„Für Investoren kann Fremdkapital das bessere Eigenkapital sein“

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Auf der Bond-Konferenz in Zürich Anfang Oktober sprach BondGuide im Rahmen einer Paneldiskussion mit Alexander von Preysing, Deutsche Börse, und Lothar Probst, LP Inviso, über den Markt für Mittelstandsanleihen: Was ist gut, was kann sich verbessern, was muss sich verbessern – und was können die Beteiligten dazu
beitragen?

BondGuide: Meine Herren, eine vermeintlich leichte Frage zum Einstieg: Woran genau machen Sie fest, was eine Mittelstandsanleihe ist und was nicht?
Probst: Der Begriff ist unserer Meinung nach schon ein wenig verwässert. Es ist tatsächlich ein wenig so wie im Supermarkt. Da, wo es steht, ist es eingeordnet. Die ersten Mittelstandsanleihen kamen mehrheitlich aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Das waren für uns schon keine richtigen Mittelstandsanleihen. Heute wird sehr viel unter diesem Begriff abgestellt: von Projekt finanzierungen über (Post-)Restrukturierungsfälle bis hin zu wirklichen Anleihen aus dem deutschen Mittelstand, z.B. von Maschinenbauern oder Automobil-Zulieferern. Es hängt eben davon ab, wer der Platzierer ist.
von Preysing: Natürlich hatten auch wir uns überlegt: Wie nennen wir unser Segment dafür überhaupt? Den Begriff „Mittelstand“ haben wir bewusst ausgelassen, denn der kann schnell auch falsch interpretiert werden – nicht jedes kleinere Unternehmen ist bereits seit mehreren Generationen im Markt etabliert. Deswegen haben wir uns an die Aktienwelt angelehnt mit Entry Standard und Prime Standard jeweils für Anleihen.

BondGuide: Also Definition beiseite?
Probst: Damit haben wir als institutionelle Investoren kein Problem. Was uns gefällt, gefällt uns. Nehmen wir als Beispiel eine Homann-Anleihe: Der Geschäftsführer ist wesentlicher Eigentümer des Unternehmens, es hat zudem nicht mehr als 3.000 Mitarbeiter und macht seine Geschäfte überwiegend in Deutschland. Außerdem gibt es über mehrere Jahre Bilanzen, die man auch anschauen kann. Dann benötigen wir keine Wachstumsstorys – in erster Linie soll der Emittent ja nur seine Zinsen bezahlen.

BondGuide: Wie kam es überhaupt zu diesem Schub ab 2010, immerhin gibt es doch Unternehmensanleihen schon eine ganze Weile?
Probst: Wenn etwas funktioniert, dann funktioniert es eben. Aber natürlich gibt es dahinter stehende Trends: So haben Banken ihre Kreditvergaben eingeschränkt. Die Welt der großen Unternehmensanleihen gab es schon immer, und jetzt kommt eine Welt kleinerer Anleihen hinzu. Und die Grenzen verschwimmen zunehmend.

BondGuide: Wollten wir hier in Deutschland nicht eigentlich die Aktienkultur stärken? Stattdessen haben wir in diesem Jahr zehnmal so viele Mittelstandsanleihen wie IPOs.
von Preysing: Nicht ganz, vielleicht fünfmal so viele. Die Deutsche Börse arbeitet hier seit vielen, vielen Jahren gegen viele Widerstände und Vorbehalte von Mittelständlern. Da ist es aber pragmatisch, auch andere Wege zur Verfügung zu stellen, wenn diese nachgefragt werden. Für viele Unternehmen ist die Platzierung einer Anleihe der erste Schritt an den Kapitalmarkt. Wer damit gut zurecht kommt, wagt vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt auch den Börsengang.

BondGuide: Ist Deutschland eher Zins- statt Aktienland?
von Preysing: Wenn man sich die Entwicklung innerhalb des letzten Jahrzehnts anschaut, muss man konstatieren, dass die meisten Investoren tatsächlich Fixed-Incomeorientiert sind: also Zinsen, nicht Dividenden. Das ist nur mühsam und langfristig wieder zu ändern. Auch wenn wir von den Vorteilen der Eigenkapitalfinanzierung für Investoren und Unternehmen überzeugt sind, müssen wir den Wunsch respektieren, Investoren zur Verfügung zu stellen, was sie auch nachfragen, und nicht was wir uns in einer perfekten Welt wünschen würden.
Probst:Wir sehen das ebenfalls sehr pragmatisch. Vergessen wir bitte nicht, dass es im Aktienbereich ebenfalls zahlreiche Pleiten und Pannen gab. Die Renditen liegen da in der Historie irgendwo zwischen sechs und acht Prozent p.a. Wenn wir das bei soliden Anleihen auch bekommen, dann ist für uns das Fremdkapital das bessere Eigenkapital. Und bei Restrukturierungsfällen kommt der Fremdkapitalgeber in jüngster Vergangenheit oft sogar noch besser weg als der Eigenkapitalgeber.

BondGuide: Der Entry Standard für Anleihen ist mittlerweile schon zweieinhalb Jahre alt. Einige Änderungen im Regelwerk passieren fast unmerklich. Kommt von Investoren Feedback?
von Preysing: Wir haben auf jeden Fall unser Ohr am Markt. Natürlich beraten wir uns permanent mit Investoren, Banken und Dienstleistern. Auch diese Veranstaltung hier in Zürich würde ich in diese Kategorie einordnen. Für Ideen sind wir immer aufgeschlossen!

BondGuide:Was waren die wichtigsten Änderungen in dieser Zeit?
von Preysing: Beim Rating mussten wir zeitnah nachjustieren. Anfangs waren nur stichtagsbezogene Folgeratings vorgeschrieben. Jetzt besteht eine fortlaufende Ratingpflicht, d.h. eine Rating-Veränderung muss jetzt jederzeit stattfinden, sofern die Rating-Agentur dies für notwendig hält. Auch bei den zu veröffentlichenden Unternehmenskennzahlen (nach DVFA Standards zur Bondkommunikation) haben wir nachgelegt und auch börsennotierte Unternehmen verpflichtet. Und schließlich noch die Information über das platzierte Volumen, das direkt nach Zeichnungsphase und, sofern nach der Zeichnungsphase noch weiterplatziert werden soll, auch fortlaufend veröffentlicht werden muss.
Probst: Klar braucht man Regulierung. Aber denken wir an die „frühere“ Porsche: Da gab es einfach keine Quartalsberichte, weil Wiedeking das nicht wollte. Ratingberichte sind schon okay und sind Teil unseres  Entscheidungsprozesses. Das Urteil bilden wir uns dann aber bitte schon selbst aufgrund unserer eigenen Erkenntnisse.

BondGuide: Wie viel Transparenz darf und muss es denn nun wirklich sein?
Probst: Das ist unterschiedlich. Einige Firmen rutschen mit Begebung einer Anleihe in eine Situation, wo sie überhaupt erst einmal eine Investor-Relations-Abteilung aufbauen müssen. Teilweise verzichten sie auch einfach darauf. Da besteht ein großer Unterschied zu bereits börsennotierten Unternehmen. Zu aller erst sollten wir bzw. die Firmen darauf achten, dass die bestehenden Regeln zu Ad-hoc-Meldungen auch eingehalten werden, bevor wir hier über noch mehr Regulierung nachdenken.
von Preysing: Das sollte tatsächlich mit Augenmaß vonstatten gehen. Daher auch die Zweistufigkeit mit Entry und Prime Standard. Es ist uns wichtig, dass wir die Regeln nicht überdrehen. Ich stimme völlig zu, dass wir eher darauf achten, dass die Regeln, die wir schon haben, auch wirklich befolgt werden.

BondGuide Meine Herren, vielen Dank an Sie beide für das interessante Gespräch!

Interview mit Alexander von Preysing, Deutsche Börse, und Lothar Probst, LP Inviso. Das Gespräch war Teil einer Paneldiskussion rund um Mittelstandsanleihen in Zürich am 9. Oktober.

Das Interview führte Falko Bozicevic.