Neue gesetzliche Compliance-Vorgaben: das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG)

Dr. Thorsten Kuthe, Miriam Schäfer, RAs, Heuking

Law Corner von Dr. Thorsten Kuthe, Miriam Schäfer, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Der Wirecard-Skandal verursachte großes Aufsehen in der Finanzwelt. Als Reaktion soll das vom Bundestag am 20. Mai 2021 beschlossene und am 28. Mai 2021 im Bundesrat abschließend behandelte FISG das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt wiederherstellen.

Fast im Wege eines Rundumschlags will das FISG den Systemschwächen und Vertrauensverlusten begegnen, alle potenziellen Beteiligten stärker in die Verantwortung nehmen und die Aufsicht über sie verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, wurde die Bilanzkontrolle reformiert, die Unternehmen betrifft, deren Aktien im regulierten Markt handeln. Sie erfolgt zukünftig einstufig, allein durch die BaFin und nicht mehr durch die DPR.

Weiterhin soll die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer durch einen verpflichtenden Prüferwechsel nach zehn Jahren für Unternehmen im öffentlichen Interesse, d.h. kapitalmarktorientierte Unternehmen, deren Wertpapiere (Aktien oder Anleihen) an einem organisierten Markt gehandelt werden oder die die Zulassung zu einem solchen Markt beantragt hat, CRR-Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen, gestärkt werden.

Ab 2022 soll nach elf Jahren auch eine Rotationspflicht für andere ausgewählte Unternehmen eingreifen. Flankierend besteht eine Pflicht zur internen Rotation bei den jeweiligen Abschlussprüfergesellschaften. Um potenzielle Interessenkonflikte bei der Zusammenarbeit zu vermeiden, werden sogenannte Nichtprüfungsleistungen durch den Abschlussprüfer für Unternehmen im öffentlichen Interesse weiter eingeschränkt. Schließlich sollen Abschlussprüfer auch selbst stärker in die Verantwortung genommen werden. Ihre Haftung gegenüber den geprüften Unternehmen wird deutlich verschärft, es droht eine Haftung von bis zu 16 Mio. EUR; bei der Prüfung kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften schon bei einfacher Fahrlässigkeit. Auch eine unbeschränkte Haftung bei grober Fahrlässigkeit ist möglich.

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Ganz erhebliche Auswirkungen hat das Gesetz auf die Zusammensetzung von Aufsichtsräten. Bei Unternehmen im öffentlichen Interesse muss künftig mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen.

Diese beiden Voraussetzungen können nicht in einer Person eines Mitglieds allein erfüllt werden. Zudem müssen diese Unternehmen einen sogenannten Prüfungsausschuss bilden; bei Unternehmen mit nur drei Aufsichtsratsmitgliedern gelten diese als Ausschuss. Dieser Ausschuss muss sich nun auch mit der Qualität der Abschlussprüfung durch den Abschlussprüfer beschäftigen. Jedem Ausschussmitglied steht, vermittelt durch den Vorsitzenden, ein Auskunftsrecht in das Unternehmen hinein zu, also quasi am Vorstand vorbei. Wird der Abschlussprüfer als Sachverständiger zur Sitzung des Aufsichtsrats zugezogen, darf der Vorstand künftig an dieser Sitzung nur teilnehmen, wenn der Aufsichtsrat die Teilnahme für erforderlich hält. Der Gesetzgeber erhofft sich hierdurch eine Verbesserung der unternehmensinternen Abschlussprüfung für Unternehmen im öffentlichen Interesse insgesamt.

Erstmals gesetzlich ausdrücklich festgelegt wurde zudem die Pflicht zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems sowie eines entsprechenden Risikomanagementsystems für börsennotierte Gesellschaften, deren Aktien zu einem organisierten Markt zugelassen sind. Das soll unternehmensinterne Kontrollsysteme stärken und vorhandene Verantwortungsstrukturen verbessern. Bisher ergab sich eine Pflicht zur Vorhaltung eines Kontrollsystems für Aktiengesellschaften nur mittelbar aus den allgemeinen Organisationspflichten des Vorstands. Im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht für Vorstände können die neuen gesetzlichen Erfordernisse somit auch für nicht im regulierten Markt börsennotierte Gesellschaften relevanter werden wie etwa eine GmbH, die eine Anleihe emittiert hat.

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Zur Absicherung der Ziele des FISG wird künftig die Abgabe eines „falschen Bilanzeids“ durch den gesetzlichen Vertreter eines Kapitalmarktunternehmens ein eigener Straftatbestand.

Das FISG tritt grundsätzlich am 1. Juli 2021 in Kraft. Ab dann müssen die Anforderungen an die Qualifikation der Aufsichtsrats- und Prüfungsausschussmitglieder für alle Neubestellungen beachtet werden. Ab dem 1. Januar 2022 ist ein gesonderter Prüfungsausschuss einzurichten, sofern der Aufsichtsrat aus mehr als drei Mitgliedern besteht. Die Einrichtung der unternehmerischen Kontrollsysteme ist ab dem 1. Juli 2021 Pflicht. Diese Verpflichtung macht es schon vor diesem Zeitpunkt für börsennotierte und mittelbar für nicht börsennotierte Aktiengesellschaften erforderlich zu prüfen, ob ein angemessenes und wirksames System vorhanden ist. Diese Pflicht trifft Vorstände und im Rahmen ihrer Überwachung auch Aufsichtsräte der Gesellschaften. Für die externe Abschlussprüferrotation der Unternehmen im öffentlichen Interesse enthält das FISG Übergangsvorschriften. Die Beauftragung des vorherigen Abschlussprüfers ist daher für bis zu zwei weitere Geschäftsjahre möglich.

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