Fußball trifft Kapital – ein neues Kapitel

Schalke holte den Pott - auch am Kapitalmarkt
Schalke 04 jubelt nach dem Pokalsieg

Von Johannes Möglich, Head of Corporate Finance & Investor Relations, FC Schalke 04*

Am 28. Juli 1962 wurde die Fußball-Bundesliga gegründet, die ihren Spielbetrieb mit der Spielzeit 1963/64 aufnahm. Die Bundesliga entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte und begeistert Woche für Woche, Jahr für Jahr Millionen Menschen. Damals wagte wohl niemand zu prophezeien, welch ein Wirtschaftsfaktor der Fußball eines Tages werden würde. Er erfreut sich weiterhin größter Beliebtheit, schafft immer neue Erlöspotenziale und somit eine gute Grundlage auch in Zukunft wirtschaftliches Wachstum zu generieren. Wegweisende Investitionen in die Clubinfrastruktur, wie z.B. in neue Stadien und Nachwuchsleistungszentren, wurden in den letzten Jahren getätigt und somit die Voraussetzungen geschaffen, dass der deutsche Fußballsport auch in Zukunft seine Spitzenposition weiter ausbauen kann. Die letzten 50 Jahre Fußball-Bundesliga haben immer wieder neue Finanzierungsformen für die Clubs hervorgebracht, die auch dazu beigetragen haben, dieses Wachstum zu ermöglichen. Kurz bevor die Bundesliga in ihre 50. Jubiläumssaison gestartet ist, feierte ein neues Finanzierungsinstrument Premiere: Der FC Schalke 04 emittierte als erster Bundesligist eine börsennotierte Mittelstandsanleihe und stieß somit in eine neue Dimension der Fremdkapitalfinanzierung vor, die einmal mehr zeigt, welche Finanzierungsmöglichkeiten professionelle Fußballclubs heutzutage haben.

Der Kapitalmarkt bietet diverse Finanzierungsformen, die gute Alternativen zum klassischen Bankkredit darstellen. Nicht erst durch die Einführung der Basel-Regularien und die damit einhergehende restriktivere Kreditvergabe der Banken sind mittlere und große Unternehmen gut damit beraten sich in ihrer Finanzierungsstruktur breit aufzustellen und durch Diversifikation das Finanzportfolio zu optimieren. Der benötigte Finanzierungsrahmen kann durch Verteilung auf mehrere Geldgeber gehalten werden und vermeidet dadurch Abhängigkeiten von einzelnen Gläubigern. Zudem stellen die von Banken im Rahmen der Kreditvergabe gegebenen Anforderungen einen hohen Arbeitsaufwand durch die laufende Berichterstattung dar und haben durch diverse aus dem Kreditvertrag resultierende Verpflichtungen einen stark eingeschränkten finanziellen Handlungsspielraum zur Folge.

Der Markt ist aufnahmefähig für Fußballanleihen
In den letzten Jahren nutzten daher auch verstärkt Fußballclubs die Möglichkeit sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Dies geschah in der Regel über die Ausgabe von sogenannten „Fananleihen“, die meist als effektive Stücke in Form von optisch ansprechenden Schmuckurkunden begeben wurden. Die Emission einer solchen Fananleihe zielt auf den allgemeinen Fußballfan ab, der sich nicht als Investor, sondern viel mehr als Unterstützer seines Clubs sieht. Die Schmuckurkunde stellt für ihn weniger ein Wertpapier, sondern mehr ein Sammelobjekt dar. Eine klassische „Fananleihe“ notiert bisher nicht an einer Börse und unterliegt somit nicht den Folgepflichten, die mit einer Börseneinführung verbunden sind. Daher fällt der größte Teil des Arbeitsaufwands der Emission während der Vorbereitungsphase und Zeichnungsfrist an. Ein Sekundärmarkt für den Handel solcher Anleihen existiert aufgrund der erschwerten Handelbarkeit effektiver Stücken in der Regel nicht. Dennoch haben jüngste Emissionen gezeigt, dass auch Emissionserlöse in zweistelliger Millionenhöhe am Kapitalmarkt erzielt werden können.

Mit der Emission einer börsennotierten Mittelstandsanleihe eröffnete der FC Schalke 04 ein neues Kapitel in der Kapitalmarktfinanzierung über Anleihen. Die Emission richtete sich sowohl an institutionelle Investoren und Vermögensverwalter als auch an Privatanleger und erzielte einen Erlös in Höhe von 35 Mio. EUR. Das mit einem Zinskupon in Höhe von 6,75% und einer siebenjährigen Laufzeit ausgestattete Wertpapier notiert im Entry Standard der Börse Frankfurt.

Mit der Notierung im Anleihesegment der Wertpapierbörse sind diverse Anforderungen verbunden, die das Unternehmen schon während der Emissionsvorbereitung zu beachten hat. Durch die Platzierung einer Mittelstandsanleihe verschafft man sich Zugang zum Kapitalmarkt, der sich nur durch eine gute Vorbereitung positiv gestalten und nachhaltig sichern lässt. Mit dieser Entscheidung geht oftmals eine neue Form der Offenheit und Informationskultur einher: Schließlich will man den Erwartungen der Kapitalmarktinvestoren gerecht werden. Zudem gilt es die geforderten Transparenzvorschriften und Folgepflichten der Börse jederzeit zu erfüllen. Dazu zählen unter anderem die zeitnahe Veröffentlichung der Jahres- und Halbjahresabschlüsse mit bestimmten Unternehmenskennzahlen, ein jährliches Folgerating und die Veröffentlichung von auf die Anleihe bezogenen Quasi-Ad-hoc-Mitteilungen.

Fußball braucht auch eine Bond Story
Nach den organisatorischen, rechtlichen und strategischen Entscheidungen im Zuge einer Anleiheemission spielen die Marktbeobachtung zur Findung des richtigen Emissionszeitpunkts und die Unternehmenskommunikation eine wichtige Rolle. In Print- und Onlinemedien platzierte Nachrichten des Emittenten oder dessen Branche dienen dazu, positiv auf das Unternehmen und dessen Wirtschaftszweig aufmerksam zu machen. Das Timing ist hierbei immens wichtig. Erfolgt die Kommunikationsoffensive weit vor dem eigentlichen Emissionsstart, ist die Wirkung bis dahin verpufft. Agiert das Unternehmen zu spät, verpasst es die Chance das Marktumfeld positiv zu stimmen. Je vertrauter und informierter sich potenzielle Investoren fühlen, desto größer ist die Zeichnungsnachfrage. Für Unternehmen, die noch keinen großen Bekanntheitsgrad innerhalb der Zielgruppe besitzen, ist es von großer Bedeutung eine interessante und plausible Bond Story zu präsentieren. Dazu gehören die Darstellung eines bewährten und erfolgreichen Geschäftsmodells, die Erläuterung zur Höhe des Emissionsvolumens, die Ausgestaltung der Anleihebedingungen und -konditionen sowie die Mitteilung des Verwendungszwecks.

Vor allem wollen die Investoren einen realistischen Plan aufgezeigt bekommen, wie man während der Laufzeit die Zinsen bedienen und die Anleihe zum Fälligkeitszeitpunkt zurückführen will. Die frühzeitige Ansprache von Investoren (Pre-Sounding) ist essenziell für den Platzierungserfolg. Hierbei erhält eine ausgewählte Gruppe institutioneller Investoren bereits vorab Informationen zu den wesentlichen Eckdaten wie Branche, Laufzeit, Zinskupon und geplantem Volumen. Im Rahmen des Pre-Soundings findet ein Austausch zwischen Emittent und Investoren statt. Durch das Feedback der Investoren erhält der Emittent wichtige Entscheidungshilfen für die endgültige Preisfestlegung. Danach finden weitere Maßnahmen, wie z. B. Roadshows, Interviews, Publikationen und zusätzliche Marketingmaßnahmen statt, um potenzielle Investoren von dem Emittenten und der Anleihe zu überzeugen. In der Regel bedient man sich – gerade bei einer Erstemission – eines Lead Managers, der die Platzierung der Anleihe im Rahmen einer Fremdemission begleitet und das komplette Transaktionsmanagement übernimmt.

Trifft ein erfolgreiches Unternehmen auf ein interessiertes Investorennetzwerk, sind zwei wichtige Erfolgsfaktoren gegeben. Vom Kickoff bis zur erfolgreichen Platzierung der Anleihe dauert es bei professioneller Steuerung der zugrunde liegenden Prozessschritte nicht länger als drei Monate. Eine zentrale Koordination zwischen den zahlreichen Parteien (Emissionsbank, Börse, Ratingagentur, Aufsichtsbehörde, Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Kommunikationsagentur etc.) – komplettiert durch ein kompetentes Management – ist notwendig, um den Ablauf der Emission reibungslos durchführen zu können. Ferner soll im Nachgang über die Anleihelaufzeit hinweg eine positive Sekundärmarkt-Performance erzielt werden, um somit eine mögliche Refinanzierung über weitere Kapitalmarktinstrumente zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen. Ein starker Fokus auf institutionelle Investoren ist hierbei hilfreich, um den Investorenkreis – gerade auch mit Hilfe einer permanent nachlaufenden Investorenkommunikation – möglichst stabil zu halten. Somit können Kursschwankungen minimiert und die Sekundärmarktfähigkeit aufrechterhalten werden.

Terra incognita
Mit dem Gang an die Börse hat sich der FC Schalke 04 auf ein für den deutschen Fußball untypisches Terrain begeben. Erwartungsgemäß gab es während der Emission branchenspezifische Problemstellungen, mit denen sich Club, Berater und Investoren auseinandersetzen mussten. Die wesentlichen Besonderheiten lagen vor allem in Überlegungen, wie man den Kapitalmarkt auf die Emission eines Fußballclubs vorbereitet und eine Verbindung zueinander schafft. Die zunehmende Professionalisierung des Fußballsports in Deutschland und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben dazu beigetragen, dass der Profifußball sich auch in Krisenzeiten als stabile Branche erwiesen hat. Die Bundesliga ist in den letzten Jahren als Marke gereift und etabliert sich stetig im internationalen Clubfußball. All diese Gegebenheiten sichern auch zukünftig weiteres Wachstum.

Insgesamt also gute Argumente, die man innerhalb der Kommunikationsstrategie verwenden kann. In der Finanzwelt wird der Profifußball dennoch teilweise als hochrisikoreiche Branche angesehen, da einzelne Entscheidungen oft hohe Risikopotenziale beinhalten. Diese Risiken sollten nicht unberücksichtigt bleiben und müssen nicht zuletzt im Wertpapierprospekt umfassend erwähnt werden. Jedoch bietet der deutsche Profifußball – gerade durch die hohe Bekanntheit und Emotionalität – genügend positive Aspekte, die in der Kommunikation gegenüber Dritten aufgegriffen werden können. Für die Risikobewertung einer solchen Anleihe sind die gängigen durch Kennzahlen gestützten Auswertungen nur wenig hilfreich. Fußballclubs werden nicht in dem üblichen Maße mit Hilfe von Kennzahlen gesteuert und der Liquidität wird ein höherer Stellenwert eingeräumt als der Ertragssituation. Daher stellt die Finanzkraft eines Fußballclubs oftmals einen besseren Indikator zur Risikobeurteilung dar als Bilanzbild und Gewinn- und Verlustrechnung vermuten lassen. In der Bilanz werden u.a. Spielerwerte im Anlagevermögen aufgrund handelsrechtlicher Vorschriften teilweise gar nicht ausgewiesen und Personalveränderungen im Lizenzspielerbereich können sich in erheblichem Maße in der Gewinn- und Verlustrechnung widerspiegeln. Es ist deswegen zwingend notwendig, die Kennzahlen getriebene Risikobewertung um die Betrachtung der fußballspezifischen Besonderheiten zu ergänzen. Dieses Fachwissen muss im Rahmen des Ratingverfahrens an die Analysten weitergegeben und den Investoren vermittelt werden. Nur so kann sich der Club in der wirtschaftlichen Betrachtungsweise korrekt darstellen und dem Kapitalmarkt eine realistische Hilfestellung für die Risikoeinschätzung bieten.

Fazit
Zum Dank für die Öffnung gegenüber dem Kapitalmarkt winken dem Unternehmen bzw. Fußballclub neue und bankenunabhängige Finanzierungsmittel. Dieser Weg bietet die Möglichkeit stabile Finanzmittel mit großen Volumina zu erhalten, die eine einzelne Bank meist nur schwer finanzieren kann. Die Mittelverwendung kann flexibel gestaltet werden und in der Regel werden keine Vermögenswerte blockiert. Zudem kann es der Emittent einer börsennotierten Anleihe schaffen, sich in der öffentlichen Wahrnehmung als transparent und vertrauenswürdig zu etablieren, die Bekanntheit der eigenen Marke zu steigern sowie das Image zu verbessern. Für Investoren bietet der Markt von Mittelstandsanleihen vor allem in Niedrigzinsphasen attraktive Chancen. Diese nutzen die Möglichkeit zur Renditeverbesserung und  streuung unter Berücksichtigung von Diversifikationseffekten ihres Portfolios. Nicht zuletzt stellt die Mittelstandsanleihe eines Fußballclubs – nicht nur für Fans – eine außergewöhnliche Kapitalanlage dar. Anders als im Sport können so aus dem Aufeinandertreffen von Emittent und Investor beide als Gewinner hervorgehen.

*) Johannes Möglich begleitete vereinsseitig die Emission der FC Schalke 04 Mittelstandsanleihe 2012/19 sowie die Emission der Schalker Fananleihe im Jahr 2010. Möglich ist beim FC Schalke 04 u a. verantwortlich für die Bereiche Corporate Finance und Investor Relations.