Stopp-Kolumne: Deutschland wird’s schon richten

Einer liebgewonnenen Tradition gemäß habe ich in diesem Urlaub einen weiteren Eurokrisen-Staat bereist, und zwar Portugal. Einer der ältesten Nationalstaaten Europas – mit einer sehr ruhmreichen Historie – blickt auf eine sehr bewegte jüngste Vergangenheit zurück.

In dieser Zeit haben Kriege, Fremdherrschaft und außenpolitische Querelen den einstigen Status als Kolonial- und Weltmacht vollends beendet. Zu allem Überfluss wurde dieser Staat durch lange Jahre der Diktatur zurückgeworfen, mit deren Spätfolgen er fast 40 Jahre später immer noch zu kämpfen hat.

In Lissabon wird an allen Ecken und Kanten gebaut und renoviert. Die Stadt verfügt über tolle Museen, und hinter vielen maroden Fassaden kann man nicht vermutete Kleinode entdecken. Hinter der maroden Haushaltslage ist dies freilich nicht zu erwarten. Die Entwicklungen bei der Banco Espirito Santo (BES) haben dies sehr deutlich aufgezeigt. Dennoch zeichnet die Portugiesen eine südländische Gelassenheit aus, wie sie auch mein Taxifahrer lächelnd an den Tag legte, als er auf das Thema der Pleitebank BES angesprochen sagte: „Da habe ich zwar ein Konto, aber kein Geld liegen“.

Und schon sind wir wieder beim alten Thema – bei der von vielen EU-Bürgern skeptisch beurteilten Europäischen Union (EU) mit Deutschland an der Spitze, die im Notfall stets als Feuerwehr eingreifen soll. In Deutschland steigt indessen die Gefahr einer Rezession von Tag zu Tag, da die Sanktionen gegen Russland unsere Wirtschaft empfindlich treffen. Noch hat man nicht den Eindruck, dass sich die Regierungen der Eurostaaten über die Folgen für Europa Gedanken machen. Eher im Gegenteil, viele Regierungschefs sehen in dieser Schwächung eine Chance für die heimische Wirtschaft – was kaum einer zugeben wird.

Das exportstarke Deutschland ist aufgrund der bisherigen Beschlüsse zu ESM, zur Bankenunion und anderen Projekten mehr denn je an seine europäischen Partner gebunden. Auch die USA haben kein Problem mit einer nachhaltigen Schwächung ihres doch so wichtigen Partners Bundesrepublik. Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Russland waren von Washington schon seit Jahren kritisch beäugt worden. Und nun könnte Deutschland zwischen den beiden Machtblöcken wirtschaftlich und politisch in die Zange genommen.

Schöne Aussichten sind das nicht, aber zum Glück haben wir noch unsere europäischen Freunde, die uns die Chance geben, mit ihnen gemeinsame Aktionen zu initiieren. So wird momentan von Paris und Rom vehement ein europäisches Konjunkturprogramm im Wert von 300 Mrd. € gefordert. Dass zeitgleich die Bundesbank errechnet hat, Deutschland sei bisher der große Nutznießer der Krise gewesen und habe aufgrund der Niedrigzinsphase 120 Mrd. € gespart, lässt erahnen, wer das wohl wieder bezahlen soll. Dreimal darf geraten werden, aber die ersten beiden Male zählen nicht!

Russland-Sanktionen drücken auf die Stimmung
Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland drücken bei deutschen Unternehmen auf die Stimmung. Dabei sind es weniger die eigentlichen Sanktionen, die Sorgen bereiten. Diese kann die deutsche Wirtschaft weitgehend verschmerzen. Nein, es ist das Vertrauen, das gegenüber Russland auf Jahre hinaus zerstört sein dürfte.

Die EU hat inzwischen gegen 95 Personen Einreiseverbote und Kontensperrungen erlassen. Außerdem gibt es eine schwarze Liste mit 23 Unternehmen oder Organisationen, mit denen man als EU-Bürger keine Geschäfte mehr machen darf. Moskau hat auf diese Wirtschaftssanktionen der EU bekanntlich mit einem Importverbot für europäische Agrargüter reagiert. Weitere Schritte sind zu erwarten, verbunden mit einer gleichzeitigen Annäherung an die asiatischen Handelspartner, welche die entstandenen Lücken gerne füllen.

Spuren der Ukraine-Krise, aber auch der weiteren geopolitischen Spannungen, zeigen sich bereits bei der Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP), das im 2. Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,2% geschrumpft ist. Deutschland hat damit zumindest vorläufig seine Funktion als Wachstumslokomotive in der EU verloren.

Hoffentlich registrieren das auch bald unsere Politiker. Denn Zahlmeister kann nur sein, wer auch Geld verdient!

Klaus Stopp
Leiter Skontroführung Renten, Baader Bank AG

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