BondGuide – Special „Digitalisierung, Krypto, Fintechs 2022“ • Seite 8 BondGuide – Das Portal für Unternehmensanleihen Doch was ist mit Vermögensgegenstän- den, die keine Cashflows erwirtschaften? Ganz einfach: Sie können intrinsisch nicht bewertet werden. Ein Gold- oder Währungs- analyst kann kein Discounted-Cashflow- Modell aufstellen, mit dem sich die At- traktivität des Krügerrands oder Bitcoins gegenüber dem Euro errechnen ließe. Anders ausgedrückt: Cashflowlose Assets haben keinen intrinsischen Wert. Sie haben lediglich einen Preis, der von Angebot und Nachfrage – mithin der aktuellen Nachrichtenlage und der Marktstimmung – abhängig ist. Doch kann die Tatsache, dass Zeit und Energie in die Produktion von Bitcoin ge- flossen sind, nicht als Rechtfertigung die- nen, dafür zu bezahlen – denn die Grenz- kostenmethode funktioniert nur, wenn ein Rohstoff eine nützliche Funktion hat. Öl etwa ist ein werthaltiger Rohstoff, da er seinen Wert aus der Energieerzeugung bezieht. Schon bei Gold funktioniert diese Bewertungsmethode nicht, weil dessen Gewinnungskosten von Mine zu Mine va- riieren. Da ist es eher der Normal fall, dass der Goldpreis unter den Gewinnungs- kosten notiert. Kryptos als Rohstoff: Ist nicht alles Gold, was glänzt? Für Kryptoenthusiasten mag das wenig zufriedenstellend sein. Wie auch, denn um es mit den Worten von Upton Sinclair zu sagen: „Es ist schwierig, einen Mann dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Investmentportfolio davon ab- hängt, dass er es nicht versteht.“ Was, wenn da mal die Nachfrage stockt? Die Ideologen der Kryptobewegung ver- suchen daher, Kryptos als Notwendigkeit einzustufen, als etwas, das man haben „muss“; so wie einen Rohstoff. Für die Millennials würden Bitcoins dann dieselbe Safe-Haven-Funktion übernehmen, wie sie im letzten Jahrtausend Gold innehatte. In diesem Fall könnte man auf alternative Wertfindungsmethoden zurückgreifen und den Wert von Bitcoins aus ihren intrinsi- schen physischen Eigenschaften ermit- teln. Bei Gold z.B. wird der Wert aus den Kosten seiner Gewinnung und aus be- stimmten qualitativen Faktoren wie Glanz und Reinheitsgrad ermittelt. Auch Krypto- währungen könnten einen intrinsischen Wert haben, der auf den Grenzkosten für die Produktion einer Währungseinheit beruht, ist das Mining von Bitcoins doch mit einem hohen Stromverbrauch ver- bunden, der den Minern reale Kosten verursacht. Weil nach der gängigen Wirt- schaftstheorie der Verkaufspreis eines Produkts auf einem Markt mit vollständi- ger Konkurrenz und homogenen Produk- ten zu den Grenzkosten der Produktion tendiert, könnte auch die Bewertung von Kryptos auf diese Weise erfolgen. Aber Bitcoins haben keinen Nutzen. Sie sind eine digitale Einheit, deren Preis da- her signifikant unter den Gestehungskos- ten liegen kann. Die bloße Knappheit von Bitcoins macht sie nicht zu einem Roh- stoff. Auch Fäkalien von Ameisen sind knapp, aber kein Rohstoff, weil es dafür keine sinnvolle Verwendung gibt. Insofern ist es eine geradezu naive Vorstellung, dass alles ein Vermögenswert oder eine Währung sein kann, wenn nur genügend Menschen daran glauben. Bitcoin als Währung: ohne Kaufkraftparität Wenn Kryptos weder Rohstoff noch Asset sind, bleibt auf den ersten Blick eben doch nur übrig, sie als Währung einzustufen. Für deren Stabilität würde prinzipiell die Berücksichtigung der gegebenen Maxi- malmenge an Bitcoins sprechen. Doch welchen Wert sollte man einer Währung beimessen, wenn niemand sie für Trans- aktionen verwendet, sie keinen ästheti- schen Wert haben und auch nichts Nütz- liches produzieren? Zumal sie auch – das haben die letzten Monate gezeigt – als Wertaufbewahrungsmittel, übrigens eine weitere elementare Währungsfunk- tion, gänzlich ungeeignet sind. Und wer jetzt daran zweifelt, sollte sich fragen, ob er wirklich seine kompletten Ersparnisse, wie er sie jetzt auf seinem Girokonto liegen hat, in Bitcoin oder eine andere Krypto- währung umwandeln würde, oder ob er, im Vertrauen, mit Kryptowährungen be- zahlen zu können, Geldbeutel und Kre- ditkarte auf der nächsten Urlaubsreise einfach mal zu Hause lässt. Noch ein Argument soll verdeutlichen, dass eine Einstufung als Währung hinkt: Währungen werden im Verhältnis zuein- ander bewertet. Volkswirte wenden bei der Wechselkursfindung u.a. die Theorie der Kaufkraftparität an. Bei zwei Fiatwäh- rungen ist ein fairer Wechselkurs dann gegeben, wenn die Kaufkraft zwischen den beiden ausgeglichen ist. Bei Krypto- währungen allerdings lässt sich keine Kaufk raftparität berechnen. Aus funda- mentaler Sicht sind Kryptowährungen al- so Währungen ohne Wert. Fazit Keine Währung, kein Asset, kein Rohstoff – was bleibt, ist eine Einstufung von Kryptos als Sammelobjekt; wie bei Briefmarken- sammlungen oder den Figuren aus Über- raschungseiern. Auf diese kann besten- falls eine Trophäenprämie angelegt – aber nicht quantifiziert – werden. Jeder, der sich heute zu den Kryptoverfechtern zählt, sollte ehrlich zu sich sein und sich einge- stehen, dass Kryptowährungen eine Spe- kulationsblase sind, die früher oder später platzt, war doch das spekulative Interesse während des Großteils seiner Geschichte die Haupttriebfeder für die Preisentwick- lung des Bitcoins. Harte Worte, denn vieles in der Krypto- welt wurde von idealistischen Open- Source-Entwicklern geschaffen, die mit ihren Talen ten Gutes tun wollten. Das innovative Element von Kryptowäh- rungen mag sie angezogen haben, wohl auch die Verlockung der persönlichen Vermögens mehrung. Und weil es nach wie vor viel Innovation vorzuweisen gibt, wollen Krypto enthusiasten nicht so sehr danach beurteilt werden, was es heute ist, sondern danach, was es in Zukunft sein wird. Doch der jüngste Zu- sammenbruch mehrerer mit Stablecoin und DeFi verbundener Unternehmen zeigt, dass Krypto märkte nicht nur mit- einander korreliert, sondern auch stark voneinander abhängig sind. Sollten Bit- coin oder Ethereum jemals auf die glei- che Art und Weise zusam menbrechen, könnte dies einen katastrophalen Kas- kadeneffekt auf die Branche auslösen – und auf die Wirtschaft.