Anleihe im Fokus: Studierenden-Anleihe I – Hochschule besuchen ohne reiche Eltern

Erst studieren, dann bezahlen mit diesem Modell will die private Hochschule Witten/Herdecke jungen Leuten ein Studium ermöglichen, die es sich sonst ggf. nicht leisten können. Damit eine solche Studentenförderung finanziert werden kann, geht der Förderverein StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke e.V. neue Wege und begibt eine erste Anleihe mit einem Volumen von bis zu 7,5 Mio. EUR.

Eckdaten der Anleihe
Vielerorts nicht richtig dargestellt, ist nicht die Universität Witten/Herdecke Emittent der Anleihe, sondern der private Förderverein StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke e.V. Der Bond kann vom 17. bis 28. November gezeichnet werden. Ab 2. Dezember soll er im Freiverkehr der Düsseldorfer Börse notieren. „Wir sehen für den mittelstandsmarkt keine Zukunft“, begründet Vorstandsmitglied Niklas Becker diese Entscheidung. „Deshalb haben wir uns für den normalen Freiverkehr an der Düsseldorfer Börse entschieden.“ Auch sei der Verein nicht mit einem mittelständischen Unternehmen vergleichbar: „Deshalb ist unsere Anleihe auch keine Mittelstandsanleihe“, gibt sich Becker selbstbewusst. Mit einer Stückelung von 1.000 EUR wendet sich die Gesellschaft bewusst an Privatanleger. „Die Anleihe eignet sich für Investoren, die Wert auf ein nachhaltig sinnvolles Investment legen und einen gesellschaftlichen Beitrag zur Bildungsförderung leisten wollen“, wirbt Becker. „Sie können dabei auf die hohe Zahlungsmoral unserer Absolventen vertrauen.“SG Vorstand Niklas Becker

Im Vergleich mit Mittelstandsanleihen liegt der Bond mit einem Kupon 3,6% pro Jahr deutlich unter der aktuellen Marktrendite von 7,1%. Zwar ist die Laufzeit mit 10 Jahren doppelt so lang wie bei den gängigen fünfjährigen Bonds. Der eingetragene Verein kann bereits ab dem achten Laufzeitjahr das Wertpapier vorzeitig kündigen. Der Verein wirbt damit, dass „die Forderungen gegenüber später zahlenden Studierenden zu jedem Zeitpunkt das Anleihevolumen deutlich übersteigen.“ Solche Prognosen sind jedoch spekulativ, da nun mal zukunftsgerichtet, auch weil mittlerweile eine viel breitere Studentengruppe die Privatuni besucht, deren Zahlungsfähigkeit nach dem Studium schwächer ausfallen könnte als bei bisherigen historischen Erfahrungswerten. Allerdings selbst wenn die Zahlungsfähigkeit in Zukunft schwächer ausfallen würde, und dazu noch die Studierenden der Uni Witten in Zukunft weniger verdienen würden als der allgemein-deutsche Durchschnitt und  noch die Ausfallquoten höher würden, sei trotzdem noch Risikopuffer vorhanden, so der Emittent auf Nachfrage.

Unternehmen und Zahlen
Der StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke e.V. ist mit einem Anteil von knapp 4% auch Gesellschafter der Privatuni. Der von Studenten geführte gemeinnützige Verein mit über 2.700 Mitgliedern erhebt und finanziert die Beiträge für die 1983 gegründete private Hochschule. Mit dem „umgekehrten Generationenvertrag“ bietet er ein neuartiges Finanzierungsmodell an, bei dem jeder Student an der Privatuni studieren kann, egal wie viel Geld er selbst hat oder seine Eltern beisteuern können. Dabei gibt es drei Optionen: Zum einen die Beitragszahlung während des Studiums, dann eine einkommensabhängige Späterzahlung und außerdem ein Mix aus sofortiger und späterer Zahlung. Die Studienbeiträge liegen derzeit zwischen 25.000 und 50.000 EUR – je nachdem, ob es sich um ein Philosophie- oder eher kostspieliges Medizinstudium handelt.

Mit etwa 2.000 abgeschlossenen Verträgen und einer Bilanzsumme von 14,1 Mio. EUR im 1. Halbjahr 2014 gehört die StudierendenGesellschaft zu den führenden privaten Bildungsfinanzierern im deutschen Hochschulbereich. Der Cashflow aus der Investitionstätigkeit betrug 2013 minus 1,7 Mio. EUR. Die Eigenkapitalquote lag Ende des 1. Halbjahres 2014 bei 77%, zuletzt leicht rückläufig. Dahinter stehen die Forderungen aus den Altverträgen. Im Wintersemester 2014/15 studierten an der Privatuni rund 2.000 junge Leute. Wegen der wachsenden Nachfrage nach Studienplätzen in Gesundheit, Wirtschaft und Kultur soll die Studentenzahl bis 2020 auf maximal 2.500 steigen.

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Die Anleiheerlöse sollen zur Vorfinanzierung der Studienbeiträge verwendet werden. Seit der Insolvenzgefahr vor fünf Jahren wirbt die Privatuni mit dem Solidarmodell verstärkt um neue Studenten. Im Wintersemester hat bereits fast jeder zweite davon Gebrauch gemacht. Die StudierendenGesellschaft benötigt daher in den kommenden Jahren mehr Finanzmittel zur Überbrückung des Zeitraums zwischen der Finanzierung neuer Studienbeiträge und der Rückzahlungen der Beiträge geförderter Absolventen. Die Nachfrage nach der Anleihe über die Hausbank GLS soll bereits enorm sein: „Wir haben schon so viele Zusagen institutioneller Kunden, dass wir mit einer Vollplatzierung rechnen“, ist Becker zuversichtlich.

Stärken und Schwächen
+ Bildungsinvestitionen in einkommensstarke Klientel

+ bewährtes Geschäftsmodell
+ bisher niedrige Ausfallquote bei Späterzahlern

– kein Rating, keine Besicherung
– Verflechtung mit der Hochschule

– geringes Anleihevolumen

Der Förderverein setzt auf sozial sinnvolle Bildungsinvestitionen, die sich durch hohe Gehälter der Uniabsolventen rechnen sollen. Das Geschäftsmodell ist bewährt, die Ausfallquote der unterstützten Studenten laut Verein gering, erst bei weniger als 5% wurde bisher ein Mahnverfahren eingeleitet. Allerdings sind seit der Krise 2009 sowohl Studenten- und Späterzahlerzahl als auch die Studiengebühren deutlich gestiegen. Ob bei dem viel höheren Beitragsvolumen die Rückzahlungen so hoch bleiben werden, kann niemand exakt vorhersagen, nach eigenen Angaben sei der Puffer hoch genug. Geförderte brauchen ihre Beiträge nur zurückzahlen, wenn sie als Absolventen einen Job bekommen, der ein Bruttoeinkommen von etwa 30.000 EUR garantiert. Bestehende und künftige Beitragsverträge sind bereits besichert – wegen zweier Darlehen der GLS mit einer Kreditlinie von 4,65 Mio. EUR. Und falls die Privatuni erneut in wirtschaftliche Schieflage gerät, könnte der Verein weitere Sanierungsdarlehen leisten müssen. Dazu heißt es jedoch vom Emittenten, dass die Uni wirtschaftlich so gut dastehe wie nie zuvor.

Fazit
Das Konzept ist zweifellos interessant. Wegen der vorgenannten Unsicherheiten ist der Kupon mit 3,6% p.a. zwar nicht exorbitant attraktiv – zumal auch die Anleihe wegen des kleinen Volumens nicht sonderlich liquide sein dürfte. Sie eignet sich aber für Anleger, die sich für die bildungspolitischen Ziele des Hochschulvereins engagieren wollen, kurzum die für ein gutes Gewissen auch mit wenig Rendite zufrieden sind. Für einen Erfolg spricht, dass der niedrige Kupon sicherlich im Vorfeld „pregesounded“ wurde und sich der Konsens auf 3,6% einpendelte.

Thomas Müncher

Anleiheübersicht – StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke e.V.

WKN A12UD9
Erstnotiz 2. Dezember 2014
Zeichnungsfrist 17. bis 28. November 2014
Ausgabepreis 100%
Kupon 3,6% p.a.
Stückelung 1.000 EUR
Laufzeit 10 Jahre, vorzeitige Kündigung ab 8. Laufzeitjahr möglich
Marktsegment Börse Düsseldorf (Freiverkehr)
Emissionsvolumen bis zu 7,5 Mio. EUR
Rating/Anleihe/Verein
Banken/Vertrieb GLS Bank
Financial Advisor SCALA Corporate Finance
Internet www.studierendenanleihe.de


Kurzprofil – StudierendenGesellschaft Witten
/Herdecke e.V.

Branche Bildungsförderung
Vereinssitz Witten
Bilanzsumme 1. Halbjahr 2014 14,1 Mio. EUR


Bewertung
StudierendenGesellschaft Witten/Herdecke e.V.

Wachstumsstrategie/Mittelverwendung: ***
Peergroup-Vergleich: **
Kennzahlen (Zinsdeckung, Gearing o.Ä.): ***
IR/Bond-IR: *****
Covenants: ***
Liquidität im Handel (e) *
Fazit by BondGuide ***(*) (interessant – Chancen überwiegen leicht)