„Rendite und Risiko: Transparenz schafft das Gleichgewicht“ – Expertenkommentar zum Fall Prokon von Prof. Blättchen

Das Prokon-Desaster offenbart eine Fehlallokation zumindest in der Fristigkeit von Anlegergeldern zu Projekten oder Unternehmen, die bei einer korrekten Chancen-/Risikoabwägung so nicht stattgefunden hätten.

Die Konsequenz aus der Prokon-Insolvenz darf nicht sein, den Verkauf „riskanter“ Finanzprodukte an Kleinanleger in Zukunft notfalls zu beschränken oder sogar zu verbieten, wie es bereits von einigen Politikern vorgeschlagen wird. Dieser gutgemeinte Verbraucherschutz führt dazu, dass der Privatanleger im Ergebnis zur unmündigen Person erklärt wird und das Dilemma, in dem sich der deutsche Kapitalmarkt bereits seit Jahren befindet, weiter zunimmt. Die bisherige Ausgrenzung der Privatanleger ist eine der wesentlichen Ursachen für den sehr zähen IPO-Aktienmarkt in Deutschland, in dem letztendlich die deutschen institutionellen Investoren ebenfalls kaum noch eine Rolle spielen.

Dabei ist die Lösung des Problems einfach: Es ist notwendig, die Transparenz des jeweiligen Anlageobjekts bzw. des Geschäftsgebarens des Unternehmens herzustellen.

Der außerbörsliche bzw. der „graue“ Kapitalmarkt hat für den einzelnen Anleger den großen Nachteil, dass er nie weiß, was mit seinem Geld genau passiert und ob das Projekt bzw. Unternehmen überhaupt in der Lage ist, eine risikoadäquate Rendite zu erwirtschaften. Die Offenlegung eines Wertpapierprospekts, der für öffentliche Angebote bei Anleihen oder Aktienemissionen obligatorisch ist, ist ein wertvolles Instrument zur Einschätzung des Risikos eines Investments.

Darüber hinaus ist aber ein regelmäßiges, aussagefähiges und zeitnahes Berichtswesen das wichtigste Mittel, um vor allem die wirtschaftliche Nachhaltigkeit eines Investments im Zeitablauf beurteilen zu können. Diese Transparenzinstrumentarien sind bei börsennotierten Finanzierungsinstrumenten zwingend und eröffnen den Anlegern ein notwendiges Maß an Transparenz. Wäre Prokon mit seinen Genussrechten an der Börse gelistet (beispielsweise im Entry Standard) würde für einen Außenstehenden ziemlich schnell klar, ob das Geschäftsmodell tatsächlich den Versprechungen standhält. In diesem Fall wären vermutlich auch keine 1,4 Mrd. EUR Anlagegelder zusammen gekommen.

Mit der geforderten Veröffentlichung von testierten Jahresabschlüssen und Interimsberichten wird es für den Kapitalmarkt schnell ersichtlich, wo sich die Grenzen der Finanzierung mittels Genussscheinen befinden. Diese Form der börslichen Transparenz hätte ein zutreffendes Bild über das Chancen-/Risikoprofil des Unternehmens gegeben. Die Börsennotierung bedeutet aber auch, dass sich der Anleger von seinem Investment in einem geordneten Handel trennen kann, d.h. er kann mit den Füßen abstimmen.

Genussscheine sind ein hybrides Finanzierungsinstrument und daher eine Zwischenform zwischen der bekannten Anleihe und einer Aktie. Die Höhe der Ausschüttungen hängt vom Geschäftserfolg des Unternehmens ab. In ertragsschwachen oder Verlustjahren können Ausschüttungen, anders als bei der Anleihe, ausgesetzt werden und in besseren Zeiten nachgezahlt werden können. Zudem handelt es sich bei Genussscheinen um nachrangige Papiere, die zwar vor den Aktienbesitzern jedoch hinter den Anleihegläubigern bzw. Kreditgebern stehen.

Dieses Risiko sollte ein Investor kennen und ihm vor seiner Investitionsentscheidung transparent gemacht werden. Für die Emittenten haben die Genussscheine den Vorteil, dass sie in ihrer Vergütung „atmen“ und i.d.R. auch als wirtschaftliches Eigenkapital anerkannt werden. Die Börsennotierung ist für Genussscheine für Privatanleger eine bessere Lösung als ihr Verbot. Zwar ist der Anleger nicht vor einer Insolvenz geschützt, er hat aber mehr Information und Transparenz. Zudem kann das Instrument jederzeit an der Börse verkauft werden.

Statt das Anlageuniversum immer weiter einzugrenzen sollten die Börsen den Prokon-Fall zum Anlass nehmen, den Emittenten eine Plattform für dieses Instrument anzubieten. Künftige Emittenten müssten dann glaubhaft machen, warum sie dieses oder ähnliche Instrumente nicht an einer Börse notieren lassen, sondern im Graumarkt emittieren. Für den mündigen Anleger ist dann eine Entscheidung einfacher.

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen, Blättchen Financial Advisory

Prof. Dr. Wolfgang Blättchen