„Wir stecken in einer Multikrise“

PriceHubble führte zuletzt mehrere interessante Studien durch, die jüngste zu den Auswirkungen des Kriegs um die Ukraine auf Immobilienpreise. BondGuide sprach mit Geschäftsführer Christian Crain von PriceHubble Deutschland.

BondGuide: Herr Crain, Sie haben kürzlich eine Studie zu Auswirkungen u.a. des Kriegs um die Ukraine durchgeführt. Bevor wir in Details gehen: Können Sie uns zunächst etwas zum Studienaufbau erläutern?
Crain: Zunächst einmal: Der Angriff auf die Ukraine war für die Märkte genau solch ein Schwarzer Schwan[1], wie es der Ausbruch von Covid-19 zum Jahreswechsel 2020 gewesen ist. Jetzt stecken wir in einer Multikrise – es gibt mehr als ein Hauptproblem. Wir haben quer Beet alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette im Immobiliengeschäft befragt, also beispielsweise Makler, Banken und Finanzdienstleister, Verwalter, aber auch Projektentwickler und Portfoliomanager. Die größte Gruppe an Rückläufen kam von Maklern, die mit 50% also die Hälfte des Inputs für die Studie beisteuerten.

BondGuide: Sie sprechen von künftigen ‚Marktpreisen‘ statt Vermarktungspreisen. Was genau ist damit gemeint?
Crain: Am wichtigsten war sicherlich die Einschätzung zu den künftigen Markt- und Mietpreisen wie auch zur Angebots- und Nachfragesituation. Bei den Immobilien-Marktpreisen war man sich unglaublich uneins, einig dagegen bei der Rallye der Mietpreise, die ja bereits läuft. Dass die Immobilienpreise erst einmal stagnieren oder nach unten gehen, ist nicht breiter Konsens: Praktisch genauso viele erwarten nämlich auch steigende Preise.

Quelle: PriceHubble

BondGuide: Und wie lautet die Interpretation dazu?
Crain: Für Vermieter ist der Faktor Rendite einer Immobilie zurück auf dem Tisch. In A-Städten hatte man sich ja bereits daran gewöhnt, nicht unter einem Faktor von 30 kaufen zu können. Da sind wir jetzt auf 27-28 zurückgekommen. In C-Städten sogar bis 20. Die Bezahlbarkeit der Gesamtmiete, der Warmmiete, bei Mietern ist inzwischen in den Fokus gerückt: Und da stecken ja die horrend gestiegenen Energiekosten mit drin.

BondGuide: Ist dieser Trend denn noch aktuell?
Crain: Bis in unsere aktuellen Krisenjahre hinein hatten sich die Immobilienpreise gegenseitig immer weiter hochgeschaukelt. Die Frage war bis dahin stets: Was ist der maximale Vermarktungspreis, der mir noch gezahlt werden könnte? – unabhängig vom eigentlich realistischen statistischen Marktpreis in einer Gegend. Und die Käufer haben dieses Spiel mitgemacht. Jetzt sind wir ein Stück weit zurück in der Realität. Im dritten Quartal haben wir gesehen, dass die beim Notar gezeichneten Verträge teilweise unterhalb und nicht mehr wie zuvor häufig oberhalb der ursprünglichen Angebotspreise von Immobilien lagen.

BondGuide: Im dritten Quartal sprang die Inflationsrate auf 10% ggü. Vorjahr. Wird es für Mieter also noch übler als zum Zeitpunkt der Befragung?
Crain: Die Studie fand im zweiten Quartal statt. Im Prinzip sind aktuelle Entwicklungen des dritten Quartals in den Rückläufen also bereits enthalten. Im Prinzip wurden wir in punkto Marktpreisentwicklung lediglich durch die Realität bestätigt, die zum damaligen Zeitpunkt erst noch eine Prognose war. Die gestiegenen Energiekosten heizen im wahrsten Sinne des Wortes die Nachfrage nach Immobilien nicht gerade mehr ein – noch vor einem Jahr waren Nebenkostensteigerungen überhaupt kein Thema. Bei Wohnimmobilien geht es für Mieter aktuell um Bezahlbarkeit inklusive eben der Nebenkosten.

Quelle: PriceHubble

BondGuide: War die Studie rein auf Auswirkungen durch den Ukraine-Krieg beschränkt oder gab es auch Fragen zu den Auswirkungen, falls Arbeitnehmer:innen Geschmack an Homeoffice-Regelungen finden bzw. was wäre Ihre Meinung dazu?
Crain: Eine Studie zum Pendeln hatten wir 2021 gemacht. Bei der ging es um veränderte Ansprüche an Wohnimmobilie und Büro während und im Nachgang zu Corona. Ein Lerneffekt war ganz klar, dass privat mehr Quadratmeter nachgefragt würden künftig. Hintergrund sind natürlich die Homeoffice-Freiheiten, von denen uns einige sicherlich auch über Corona hinaus erhalten bleiben werden. Wer hybrid arbeitet, also auch von zuhause aus, wird für sich und seine Familie mehr Quadratmeter oder ein Zimmer zusätzlich wünschen im Vergleich zu früher. Umgekehrt wird es Einfluss auf den Bedarf wie auch das Design an Büroflächen geben: Viele Arbeitgeber planen jetzt vielleicht mit 2/3 durchschnittlicher Mannschaftsstärke in den Büros und nicht mit einer Vollauslastung. Ein hybrides Wohn-Arbeitskonzept erfordert parallel ein hybrides Flächennutzungskonzept.

BondGuide: Wenn in Büros die Quadratmeter für Rückkehrer vorgehalten werden müssen, ändert sich am Flächenbedarf allerdings wenig…
Crain: Wenn alle Rückkehrer ihr eigenes Büro wie bisher vorfinden möchten, sinkt natürlich nicht der Bedarf an Quadratmetern. Das geht nur, wo man Co-Sharing-Workspaces einplant und umsetzt auf Arbeitgeberseite. Insofern liegt derzeit noch vieles weiterhin im Unklaren. Die Trends, die wir gerade besprochen haben aufgrund von Corona, gelten unter der Prämisse, dass Covid endemisch wird, also dauerhaft in der Bevölkerung vorhanden, ohne dass es jemals wieder komplett verschwindet. Noch wissen wir nicht genug, um dies abschließend beurteilen zu können.

Christian Crain, PriceHubble Deutschland

BondGuide: Herr Crain, ganz herzlichen Dank an Sie!

*) Christian Crain ist Geschäftsführer von PriceHubble Deutschland und jahrzehntelanger Immobilien-Experte

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[1] Schwarze Schwäne waren bis zur Entdeckung Australiens in Europa unbekannt. Ein extrem seltenes und überraschendes Ereignis überrascht viele auf dem falschen Fuß und wird seither als ‚Schwarzer Schwan‘ bezeichnet.