Holger Hinz, quirin Bank: „Deutschlands Unternehmen brauchen einen breiten Finanzierungsmix und auch eine nachrangige Finanzierungsform jenseits der klassischen Bankfinanzierung“

Kreditklauseln, Ratings und Treuhandkonzepte – der Markt für KMU-Anleihen muss, aber kann sich auch von seinen Kinderkrankheiten weiterentwickeln, erläutert Holger Hinz, Managing Director, quirin bank, im Gespräch mit BondGuide.

BondGuide: Herr Hinz, Sie sagen: Der Markt für Mittelstandsanleihen lebt! Allein schon der Begriff hat derzeit nicht allzu viele Befürworter…
Hinz: Wie Sie wissen fand ich diesen Begriff eigentlich nie passend. Ich hielt es von Anfang mit dem seligen Hermann J. Abs, der den Markt für Industrieanleihen nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland etablierte. Aber im Klartext: Deutschland braucht einen breiten Finanzierungsmix für Unternehmen und auch eine nachrangige Finanzierungsform jenseits der klassischen Bankfinanzierung sowie Finanzierungen im Nicht-Investment-Grade-Bereich über den Kapitalmarkt.

BondGuide: Hätten Sie einen besseren Oberbegriff parat?
Hinz: Was halten Sie vom deutschen Markt für Hochzinsanleihen als Analogon zum US-High-Yield-Markt?! Wir müssen ja die Welt nicht neu erfinden, da die Asset Klasse nicht neu ist. Der ebenfalls kursierende Begriff der „Mini Bonds“ reflektiert ja nur auf die Größe und nicht auf die Art der Finanzierungsform.

BondGuide: In vergangenen Jahren hatten Sie öfters moniert, man müsse dem Markt Zeit geben, sich zu Konsens-Covenants weiterzuentwickeln. Wie weit sind wir da jetzt?
Hinz: Das klassische Covenant-Set für Non-Investment-Grade-Unternehmen sollte sich am heutigen Standard für US-High-Yields anlehnen. Großvolumige Anleihe-Emissionen nach deutschem Recht gab es bereits, in denen diese umgesetzt wurden. Wie bei jeder Etablierung einer neuen Anlageklasse gibt es hier eine fortlaufende Entwicklung. Dass die ersten „Mittelstandsanleihen“ zu wenig oder zu lasche Covenants hatten, ist einfach der Etablierung eines jungen Marktes oder den von Ihnen bereits erwähnten „Kinderkrankheiten“ geschuldet. Am US-High-Yield-Markt passierte zu Beginn genau das gleiche. Zwischenzeitlich sind wir subjektiv gefühlt hier zumindest ein gutes Stück des Weges vorangekommen.

BondGuide: Mit Betrübnis mussten allerdings viele Investoren feststellen, dass die Kreditklauseln nur auf dem Papier bestanden – drohten Brüche, wurde einfach eine Gläubigerversammlung angekündigt…
Hinz: Der Markt durchläuft hier eine Maturierung auch in Bezug auf den Gläubigerschutz und die Kreditklauseln. Je heißer ein Markt läuft, desto lascher sind die Anforderungen hierzu. Der Weg zur weitreichenden Standardisierung und Professionalisierung ist natürlich auch hier zu gehen, um diese Sachverhalte zumindest auf wesentliche Fälle und Punkte zu beschränken.

BondGuide: Vager noch scheint das Treuhänder-Konzept, das ja einige Emittenten hochhalten. Hat das denn schon irgendwo funktioniert?!
Hinz: Auch hier befindet sich der Markt noch in der Findung. Bei US-High-Yields wird beispielsweise diese Aufgabe durch die den Agency Services angeschlossenen Trustee-Gesellschaften von Banken übernommen. In Deutschland dominieren hingegen vor allem Rechtsanwälte oder auch Wirtschaftsprüfer in diesem Sachverhalt den Markt. Das Modell des US-High-Yields lässt sich rechtlich aber nicht so einfach übertragen, so dass bisher auch nicht erkennbar ist, dass internationale Banken in den Markt eintreten. Hintergrund ist vor allem das doch recht junge neue deutsche Schuldverschreibungsrecht und die mangelnden Erfahrungen und Standardisierungen hieraus. Egal welches Rechtsregime vorliegt, muss ein Anleger natürlich erwarten dürfen, dass ein Treuhänder sorgsam seinen Job macht. Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass im Ernstfall eine Stresssituation bei Emittenten gegeben ist und notwendige Verwertungen natürlich unter Zeitdruck und Zwang stattfinden, was die Recovery-Quoten natürlich nicht gerade verbessert.

BondGuide: Wie beurteilen Sie inzwischen die Ratings – haben die Beteiligten dazugelernt?
Hinz: Die deutschen Ratingagenturen haben sicherlich noch immer einen weiten Weg zu beschreiten. Von der internationalen Anerkennung bei Investoren sind wir leider noch entfernt. Spannend wird im Gegenzug, ob sich die großen amerikanischen Agenturen ein wenig von ihrer global internationalen Sichtweisen lösen können und dann auf die Erfordernisse des hiesigen Bondmarkts herunter bewegen. Erste Ansätze sind hier zumindest bei S&P zu erkennen.

BondGuide: Ausblick 2015: Wie viele Emissionen werden wir Ihrer Meinung nach dieses Jahr verzeichnen, Aufstockungen nicht mitgezählt?
Hinz: Persönlich denke ich, dass wir 10 bis 15 Neuemissionen sehen werden. Vorbereitungen hierfür sind erkennbar. Daneben werden wir aufgrund des bestehenden Fälligkeitsprofils bei Mittelstandsanleiheemittenten auch im Laufe des Jahres weitere Bemühungen zur Refinanzierung erleben.

BondGuide: Herr Hinz, einmal mehr besten Dank für die interessanten Einblicke.

Das Interview führte Falko Bozicevic. Erschienen im BondGuide Special Anleihen 2015, auf Seite 24 f. – zur kompletten e-Paper-Ausgabe gelangen Sie hier.