„Natürlich ist eine Verlängerung der Ekosem-Anleihen aus Sicht der Investoren nur die zweitbeste Lösung“

Wolfgang Bläsi

Interview mit Wolfgang Bläsi, Geschäftsführer und CFO, Ekosem-Agrar GmbH, über die geplante Prolongation der beiden Ekosem-Anleihen, weitere Optionen, Investoren-Feedback und natürlich zum Kursrutsch in den beiden Wertpapieren.

BondGuide: Herr Bläsi, Ekosem möchte seine beiden Anleihen 2012/17 und 2012/18 ‚verlängern‘, oder prolongieren. Welche Möglichkeiten hatten Sie denn insgesamt in Betracht gezogen mit Blick auf die beiden Anleihen 2012/17 und 2012/18?
Bläsi: Bei der Emission der Anleihen 2012 sollte ein wesentlicher Refinanzierungsbaustein der Börsengang sein, der im abgelaufenen Jahr hätte stattfinden sollen. Mit einer realistischen Kapitalaufnahme von 100 Mio. EUR hieraus hätten wir die Voraussetzungen geschaffen, um eine neue Anleihe im internationalen High-Yield-Segment zu emittieren und die bestehenden Anleihen zurückzuführen. Leider ist der Kapitalmarktzugang für in Russland tätige Unternehmen in den letzten 18 Monaten stark eingeschränkt, so dass unsere Pläne einer Refinanzierung über den internationalen Kapitalmarkt aktuell nicht zu vernünftigen Konditionen darstellbar sind. Das wird sich wieder ändern; wir wollten unabhängig hiervon frühzeitig Klarheit über unseren Kurs sowohl für Investoren als auch für die Gesellschaft schaffen.

Ekosem 2012-17

BondGuide: Wie erscheint Ihnen das bisherige Feedback der Investoren – lassen sich hier überhaupt größere Adressen identifizieren? 
Bläsi: Auch wenn die Kurse im Moment unter Druck sind, haben wir von nahezu allen Investoren, ob privat oder institutionell, mit denen wir in den letzten Tagen gesprochen haben, grundsätzlich positives Feedback erhalten. Unser größter Anleihegläubiger, die Dietmar-Hopp-Stiftung, hat uns seine Zustimmung zugesichert und wir sprechen mit vielen größeren Adressen wie mit Privatanlegern und erläutern unser Vorhaben. Natürlich ist eine Verlängerung aus Sicht der Investoren nur die zweitbeste Lösung. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Gläubiger unsere aktuelle Situation gut nachvollziehen können und deswegen unserem Kurs folgen.

Ekosem-Agrar produziert in Russland 220 Tonnen Milch pro Tag.Quelle: Ekosem Agrar GmbH

BondGuide: Die Kurse der Anleihen sind seit der Ankündigung indes deutlich ins Minus gerutscht. Betrachten Sie dies als Misstrauensvotum?Bläsi: Nein, eine negative Kursreaktion war zu erwarten. Die Investoren sind ja durch Hiobsmeldungen von zahlreichen Mittelstandsanleihen leidgeprüft und mutmaßen, dass Ekosem ebenfalls in Schwierigkeiten steckt. Genau aus diesem Grund haben wir PwC beauftragt, sich unsere Geschäftslage und unsere Planung von unabhängiger Seite anzusehen und zu bestätigen. Das Ergebnis sollte allen Anleihegläubigern ihre Sorgen nehmen. Deshalb empfehle ich: Wer eine Ekosem-Anleihe hält, sollte sich dieses Gutachten ansehen.

BondGuide: Kurz zusammengefasst: Was steht drin?
Bläsi: Das PwC-Gutachten bestätigt, dass die Planung von Ekosem-Agrar plausibel und erreichbar ist und demnach bis 2021 und 2022 ausreichend Mittel zur Tilgung der beiden Anleihen zur Verfügung stehen werden. Bereits 2017, nach Abschluss des laufenden Investitionsprogramms und bei Vollauslastung der Kapazitäten der Milchviehanlagen, wird die Gesellschaft einen nachhaltig positiven freien Cashflow von jährlich mehr als 30 Mio. EUR haben. In den Folgejahren wird dieser weiter ansteigen, so dass die Finanzverbindlichkeiten deutlich zurückgefahren werden. PwC hält somit unseren Vorschlag für ein ausgewogenes und realistisches Refinanzierungskonzept.

BondGuide: Bei der Einladung zur AGV vermisst man den Tagesordnungspunkt ‚gemeinsamer Vertreter‘. Wäre eine Art Klassensprecher für die Anleihen nicht durchaus angesagt?
Bläsi: Bei der Anleihen-Prolongation wird im Wesentlichen nur die Laufzeit der beiden Anleihen in den Anleihebedingungen geändert. Dies können die Anleihegläubiger befürworten oder ablehnen. Wir planen keine Einschnitte bei den Konditionen oder andere Restrukturierungsmaßnahmen, die sich nachteilig für die Anleihegläubiger auswirken. Auch die kommenden Zinszahlungen stehen nicht in Frage. Aus diesem Grund ist ein gemeinsamer Vertreter zur Bündelung der Interessen der Anleihegläubiger für die schlichte Verlängerung der Anleihen bei gleichbleibenden Zinskonditionen nicht nötig. Darüber hinaus ist es so, dass ich selbst oder andere am Prozess Beteiligte direkt mit vielen Investoren Kontakt aufnehmen und Gespräche führen und so eine unmittelbare Rückmeldung erhalten. Das scheint uns für diesen Fall die richtige Vorgehensweise zu sein.

BondGuide: …immerhin reden wir hier von der Bündelung der Interessen von knapp 130 Mio. EUR Volumen, d.h. der Kostenfaktor kann eigentlich nicht den Ausschlag geben.
Bläsi: Die Kosten sind nicht das Hauptargument, auch wenn wir das Geld gut im operativen Geschäft einsetzen können. Wir haben aus den 40-50 bisherigen Gesprächen mit Investoren von keinem einzigen gehört, dass er einen gemeinsamen Vertreter für diese Entscheidung benötigt, weder große Institutionelle noch Kleinanleger. Das bestärkt uns in der Entscheidung.

BondGuide: Wie schaut es mit der Ekosem-Beteiligungsstruktur aus – kann man hier größere Blöcke identifizieren? Singulus und auch Sympatex scheiterten ja am hohen Streubesitz.
Bläsi: Wie bereits angesprochen haben wir einen guten Überblick durch unsere Investorendatenbank und haben auch in der Vergangenheit einen engen Dialog mit unseren Anleihegläubigern gepflegt. Dazu kommen zahlreiche Friends&Family-Zeichner aus dem Agrarumfeld, so dass wir zuversichtlich sind, einen breiten Kreis zu mobilisieren.

Innerhalb von nur 3 Stunden füllte Ekosem seine Geldtöpfe mit einer 2. Anleihe. Quelle: Ekosem-Agrar GmbH

BondGuide: Wie sähe ein Plan B aus, falls Sie nicht die erforderlichen Mehrheiten für die Verlängerung der Anleihen erhalten? – immerhin haben Sie sich reichlich Vorlauf eingeräumt, denn die 2017er wird ja erst in 14 Monaten fällig.
Bläsi: Im Falle einer fehlenden Zustimmung durch die Anleihegläubiger bieten sich verschiedene Alternativen für die Refinanzierung der beiden Anleihen: die Aufnahme von weiteren Eigenkapitalinvestoren, die Refinanzierung über Bankdarlehen oder andere Fremdfinanzierungsinstrumente. All das würde bedeuten, dass wir unsere Investitionen nicht vollenden könnten, was die Weiterentwicklung des Geschäfts deutlich bremsen würde. Die Prolongation der Anleihen ist daher die klar bevorzugte Variante; auch, weil wir überzeugt sind, dass die Anleihe für die Investoren eine gute Anlage ist.

BondGuide: Die russische Wirtschaft dürfte sich angesichts weiterhin niedriger Ölpreise auch 2016 nicht erholen. Was bedeutet dies für das Geschäft auch von Ekosem-Agrar?
Bläsi: Generell ist festzuhalten, dass sich die Unternehmensrisiken der Ekosem-Agrar aufgrund der positiven operativen Entwicklung der Gesellschaft – sei es bei der Herde oder den Milchviehanlagen – in den letzten Jahren reduziert haben. Dies verschafft uns eine positive Ausgangslage. Zudem haben die westlichen Sanktionen und der Ölpreisverfall dazu geführt, dass sich Russland stärker darauf konzentriert den inländischen Bedarf an Rohmilch und Agrarrohstoffen durch heimische Betriebe decken zu können. Von einer flächendeckenden Versorgung kann jedoch derzeit noch keine Rede sein. Ekosem-Agrar profitiert somit weiterhin von der Bedienung eines unterversorgten russischen Marktes und der Förderung der Landwirtschaft durch die russische Regierung. Damit kann Ekosem-Agrar sich weiterhin weitgehend unabhängig von der schlechten gesamtwirtschaftlichen Lage in Russland positiv entwickeln. Negativ wirken, wie erwähnt, die Verzögerungen bei der Finanzierung aufgrund der Probleme der russischen Banken sowie im Bereich Eurofinanzierung der schwache Rubel. Dies ist jedoch in unseren Planungen mit eher konservativen Annahmen ebenfalls berücksichtigt. Hinzu kommt, dass die neuen Laufzeiten bis 2021/22 aus meiner Sicht genügend Zeit für eine Erholung der makroökonomischen Daten lässt.

Ekosem-Agrar GmbH

BondGuide: Herr Bläsi, ganz herzlichen Dank.

Wolfgang Bläsi, CFO von Ekosem Agrar sowie auch CFO von Ekotechnika

Wolfgang Bläsi, CFO von Ekosem Agrar sowie auch CFO von Ekotechnika


Das Interview führte Falko Bozicevic.

Kurse- und Chartverlauf genannter KMU-Anleihen finden Sie hier. Zum BondGuide Musterdepot geht’s hier.

 Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !