftsleistung wieder senken könnte.

Auch Steuererhöhungen in größerem Umfang bei ohnehin schwacher Wirtschaftsdynamik würden schädlich sein. Aber wie soll das funktionieren, wenn doch offensichtlich Krankenhäuser – in den USA sogar das gesamte Gesundheitssystem – unterfinanziert sind? Eine Möglichkeit wäre einige Sozialleistungen nicht einzuführen und die weltweit steigenden Rüstungsausgaben zu beschränken. Es dürfte breiten Teilen der Bevölkerung kaum zu vermitteln sein, dass große Teile des Staatshaushaltes in Rüstung und nicht in den Sozial- bzw. Gesundheitsbereich – oder vor allem Bildung und Forschung – investiert werden.

Die jahrelange Diskussion um die Nato-Beiträge Deutschlands werden vor diesem Hintergrund wohl eine andere Dimension erreichen. Zudem sollte man sich schon heute Gedanken über einen Mechanismus zur Begrenzung ausufernder Schulden machen. Dabei hilft allerdings kaum die dogmatische „Schwarze Null“. Vielmehr braucht es einen konkreten Plan, um die Perspektive eines Schuldenabbaus aufzuzeigen. Die Notenbanken können nicht ewig in die Bresche springen und den Staaten jegliche Ausgaben indirekt finanzieren.

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