Law Corner: Die Haftung von Ratingagenturen gegenüber Anlegern

Dr. Thorsten Kuthe, Madeleine Zipperle, Heuking

Der Law Corner Beitrag von Dr. Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln.

Wenn sich das Investment in eine Anleihe als nicht erfolgreich herausstellt, kommt immer wieder die Frage auf, ob die Anleger Ansprüche gegen die Ratingagentur haben. Diese Frage ist bislang wenig „praktisch erprobt“, inzwischen aber auch Gegenstand von Gerichtsverfahren.

Rating-Verordnung
Eine Kernfrage ist, worauf Anleger überhaupt ihre Ansprüche stützen können. Denn sie haben in der Regel weder einen Vertrag noch unmittelbaren Kontakt mit der Ratingagentur. Es gibt allerdings ein spezielles Gesetz für Ratingagenturen: die europäische Rating-Verordnung. Diese beinhaltet auch eine spezielle Haftungsregelung in Art. 35a.

Eine Ratingagentur hat demnach einem Anleger einen Schaden zu ersetzen, wenn sich von der Agentur vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Vergehen auf das Rating ausgewirkt haben.

Wichtig ist, dass die mögliche Haftung nicht allein daraus folgt, ob dem Rating eine inhaltliche Fehleinschätzung zugrunde liegt – der Agentur müssen schon konkrete Pflichtverletzungen vorgeworfen werden, beispielsweise, dass sie Interessenkonflikte nicht erkannt oder abgegebene Ratings nicht regelmäßig überprüft habe. Der Pflichtverstoß muss sich auf das Rating ausgewirkt haben und der Geschädigte seine Anlageentscheidung im Vertrauen auf das Rating getroffen haben. Beides ist vom Anleger nachzuweisen. Darüber hinaus hat das LG Düsseldorf in einer Entscheidung von März dieses Jahres festgehalten, dass Anleger Ansprüche nach der Rating-VO nicht auf ein Unternehmensrating stützen können, sondern nur auf ein Emissionsrating. Dies mag etwas überraschen, ist aber tatsächlich im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut.

Sonstige Ansprüche
Daneben schiebt das Gericht in seiner Entscheidung (im Einklang mit anderen instanzgerichtlichen Entscheidungen und der juristischen Literatur) dem Gedanken einen Riegel vor, die Anleger in den Schutz des vertraglichen Verhältnisses zwischen Ratingagentur und Emittent einzubeziehen und auf diese Weise einen Schadenersatzanspruch zu begründen. Der Anlegerkreis ist für die Ratingagenturen nicht überschaubar und daher wird eine solche Haftung für einen unüberschaubaren Kreis an Anlegern grundsätzlich abgelehnt. Auch andere denkbare Ansprüche werden nur in sehr seltenen Fällen greifen. Letztlich müsste der Ratingagentur leichtfertiges Vorgehen unter Inkaufnahme der Schädigung Dritter nachgewiesen werden.

Fazit
Insbesondere mit der Rating-VO gibt es für Anleger grundsätzlich die Möglichkeit, einen erlittenen Investmentschaden bei falscher Bewertung durch die Ratingagentur ersetzen zu lassen. Allerdings dürfte der Anspruch in der Praxis nur selten greifen und selbst dann nur schwer durchzusetzen sein. Damit ist eine Haftung der Ratingagenturen insgesamt nur in ganz seltenen Fällen angezeigt.

Das ist auch richtig. Solange der Ratingagentur keine groben Pflichtverstöße nachzuweisen sind, sollten Anleger nicht eine schlechte Investmententscheidung im Nachhinein auf die Agentur abwälzen können, nur weil sich ein Ratingergebnis später als falsch herausstellt. Ein Anleger kann von Ratingagenturen erwarten, dass sie nicht grob unsorgfältig handeln. Eine Richtigkeitsgarantie kann aber niemand übernehmen. Irren ist menschlich und die berühmte Glaskugel haben die Ratingagenturen nach allem, was wir wissen, ihrerseits nicht gefunden. Ein Rating ist eine Prognose – und generell gilt am Kapitalmarkt, dass niemand dafür einstehen muss, ob Prognosen sich tatsächlich manifestieren. Ratingagenturen hingegen müssen wie auch Emittenten dafür geradestehen, dass sie bei der Erstellung der Prognose kein grobes Fehlverhalten an den Tag legen.

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