Law Corner: Emissionen von weniger als 8 Mio. EUR – mit oder ohne Prospekt?

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Der Law Corner Beitrag von Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Seit Sommer des Jahres 2018 ist es auch in Deutschland nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 WpPG möglich, Emissionen von Wertpapieren mit einem Volumen von weniger als 8 Mio. EUR unter bestimmten Voraussetzungen ohne einen gebilligten Wertpapierprospekt umzusetzen. Dadurch soll Unternehmen erleichtert werden, Kapital aufzunehmen. Zugleich sollen durch die Anforderungen nicht qualifizierte Anleger geschützt werden. Allerdings ist fraglich, ob diese Ausnahme von der Prospektpflicht sich als wirklich praktikabel erweisen wird.

Der Betrag von weniger als 8 Mio. EUR Emissionsvolumen wird dabei während eines Zeitraums von 12 Monaten und bezogen auf den Europäischen Wirtschaftsraum ermittelt.

Diese Ausnahme von der Prospektpflicht ist nach § 3 a WpPG an folgende Bedingungen geknüpft:

• Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblattes nach § 3 a WpPG mit Gestattung durch die BaFin bzw. Basisinformationsblattes (WIP)

• Bei Emissionen von 1 Mio. EUR und mehr sind Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger zu beachten. Der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die von einem nicht qualifizierten Anleger erworben werden können, darf folgende Beträge nicht übersteigen:

1.000 EUR,
10.000 EUR, sofern der jeweilige nicht qualifizierte Anleger nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 EUR verfügt, oder
– den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des jeweiligen nicht qualifizierten Anlegers nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft, höchstens jedoch 10.000 EUR.

• Zudem darf der Vertrieb nur im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen erfolgen, das die Einhaltung der Einzelanlageschwellen prüft.

Zur Information ergeben sich damit im Einzelnen derzeit folgende Schwellenwerte für prospektfreie Emissionen an nicht qualifizierte Anleger:

HeukingAllerdings könnten die Anforderungen nach § 3 a WpPG dazu führen, dass die Ausnahme von der Prospektpflicht bei Emissionen von weniger als 8 Mio. EUR in der Praxis nicht sinnvoll sein kann und doch besser ein Prospekt genutzt werden sollte:

• Bei länderübergreifenden Emissionen wird die Ausnahme jeweils für jedes Land erfüllt sein müssen. Zudem ist es nicht möglich, ein WIP, das von der BaFin oder einer anderen Aufsichtsbehörde gestattet wurde, in andere Länder zu notifizieren. Ein grundsätzlicher Ausschluss von solchen prospektfreien Emissionen länderübergreifend, der teilweise auf dem Markt zu hören ist, kann dem Gesetz aber nicht entnommen werden.

• Bei der Emission werden die Anleger, wenn sie mehr als 1.000 EUR investieren möchten, ihre Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse in einer Selbstauskunft offenlegen müssen. Fraglich ist, ob die Anleger bereit sein werden, in diesem Detail ihre Situation gegenüber dem jeweiligen Wertpapierdienstleistungsunternehmen mitzuteilen.

• Auch wenn Anleger ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen, dürfte die Ermittlung des Nettoeinkommens nicht immer einfach sein und der investierbare Betrag überschaubar.

• Zudem stellt sich die Frage, ob die Ausnahme bei Aktienemissionen ohne Ausschluss des Bezugsrechts funktioniert. Aktionäre, die nicht qualifizierte Anleger sind, könnten darin einen faktischen Bezugsrechtsausschluss sehen, wenn sie damit nicht entsprechend ihrem Bezugsverhältnis Aktien zeichnen können. Im Ergebnis könnten nicht qualifizierte Anleger gezwungen werden, ihre Beteiligung quotal zu reduzieren.

• Die erweiterte Prüfung durch das Wertpapierhandelsunternehmen dürfte höhere Kosten bei den Banken bedeuten. Sofern die Kosten für die Erstellung und Billigung eines Wertpapierprospekts nicht wesentlich höher sind, wird der Emittent beim Vertrieb mit einem gebilligten Wertpapierprospekt flexibler aufgestellt sein.

Das hohe Lob auf die neue Regelung könnte sich damit für Emittenten als wenig praxistauglich erweisen. Bevor damit die Ausnahme auf andere Anlageprodukte übertragen wird oder solche Emittenten in die Anleihe wechseln, sollte die Entwicklung kritisch beobachtet werden.

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