EZB rückt ‚Spiegel‘-Bericht über Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen zurecht

FRANKFURT (dpa-AFX) – Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht ihren Chef Mario Draghi in der Diskussion um bilanzrechtliche Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen aus der Schusslinie zu nehmen. Der EZB-Präsident habe keine Vorschläge blockiert, die Risikogewichtung von Staatsanleihen für Finanzinstitute zu ändern, teilte ein Sprecher der Notenbank am Montag in Frankfurt mit. Das Magazin ‚Der Spiegel‘ hatte am Sonntag berichtet, Draghi habe brisante Empfehlungen eines Wissenschaftsausschusses zu Staatsanleihen ausgebremst. Die Verflechtung von angeschlagenen Banken und hochverschuldeten Staaten über den Anleihemarkt gilt als Brandbeschleuniger bei Finanzmarktstress.

Berater des bei der EZB angesiedelten Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) haben dem ‚Spiegel‘-Bericht nach vorgeschlagen, die hohen Investitionen europäischer Banken in die jeweiligen nationalen Staatsanleihen als Klumpenrisiko zu behandeln. Laut dem EZB-Sprecher war es nicht Draghis alleinige Entscheidung, die Studie mit diesen Vorschlägen vor Veröffentlichung noch einmal überarbeiten zu lassen. Der gesamte Vorstand des ESRB habe im September beschlossen, die Analyse an die Forscher zurückzugeben. Draghi ist als EZB-Chef mit einem Sitz im ESRB-Rat vertreten.

Da Staatsanleihen bislang als risikolose Anlage bilanziert werden dürfen, müssen Banken sie nicht mit teurem Eigenkapital absichern. Dadurch entstehen für die Institute starke Anreize, billiges Zentralbankgeld in höher verzinste Staatstitel anzulegen. Klamme Regierungen können auf diesem Weg leicht Käufer für ihre Schuldtitel finden. Geraten Staaten oder Banken jedoch finanziell ins Schlingern, reißen sie sich durch die hohen Abhängigkeiten gegenseitig in den Abgrund. Vor diesem ‚Teufelskreis‘ warnt beispielsweise die Deutsche Bundesbank schon lange.

Mittelfristig müssten solche Risiken ähnlich wie Unternehmenskredite in der Höhe begrenzt oder in den Bankbilanzen mit Kapital unterlegt werden, schlugen nach ‚Spiegel‘-Informationen auch die EZB-Berater in ihrem zurückgewiesenen Bericht vor. Das ist exakt, was führende Bundesbanker fordern. Für viele Top-Entscheider der EZB käme eine Grundsatzdiskussion um das bestehende System der Staatsfinanzierung jedoch zur Unzeit. Denn im kommenden Jahr will die Notenbank die Bankbilanzen einem Stresstest unterziehen. Eine Änderung der Risikogewichtung von Staatsanleihen könnte neue Finanzlöcher aufreißen. Banken aus Spanien beispielsweise haben 299 Milliarden Euro in spanische Staatsanleihen gesteckt./hbr/bgf