DVFA: Künstliche Intelligenz (KI) im Finanzsektor – enormes Potenzial, aber noch nicht ausgereift

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Bei der aktuellen Monatsfrage haben die DVFA Investment Professionals ihre Einschätzung zur künftigen Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (KI) im Finanzsektor abgegeben. Wie auch in anderen Branchen sind die Erwartungen an KI groß: treffsicherere Prognosen, optimiertere Prozesse, fundiertere Entscheidungen. Doch die Entwicklung spezifischer KI-Systeme für Kapitalmarktteilnehmer ist noch im vollen Gang. Auch der regulatorische Rahmen zeichnet sich noch nicht genau ab, und es bleibt fraglich, ob KI mehr werden kann als ein weiteres, wenn auch leistungsstarkes Hilfsmittel. „Die Mehrheit unserer Mitglieder sieht noch erhebliche Hindernisse für einen echten „Siegeszug“ der KI“, sagt Christoph Schlienkamp, stellvertretender Vorsitzender der DVFA. „Es mangelt derzeit noch an Erfahrungen, belastbaren Ergebnissen, auch an Vertrauen in die neue Technik. Vor allem aber brauchen wir dazu bessere, strukturierte und konsistente Daten in großer, langfristig verfügbarer Menge.“

Vorhersage von Markttrends: durchweg hohe Erwartungen, aber überwiegend noch moderates Potenzial
Mithilfe großer Datenmengen und Mustererkennung soll KI helfen, Markttrends früher zu erkennen. Trends zu sehen bleibt aber weit einfacher als die rechtzeitige Prognose von Wendepunkten. Gerade hierbei hängt die Genauigkeit der Vorhersagen entscheidend von der Qualität der Daten ab. Über die Hälfte der Befragten (52%) schätzt daher das Prognosepotenzial für Markttrends derzeit als moderat ein. Mehr als jeder Dritte (38%) ist hierfür allerdings weit optimistischer und stuft die Vorhersagekraft von KI als sehr hoch ein. Nur 10% sehen lediglich geringes oder gar kein Prognosepotenzial.

Einfluss von KI auf die Anwendungsbereiche: schwierig zu gewichten
KI-Algorithmen durchsuchen riesige Datenvolumina und identifizieren idealerweise auch eher versteckte Zusammenhänge, Trends und Anomalien. In welchem Anwendungsbereich der KI der größte Nutzen am Kapitalmarkt gesehen wird, war für die Befragten jedoch nicht einfach zu entscheiden.

Daher lagen Risikomanagement und Marktanalyse mit jeweils 30% gleichauf, gefolgt von Handelsalgorithmen mit 22%. Das Schlusslicht bildete mit 18% die Kundenberatung.

Die Zeitschiene für signifikante Veränderungen: es dauert noch ein paar Jahre
Die überwiegende Mehrheit (61%) erwartet signifikante Veränderungen durch KI am Kapitalmarkt in drei bis fünf Jahren. Immerhin jeder Vierte (26%) ist da, trotz aller Hindernisse und Einschränkungen, optimistischer und sieht signifikante Veränderungen bereits in den nächsten 1-2 Jahren (vgl. Abb.)

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Auswirkungen auf die Arbeit im Investmentsektor
Werden die Aufgaben von Analysten, Beratern, Asset Managern und Tradern bald nahezu vollständig von Künstlicher Intelligenz übernommen? Hier gehen die Auffassungen oft auseinander, was angesichts der zurzeit noch unklaren weiteren Entwicklung und Robustheit der KI-Modelle wenig verwundert.

Jeder Zweite der DVFA Investment Professionals erwartet in der Tat, dass KI bestehende Arbeitsplätze im Finanzsektor ersetzen wird. Doch könnte es sich dabei ja auch vorwiegend um unterstützende DV- und Routinearbeiten handeln. In der Einschätzung hierzu sind sich 20% unsicher und 18% sehen keine Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Dass KI sogar neue Arbeitsplätze schafft, hoffen 12%.

Das alles sagt noch nicht viel aus über die Qualität der künftigen von KI unterstützten Arbeit. So kommt in einzelnen Teilnehmer-Kommentaren zur Umfrage zum Ausdruck, dass KI die Effizienz und Produktivität im Investment-Sektor ebenso steigern könnte wie die Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten, während der Einfluss auf die absolute Anzahl der Arbeitsplätze per Saldo gering bleiben könnte.

Genauigkeit KI-basierter Finanzprognosen: mit traditionellen Methoden schwierig zu vergleichen
Genauigkeit und Umfang der Analyse bleiben auch mit KI die Basis jeder guten Prognose. Das gilt schon bisher für die traditionelle Finanzanalyse auf Basis von Unternehmens- und Marktdaten einschließlich sog. „weicher Faktoren“ wie ESG-Berichten und Behavioral Finance.

Trotz – oder gerade wegen – dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit hält mehr als jeder Dritte (35%) es für unmöglich, die Genauigkeit von KI-basierten Finanzprognosen und traditionellen Methoden zu vergleichen. Dagegen trauen 29% den KI-Methoden eine größere und 26% eine gleichgroße Genauigkeit zu. Und 10% halten KI sogar für weniger genau.

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Die Hindernisse bei der KI-Durchdringung: noch etliche Hürden zu nehmen
Generative KI entwickelt sich rasant, und zahlreiche Branchen arbeiten am Einsatz spezifischer KI für ihre jeweiligen Verwendungen. Derweil wetteifern weltweit große Konzerne um Marktbeherrschung, weil auch bei KI Skaleneffekte und Monopolstrategien Kostenvorteile versprechen. Das macht die Zukunft der KI ebenso spannend wie ungewiss.

Folgerichtig halten 58% der befragten Investment Professionals den Mangel an Verständnis oder Vertrauen derzeit noch für das größte Hindernis, das einer Integration von KI am Kapitalmarkt entgegensteht. Nicht einmal halb so viele Antworten (24%) entfielen auf regulatorische Beschränkungen, gefolgt von den mit KI verbundenen technologischen Herausforderungen (17%). Kosten scheinen derzeit dagegen kein Problem (1%).

Fazit: Datenqualität entscheidend für den Durchbruch der KI – und der Mensch
„Entscheidend für den Durchbruch der KI als Hilfsinstrument in unserer Branche wird die Verfügbarkeit belastbarer, strukturierter Daten sein“, fasst Christoph Schlienkamp die Umfrageergebnisse zusammen. „Wie generell bei jeder KI wird es darauf ankommen, wie die Modelle trainiert werden, aus welchen Daten sie lernen, und ob diese Prozesse noch gesteuert, nachvollzogen und kontrolliert werden können. Denn am Ende sollte immer der Mensch entscheiden, wie weit er der KI und deren Ergebnissen vertraut. Es wird z.B. von zentraler Bedeutung sein, dass nicht ‚KI nur mit KI-Ergebnissen gefüttert‘ wird – das würde zu Zirkelschlüssen und schließlich zu völliger Konformität führen, einem ‚globalen maschinellen Consensus‘. Es wäre das Ende der Kapitalmärkte und ihrer unverzichtbaren gesamtwirtschaftlichen Allokationsfunktion. Ich persönlich hoffe daher sehr, dass KI die menschliche Erfahrung, Intuition und Kreativität niemals ersetzen wird. Sie darf kein ‚Autopilot‘ werden. Denn nur dann kann der einzelne Investor, Analyst und Berater einen Vorsprung im Wettbewerb erzielen, der schließlich den Unterschied macht im Markt.“

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