Wandelschuldverschreibungen – Das Beste aus zwei Welten

Dr. Thorsten Kuthe (li) und Christopher Görtz, RAs

Law Corner von Dr. Thorsten Kuthe, Rechtsanwalt, Christopher Görtz, Rechtsanwalt, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Wandelanleihen stehen bei Emittenten und Investoren aktuell hoch im Kurs. Das gilt für große Emittenten wie Delivery Hero ebenso wie für Mid Caps und Small Caps. Für das Jahr 2021 stehen zahlreiche weitere Emissionen in der Pipeline.

Der Erfolg beruht auf der Zwitternatur von Wandelanleihen. Im Grundsatz sind Wandelanleihen festverzinsliche Wertpapiere, die innerhalb bestimmter Zeiträume oder beim Erreichen bestimmter Bedingungen gemäß einem in den Anleihebedingungen festgelegten Aktienkurs in Aktien gewandelt werden können. Aus Anlegersicht vereinen sie Vorteile einer Fremdkapitalinvestition (insbesondere Verzinsung sowie – sofern keine Wandlung erfolgt – Anspruch auf Rückzahlung des eingesetzten Kapitals nach Ablauf der Laufzeit) mit Vorteilen einer Eigenkapitalinvestition in Aktien (insbes. mögliche Teilnahme an zukünftigen Kurs- oder Wertsteigerungen des Emittenten).

Gerade in Zeiten, in denen sich die zukünftige Entwicklung der Märkte nicht oder nur schwer vorhersagen lässt, wie gegenwärtig aufgrund der Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie, bieten sie Anlegern damit eine Möglichkeit auf den Kapitalmärkten zu investieren, ohne die typischen Risiken einer Eigenkapitalinvestition zu tragen. Die vor diesem Hintergrund erhöhte Investitionsbereitschaft von Anlegern begründet gleichzeitig den Hauptvorteil einer Wandelanleiheemission für Unternehmen – eine erleichterte Kapitalaufnahme.

Trend Pre-IPO-Wandelanleihe
Wandelschuldverschreibungen bieten sich dabei für eine Vielzahl potenzieller Emittenten in unterschiedlichen Stadien der Unternehmensentwicklung an. So zeichnet sich seit einigen Jahren (siehe hierzu z.B. unser Beitrag „Wandelschuldverschreibungen: eine flexible Alternative auch vor dem Börsengang?“ in BondGuide #5/2015, S. 22) ein Trend bei den sog. Pre-IPO-Wandelanleihen ab. Dieser Trend hat in jüngster Zeit noch deutlich an Fahrt aufgenommen. Pre-IPO-Wandelanleihen sehen in der Regel ein Wandlungsrecht für den Fall eines erfolgreichen Börsenganges des Emittenten zu einem Wandlungspreis in Höhe des Platzierungspreises im Rahmen des Börsenganges (in der Regel abzüglich eines gewissen Abschlages) vor. Anders als bei einer Kapitalerhöhung muss die Bewertung des Emittenten also nicht bereits bei Zeichnung festgelegt werden, sondern orientiert sich am Platzierungspreis im Rahmen des IPOs.

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Die Vorteile einer Pre-IPO-Wandelanleihe für Unternehmen sind vielfältig. Sie erhalten durch die Begebung die Möglichkeit bereits im Vorfeld eines Börsenganges Kapital auf den Kapitalmärkten aufzunehmen und bewahren sich gleichzeitig eine gewisse Flexibilität bzgl. des „ob“ und „wann“ eines Börsenganges. Sollte sich das Unternehmen dafür entscheiden, während der Laufzeit der Wandelanleihe keinen Börsengang vorzunehmen, so erfolgt in der Regel eine Rückzahlung am Ende der Laufzeit des eingesetzten Kapitals zuzüglich aufgelaufener Zinsen an den Anleger. Teilweise sehen Anleihebedingungen aber auch eine Pflichtwandlung am Laufzeitende vor.

Sofern Pre-IPO-Wandelanleihen (etwa um sie für bestimmte Investorenklassen zu öffnen) in den Freiverkehr einbezogen werden, können bislang kapitalmarktfernen Emittenten erste Erfahrungen mit kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten, wie z.B. der Pflicht zur rechtzeitigen Veröffentlichung von Jahresabschlüssen oder der Pflicht zur Adhoc-Publizität, sammeln und so besser für den Börsengang vorbereitet zu sein. Gelingt es dem Emittenten in dieser Zeit das Vertrauen von Investoren zu gewinnen, so erhöhen sich die Platzierungschancen im Rahmen des Börsenganges.

Auch für bereits notierte Wachstumsunternehmen geeignet
Auch für notierte Wachstumsunternehmen stellen Wandelanleihen eine interessante Alternative zur klassischen Eigen- oder Fremdkapitalfinanzierung dar. Bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen haben die gegenwärtigen Aktionäre grundsätzlich ein Bezugsrecht (sofern nicht der Weg über eine sog. „10%-Emission unter Ausschluss des Bezugsrechts“ gewählt wird). Dabei kann den Aktionären ein Überbezugsrecht gewährt werden, d.h. ein Recht zur Zeichnung von Wandelschuldverschreibungen, die nicht von anderen Aktionären in Ausübung des Bezugsrechts gezeichnet wurden.

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Für die Emittenten hat dies den Vorteil, dass ein Teil der angebotenen Wandelschuldverschreibungen bereits direkt bei gegenwärtigen Aktionären platziert wird und lediglich für den danach verbleibenden Teil des Emissionsvolumens neue Investoren gesucht werden müssen. Das öffentliche Angebot von Wandelschuldverschreibungen ist bis zu einem Emissionsvolumen von 8 Mio. EUR prospektfrei möglich (siehe hierzu Kuthe/Zipperle, „Im Zeichen der Zeit – Wandelanleihen als flexibles Finanzierungsinstrument“, in: Corporate Finance Recht 2020, S. 47–48). Investoren können u.U. leichter gewonnen werden, weil diese erst einmal abwarten, ob sich das Wachstumsunternehmen wie erhofft entwickelt und damit auch das Potenzial der Aktie.

Fazit
Das, zumindest zu Beginn der Investition, fehlende Eigenkapitalrisiko macht Wandelanleihen auch in Sanierungsfällen zu einer Option, über die nachgedacht werden sollte. Dem in Sanierungsfällen erhöhten Ausfallrisiko des Emittenten kann durch eine Besicherung der Wandelanleihe begegnet werden. Für den Fall, dass die Sanierung erfolgreich ist, besteht für den Anleger dann ein erhöhtes Upside-Potenzial. Bei der Ausgestaltung der Wandelanleihebedingungen besteht ein äußerst breites Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten, sodass diese stets auf die individuelle Situation des Emittenten zurechtgeschnitten werden können. Das macht sie in vielen Fällen zu einem attraktiven Instrument.

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