Law Corner: OLG Stuttgart – Einberufung einer AGV gehört nicht zu den Rechten und Pflichten des Geschäftsführers eines insolventen Emittenten

Dr. Christian Becker, Partner und Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
Dr. Christian Becker (li) und Lutz Pospiech,
GÖRG, München

Der Law Corner Beitrag von Dr. Christian Becker, Partner, Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Nach einem aktuellen Urteil des OLG Stuttgart in Sachen Windreich steht nach Insolvenzeröffnung die Befugnis zur Einberufung einer AGV nach Maßgabe des SchVG nicht mehr dem Geschäftsführer, sondern dem Insolvenzverwalter zu. Das Urteil des OLG Stuttgart betrifft insoweit auch die für die Restrukturierungspraxis folgenreiche Rechtsfrage, ob und inwieweit nach Insolvenzeröffnung neben einer AGV nach § 19 II SchVG zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters noch weitere AGVs einberufen und Beschlüsse nach Maßgabe des SchVG gefasst werden können.

Sachverhalt
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Windreich GmbH hatte das Insolvenzgericht zunächst eine AGV nach § 19 II SchVG einberufen, in der ein gemeinsamer Vertreter bestellt wurde. Der damalige Geschäftsführer der Windreich GmbH i.I. hatte anschließend eine weitere AGV gemäß § 9 I SchVG einberufen. Nachdem der Geschäftsführer an der Einberufung der AGV festhielt, hat der Insolvenzverwalter beantragt, dem Geschäftsführer durch einstweilige Verfügung zu untersagen, eine AGV einzuberufen. Dem gab das LG Stuttgart statt.

Entscheidung des OLG Stuttgart (Az. 10 U 97/16 – Windreich)
Das OLG Stuttgart hat in seinem Berufungsurteil vom 27.12.2016 die erstinstanzliche Entscheidung des LG Stuttgart weitestgehend bestätigt. Sofern im Insolvenzfall eines Emittenten nach der vom Insolvenzgericht einzuberufenden AGV gemäß § 19 II SchVG weitere AGVs stattfinden sollen, sei nicht mehr der Geschäftsführer, sondern ausschließlich der Insolvenzverwalter befugt, eine solche AGV einzuberufen.

Nach dem Downgrade – stürmische Zeiten für den Windkraft-Pionier WindreichQuelle: Windreich AG§ 9 I SchVG regelte zwar nicht explizit, wer im Insolvenzfall befugt ist, eine weitere AGV einzuberufen. Nach Insolvenzeröffnung geht aber für das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 I InsO). Da der Geschäftsführer dann nur noch Kompetenzen wahrnehmen kann, die nicht die Insolvenzmasse betreffen, sei insoweit für den Emittenten nur der Insolvenzverwalter berechtigt, eine weitere AGV einzuberufen. Für den Geschäftsführer ergebe sich auch keine Einberufungsbefugnis als Annexkompetenz des Emittenten zur Vorlage eines Insolvenzplans gemäß § 218 I InsO oder zum Antrag auf Einstellung des Insolvenzverfahrens gemäß § 213 I 1 InsO.

Kritische Würdigung
Die Entscheidung des OLG Stuttgart überzeugt u.E. die Rechtsbeziehungen zwischen einem Emittenten und seinen Anleihegläubigern betreffen die Insolvenzmasse. Zudem gehören die Anleihegläubiger als Finanzgläubiger nicht zum innergesellschaftlichen Bereich des Emittenten.

Zutreffend geht das OLG Stuttgart davon aus, dass auch nach Insolvenzeröffnung neben der AGV gemäß § 19 II SchVG grundsätzlich weitere AGVs nach Maßgabe des SchVG möglich sind. Geklärt sein dürfte damit, dass für solche AGVs eines insolventen Emittenten der Insolvenzverwalter (bzw. die Eigenverwaltung) einberufungsbefugt ist und nicht das Insolvenzgericht.

Offen lässt auch das OLG Stuttgart allerdings, ob nach Insolvenzeröffnung noch Beschlüsse gemäß §§ 5 ff. SchVG gefasst werden können. Teilweise wird hierzu vertreten, dass die Anleihegläubiger neben der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 19 II SchVG nur noch über damit in Zusammenhang stehende „Hilfsbeschlüsse“ abstimmen können (z.B. die Weisungserteilung an den gemeinsamen Vertreter). U.E. sprechen jedoch die besseren Argumente dafür, auch nach Insolvenzeröffnung Sanierungsbeiträge der Anleihegläubiger durch Änderungen der Anleihebedingungen zuzulassen. Maßnahmen nach dem SchVG könnten dann als Teil eines Insolvenzplans gefasst oder über Planbedingungen mit einer Unternehmenssanierung im Insolvenzplan eng verzahnt werden.

Foto @ Windreich GmbH

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