Law Corner: Gemeinsamer Vertreter als Gläubigerausschussmitglied trotz vorheriger Beratungstätigkeit für den Emittenten

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Der Law Corner Beitrag von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, und Josepha Rüberg, Rechtsanwältin, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Der Gläubigerausschuss vertritt als Gläubigerorgan die Interessen aller Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren. Aus der Funktion des Gläubigerausschusses als Interessenvertretung der Gläubiger folgt aber, dass die Mitgliedschaft von Personen, die im Lager des Schuldners stehen, unzulässig ist. Gemeinsamer Vertreter aller Anleihegläubiger kann dagegen auch eine dem Emittenten nahestehende Person sein. Über die Frage, wann eine Interessenkollision in der Person des gemeinsamen Vertreters seiner Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss entgegensteht, hatte das AG Hamburg zu entscheiden.

Entscheidung des AG Hamburg (Az. 67g IN 173/17)
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Muttergesellschaft einer später zum gemeinsamen Vertreter bestellten GmbH den Emittenten bei Sanierungsverhandlungen beraten, ehe diese scheiterten und Insolvenzantrag gestellt wurde. Am Tag der Antragstellung hat die AGV den gemeinsamen Vertreter bestellt, der anschließend vom Insolvenzgericht zum Mitglied im vorläufigen Gläubigerausschuss bestellt.

Wegen der vorherigen Beratungstätigkeit wurde beim Gericht angeregt, den gemeinsamen Vertreter gem. § 70 InsO aus wichtigem Grund aus dem Gläubigerausschuss zu entlassen. Dieser Anregung hat das AG Hamburg mit Beschluss vom 2.8.2017 nicht entsprochen.

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Hohe Hürden an Schädlichkeit der Vorbefassung
Die Vorbefassung eines gemeinsamen Vertreters als Berater des Emittenten kann grundsätzlich einen wichtigen Grund zur Entlassung gem. § 70 InsO darstellen. An die Schädlichkeit der Vorbefassung sind nach Ansicht das AG Hamburg indes hohe Hürden zu stellen. Ein enges Verständnis des Unabhängigkeitsgebots, wonach ein Ausschussmitglied keinerlei vorherige Beziehungen zum Emittenten unterhalten dürfe, sei abzulehnen.

Anderenfalls wäre das Gericht vor der Einsetzung eines Gläubigerausschusses gezwungen, im Rahmen der Amtsermittlungspflicht bestehende oder bereits abgeschlossene Beziehungen des designierten Gläubigerausschussmitglieds zum Schuldner zu klären. Dies widerspräche der Eilbedürftigkeit der Einsetzungsentscheidung.

Das AG Hamburg führt aus, dass eine Vorbefassung nur dann schädlich sein kann, wenn die Person erkennbar im Lager des Schuldners steht. Dies sei nicht der Fall, wenn die Person weder aus rechtlichen noch aus sonstigen Gründen weisungsabhängig ist. Insoweit müsse allein auf die Abhängigkeitsverhältnisse abgestellt werden, die zum Zeitpunkt der Bestellung zum Ausschussmitglied (noch) gegeben sind.

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Wurde die Vorbefassung in Form einer Beratungstätigkeit vor Bestellung zum gemeinsamen Vertreter beendet, komme es allein auf den Zeitpunkt der formalen Beendigung der Vorbefassung an, es sei denn, ein durch die Vorbefassung begründetes Abhängigkeitsverhältnis wirkt offensichtlich noch fort.

Unbeachtlichkeit der Anfechtungsklage
Das AG Hamburg stellt ferner klar, dass trotz einer gegen den Bestellungsbeschluss erhobenen Anfechtungsklage und der damit verbundenen Vollzugssperre dem gemeinsamen Vertreter „Repräsentationsrechte“ im Gläubigerausschuss zukommen. Das AG Hamburg tendiert zu der Auffassung, dass die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Bestellungsbeschluss dem Eintritt des verdrängenden Mandats des gemeinsamen Vertreters nicht entgegenstehe Jedenfalls sei die wirksame Bestellung zum Ausschussmitglied unabhängig von der Bestellung zum gemeinsamen Vertreter.

Fazit
Da Anleihegläubiger oft die größte Gläubigergruppe eines insolventen Emittenten darstellen, müssen sie auch im Gläubigerausschuss vertreten sein. Regelmäßig ist der gemeinsame Vertreter Mitglied im Gläubigerausschuss. Das AG Hamburg hat hohe Hürden aufgestellt, einen gemeinsamen Vertreter wegen einer Vorbefassung als Mitglied des Gläubigerausschusses zu entlassen.

Dr. Lutz Pospiech & Josepha Rüberg, GÖRG

Dr. Lutz Pospiech & Josepha Rüberg, GÖRG

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