Wie geht es weiter bei KTG Agrar und KTG Energie?

Gestern kam, was seit rund vier Wochen eh vermutet wurde: KTG Agrar geht in eine Sanierung nach ESUG (‚Schutzschirmverfahren‘). Die Klarstellung der Biogas-Konzerntochter KTG Energie kam nur eine Minute später: ‚Wir sind nicht betroffen

‚Nicht betroffen‘ ist freilich relativ. Dazu weiter unten mehr.

Ein entsprechender Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wurde beim zuständigen Amtsgericht Hamburg eingereicht und angenommen, so KTG Agrar gestern Nachmittag. Dieses hat den Sanierungsexperten Stefan Denkhaus von der Sozietät BRL Boege Rohde Luebbehuesen zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Die Tochtergesellschaften der KTG Agrar SE sind von dem Antrag nicht betroffen.

Der operative Betrieb wird fortgeführt, insbesondere die Einbringung der Ernte auf über 45.000 Hektar. Zur Deckung der Löhne und Gehälter wird umgehend eine Insolvenzgeldvorfinanzierung in die Wege geleitet. Ziel der Beteiligten ist es, das Unternehmen und die KTG-Gruppe langfristig zu erhalten und möglichst viele Arbeitsplätze an den Standorten zu sichern.

Der Vorstand und der vorläufige Sachwalter werden hierfür die Optionen ausloten und in Abstimmung mit den Hauptgläubigern einen Sanierungsplan erarbeiten.

KTG Energie AG mit Rekordgeschäftsjahr

Frage 1: Darf der bisherige Vorstand – mithin diejenigen, auf die die aktuelle unpässliche Situation direkt zurückzuführen ist – wirklich am Steuer bleiben? Im Fußballgeschäft wäre das undenkbar – der Trainer geht stets zuerst.

Allerdings: Siegfried Hofreiter war/ist Alleinvorstand, mithin Alleinunterhalter an allen Fronten. Die Konsequenzen, ihn hier minimalinvasiv rauszuschneiden, könnten für die AG unabsehbar sein. Ähnlich z.B. Windreich.

Die Agrarbetriebe der KTG Agrar SE sind Hauptlieferanten für Substrate der KTG Energie AG und von der Insolvenz in Eigenverwaltung nicht betroffen. Diese Lieferbeziehung wird auf Holdingebene von der KTG Agrar SE abgesichert. „Unabhängig  von der Unternehmenssituation der KTG Agrar SE bestehen die Lieferbeziehungen auf Ebene der operativen Gesellschaften fort“, so Dr. Thomas Berger, CEO der KTG Energie.

KTG Agrar hatte der KTG Energie einen Kredit zur Verfügung gestellt, Volumen rund 33 Mio. EUR. Der Kredit ist langfristig gewährt und frühestens 2021 fällig.

Frage 2: Wann wurde dieser Kredit bei der Muttergesellschaft abgerufen? Dies ist wichtig, da man der Konzerntochter unterstellen könnte, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit absehbar war bzw. hätte sein müssen – in dem Fall könnte der gewährte Kredit vom Insolvenzverwalter angefochten werden. Mit ziemlichen Unbequemlichkeiten für die Tochtergesellschaft.

KTG_Energie_Vorstand

Frage 3: Knifflig, da auch juristisch: Können die Banken von KTG Energie nachverhandeln, wenn der Hauptbürge des Kredits / der Kreditrahmen (=KTG Agrar) ausfällt? Das stünde jedoch im Konflikt mit entsprechenden sog. Negativverpflichtungen, wie sie in Anleiheklauseln normalerweise enthalten sind.

Frage 4: Bei der Anleihe KTG Agrar 2011/17 fehlt der wichtige Passus hinsichtlich neuem Schuldscheinrecht. Das könnte die 250 Mio. EUR schwere Anleihe nicht restrukturierbar machen mit herkömmlichen Methoden. Die Scholz AG ging dafür den Weg einer Firmensitzverlagerung ins Ausland.

Fazit: Äußerst brisant, was hier auf Deutschlands führenden Börsenbauer zukommt, juristisch, operativ und strategisch.

 

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