Law Corner: Der gemeinsame Vertreter im Prospekt und in den Anleihebedingungen

Dr. Petra Brenner und Dr. Mirko Sickinger
Dr. Petra Brenner und Dr. Mirko Sickinger

Der Law Corner Beitrag von Dr. Petra Brenner, Managing Director, One Square Advisors GmbH und Dr. Mirko Sickinger, LL.M., RA und Partner, Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Die zahlreichen Ausfälle am Markt für Mittelstandsanleihen in den vergangenen Jahren haben dazu geführt, dass insbesondere professionelle Investoren einen höheren Standard in der Anleihedokumentation zum Schutz ihrer Position fordern. Dieser entspricht im Wesentlichen dem Standard der Banken bei Unternehmensfinanzierungen, der eine engmaschige Überwachung der Geschäftsentwicklung des Emittenten bzw. der Gruppe ermöglicht. Dabei kommt einer umfassenden Informations- und Berichtspflicht des Emittenten und der Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen während der Laufzeit der Anleihe besondere Bedeutung zu.

Ein bereits in den Anleihebedingungen benannter gemeinsamer Vertreter (sog. Vertragsvertreter) mit finanzwirtschaftlicher Expertise kann die vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Zahlen fortlaufend prüfen und die Einhaltung der Finanzkennzahlen überwachen. Ein solches zum Schutz der Gläubiger etabliertes „Frühwarnsystem“ ermöglicht eine zeitige Erkennung finanzwirtschaftlicher Probleme beim Emittenten. Gibt die Entwicklung beim Emittenten Anlass zur Sorge, kann ein bereits in den Anleihebedingungen bestellter gemeinsamer Vertreter umgehend mit der Gesellschaft in Dialog treten und Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger ergreifen. Insbesondere Kleinanleger, denen eine entsprechende Expertise fehlt, können so vom Sachverstand und der Erfahrung des Vertragsvertreters profitieren und damit besser vor Verlusten geschützt werden.

Der Vertragsvertreter fungiert darüber hinaus als zentrale Anlaufstelle für Fragen von Kleinanlegern, für die die IR-Abteilung des Emittenten, die regelmäßig auf professionelle Investoren ausgelegt ist, nicht geeignet ist. Er steht Anlegern als eigener Ansprechpartner zur Verfügung und er ist auf Grund seiner Position in der Lage, die Belange der Anleihegläubiger beim Emittenten umfassend und zielgerichtet zu vertreten.

Foto: © grafikplusfoto – stock.adobe.com

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Die Bestellung eines Vertragsvertreters stärkt das Vertrauen der Anleger in das Angebot und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der Platzierung. Für die Benennung als Vertragsvertreter gelten strengere Auswahlkriterien als für den später gewählten, den sog. Wahlvertreter. Denn Organmitglieder, Angestellte oder sonstige Mitarbeiter des Emittenten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens dürfen nicht zum Vertragsvertreter bestellt werden. Tritt ein solches Bestellungshindernis zu einem späteren Zeitpunkt ein, wird die Bestellung ex nunc nichtig. Sofern bei der Person des Vertragsvertreters Umstände vorliegen, die zu einem Interessenkonflikt führen können, sind diese in den Anleihebedingungen offenzulegen.

Dem Vertragsvertreter können neben den durch Gesetz vorgesehenen Aufgaben und Befugnissen weitere Kompetenzen in den Anleihebedingungen eingeräumt werden. Insbesondere besteht die Möglichkeit, dem Vertragsvertreter weitergehende Einsichtnahme- und Informationsrechte einzuräumen. Ein Verzicht auf Rechte der Anleihegläubiger ist dem Vertragsvertreter allerdings nur möglich, wenn er hierzu gesondert aufgrund eines Beschlusses der Gläubigerversammlung ermächtigt worden ist. Schließlich erleichtert der Vertragsvertreter die Vertretung der Anleihegläubiger insbesondere, wenn es um eine mögliche Restrukturierung der Anleihe geht. Denn in solchen Fällen geht durch die nachträgliche Wahl eines gemeinsamen Vertreters kostbare Zeit verloren.

Fazit
Ausfälle am Anleihemarkt erfordern einen höheren Standard für Anleihebedingungen und eine umfassende Überwachung des Geschäftsverlaufs des Emittenten durch einen entsprechend erfahrenen Experten, der die Rechte der Anleihegläubiger umfassend schützt und der als zentraler Ansprechpartner den Gläubigern zur Verfügung steht. Diese Maßnahmen sind erforderlich, um das Vertrauen des Marktes wiederherzustellen und können ein Monitoring des Emittenten wie bei einem Konsortialkredit ermöglichen.

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