Wahrscheinlich hat die Pandemie zu Verzerrungen am US-Arbeitsmarkt geführt. Aktien und Anleihen könnten gute Zeiten bevorstehen. Von Jared Franz, Volkswirt bei der Capital Group.
In dem Film „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ aus dem Jahr 2008 wird der Protagonist immer jünger. Aus einem alten Mann wird ein Baby. Die US-Konjunktur scheint derzeit dieselbe Entwicklung zu nehmen.
Statt einem Vier-Phasen-Zyklus zu folgen, wie er seit dem 2ten Weltkrieg üblich ist (früh, mittel, spät, Rezession), scheint die US-Wirtschaft nach einer späten Phase mit straffer Geldpolitik und steigendem Kostendruck jetzt zu einer mittleren Phase anzusetzen, in der die Unternehmensgewinne in der Regel Höchststände erreichen, die Kreditnachfrage steigt und die Geldpolitik üblicherweise neutral ist.
Wie lässt sich das erklären? Diese ,Benjamin-Button-Wirtschaft‘ ist vor allem aufgrund der pandemiebedingten Verzerrungen am US-Arbeitsmarkt entstanden. Diese hatten signalisiert, dass wir uns in einem späten Konjunkturzyklus befinden.
Allgemeinere Konjunkturdaten, die ich für verlässlicher halte, sprechen jedoch klar für eine mittlere Zyklusphase. Sollte dies der Fall sein, die US-Wirtschaft sich also in einer mittleren Zyklusphase befinden, stünde ihr möglicherweise ein mehrjähriger Aufschwung bevor mit einer Rezession frühestens im Jahr 2028. In der Vergangenheit lagen die Aktienmarkterträge in solchen Phasen bei etwa 14% p.a., und auch für Anleihen ist ein solches Umfeld günstig gewesen.
Unemployment Gap
Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen der jeweils aktuellen Arbeitslosenquote (zurzeit 4,2%) und der natürlichen Arbeitslosenquote, die häufig ,inflationsneutrale Arbeitslosenquote‘ (NAIRU) genannt wird. Sie liegt in der Regel zwischen 5,0 und 6,0%. Einfach gesagt, ist dies die niedrigste Quote, die keinen Anstieg der Inflation erwarten lässt. Diese Art der Bestimmung von Zyklusphasen beruht auf einem umfassenderen Ansatz, der die Geldpolitik, den Kostendruck, die Gewinnmargen der Unternehmen, die Investitionsausgaben und die Wirtschaftsleistung insgesamt berücksichtigt. […]
Wahrscheinlich hat die Pandemie zu strukturellen und zyklischen Verzerrungen am US-Arbeitsmarkt geführt. So ist beispielsweise die Partizipationsrate so stark gefallen wie noch nie, weil die Weltwirtschaft quasi stagniert. Danach ist sie in der wichtigsten Altersgruppe (25- bis 54-Jährige) deutlich über ihr vorpandemisches Niveau gestiegen. […]
Folgen für die Märkte: Aktien und Anleihen könnten gute Zeiten bevorstehen.
In mittleren Phasen erzielen Aktien in der Regel etwa 14% Ertrag p.a. Small Caps sind meist erfolgreicher als Large Caps, Value schneidet in der Regel besser ab als Growth und die Sektoren Grundstoffe und Immobilien legen am stärksten zu. Diese Zahlen beruhen auf einer Auswertung der Markterträge von Dezember 1973 bis August 2024 von Capital Group. […]
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