Draghi wandelt auf immer schmalerem Grat

Klaus Stopp, Leiter Skontroführung Renten, Baader Bank AG

Es ist ein schmaler Grat, auf dem Mario Draghi wandelt. Auf der einen Seite hat der EZB-Präsident das Mittel der Zinssenkung Anfang des Monats bis zur Nulllinie ausgereizt. Und auf der anderen Seite bleibt die Nachfrage nach einem anderen Mittel, Geldspritzen für die Geschäftsbanken in Form neuer Langfristkredite von der EZB, mit 83 Mrd. EUR hinter den Erwartungen zurück. Sollte die EZB jetzt auch noch Geld auf direktem Weg in die Wirtschaft pumpen, begäbe sich die Notenbank auf immer dünneres Eis.

Es wird immer klarer. Die Geschäftsbanken brauchen das billige Geld der Zentralbank nicht in dem Ausmaß, wie es ihnen die EZB zur Verfügung stellt, weil die Kreditnachfrage, die damit angestoßen werden soll, zumindest auf dem erforderlichen Bonitätsniveau vor allem in den Euro-Krisen-Ländern gar nicht vorhanden ist.

Dies suggeriert auch eine nachlassende Dynamik der Konjunktur in der Eurozone. Also erwägt die Notenbank nicht nur den Aufkauf von Staatsanleihen, sondern tüftelt noch an der Wiederbelebung des Marktes für Kreditverbriefungen, um damit die Dynamik am Kreditmarkt anzuheizen.

Aber damit nicht genug, im EZB-Rat ist die Mehrheit bereit, bei der Geldpolitik sehr weit zu gehen und neues Terrain zu betreten, wie Bundesbankchef Jens Weidmann dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verraten hat. Demnach geht es nicht mehr nur darum, die Kreditvergabe anzukurbeln, sondern nötigenfalls auch auf direktem Weg Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Das wäre dann so etwas wie Draghis letztes Ass in einem gefährlichen Spiel.

Und das ist ein Signal, in dem Weidmann eine gefährliche Weichenstellung der Notenbank sieht. Schließlich würde die EZB damit den Reformdruck völlig von den Regierungen nehmen. Aber ohne Reformen liefen die Schuldenländer Gefahr, dass die Investoren ihre Risikoeinschätzung rasch ändern und ihr Kapital aus diesen Ländern wieder abziehen könnten. Wenigstens dieses Damoklesschwert verbliebe, um den Druck auf die Schuldensünder aufrecht zu erhalten.

Weidmann bezeichnet vor diesem Hintergrund die aktuelle Ruhe an den Finanzmärkten als „trügerisch und sogar gefährlich“. Die Krise, soviel steht für ihn fest, ist noch lange nicht überwunden. Auch wenn die aktuelle Ruhe an den Finanzmärkten das suggerieren mag. Der Grat, auf dem sich Draghi und das Gros des EZB-Rates bewegen, wird damit noch etwas schmaler.

Anleger entdecken US-Corporate Bonds neu
Janet Yellen und Mario Draghi üben sich im Fingerhakeln, setzt doch jeder der beiden seine Kraft in die entgegengesetzte Richtung ein. Denn während die Chefin der US-Notenbank Fed die Zinsen anheben will, ist der Präsident der Europäischen Zentralbank dabei, seine Geldpolitik weiter zu lockern. Zumindest bis Ende 2016 will Draghi die Zinsen nahe bei Null belassen und durch den Ankauf von Wertpapieren die geldpolitischen Zügel weiter lösen. Yellen hingegen hat signalisiert, die Zinszügel im kommenden Jahr gegebenenfalls stärker zu straffen als bisher erwartet. In der Folge klafft schon jetzt die Renditeschere zwischen dem alten und neuen Kontinent immer weiter auseinander.

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So notiert die Rendite der 10-jährigen deutschen Staatsanleihen wieder knapp über 1%, während die Rendite der 10-jährigen US-Treasuries aktuell bei rund 2,63% liegt. Stützend wirken für deutsche Staatsanleihen im Moment allerdings die Sorgen um eine schwächere Konjunktur in China. Dennoch, seit Jahresanfang 2013 hat sich die Zinsdifferenz zwischen den USA und Deutschland von ca. 0,4% auf aktuell knapp 1,5% erhöht. Nachdem die Geldmarktsätze in beiden Ländern auf niedrigem Niveau verharren, weist die Zinsstrukturkurve derzeit insbesondere in den USA einen relativ steilen Verlauf aus. Aus fundamentaler Sicht spricht dies weiterhin für eine Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro.

appleinvestor_heroDiese Überlegungen teilen offenbar auch Anleger, die den Markt für US-amerikanische Corporate Bonds neu für sich entdeckt haben. So stießen in dieser Woche auf USD lautende Anleihen von Apple (A1HKKW und A1HKKY), die bei Laufzeiten Mai 2018 und Mai 2043 mit rund 1,61% und 4,26% rentieren, auf reges Interesse der Investoren. Gefragt war auch ein Bond von Vodafone (A1G926), der bis September 2022 läuft und eine Rendite von derzeit rund 3,54% aufweist. Ebenso stand eine Anleihe von Bombardier (A1ZFW8), die Oktober 2022 fällig wird und deren Rendite bei ca. 5,95% liegt, auf den Kaufzetteln. Des Weiteren war ein Corporate Bond von Newmont Mining (A1G153) mit einer Laufzeit Dezember 2022 und rund 4,30% Rendite gesucht.

Klaus Stopp
Leiter Skontroführung Renten, Baader Bank AG

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