Neues Schuldverschreibungsgesetz: Die Restrukturierung von Anleihen ist einfacher geworden

Stephan Gittermann

Unternehmen, die sich über Anleihen finanzieren, können am Kapitalmarkt eine Vielzahl potenzieller Geldgeber ansprechen. Ist eine finanzielle Restrukturierung des Unternehmens erforderlich, kehrt sich dieser Vorteil der Mittelaufnahme allerdings ins Gegenteil um: Dann steht der Emittent einer Vielzahl von Gläubigern gegenüber, deren Identität er oftmals nicht kennt. Eine umfassende Einigung mit allen Anleihegläubigern ist praktisch ausgeschlossen.

Einen Ausweg aus dieser schwierigen Situation eröffnet das 2009 eingeführte Schuldverschreibungsgesetz (SchVG): Es ermöglicht, die Bedingungen einer Anleihe durch Mehrheitsbeschluss der Anleihegläubiger zu ändern – mit bindender Wirkung für sämtliche Anleihegläubiger. Mit dem SchVG hat der Gesetzgeber das alte Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899 abgelöst, das in der Praxis kaum Bedeutung erlangt hatte.

Mögliche Maßnahmen
Treffen die Anleihebedingungen entsprechende Vorsorge für den Krisenfall, lassen sich auf diesem Wege die Zinsen stunden oder verringern. Die Hauptforderung kann ebenfalls gestundet, nachrangig gestellt oder herabgesetzt werden. Auch einen Umtausch in Gesellschaftsanteile (Debt-Equity-Swap) können die Anleihegläubiger beschließen. Die dafür erforderliche Kapitalerhöhung bedarf jedoch zusätzlich der Mitwirkung der Gesellschafter, wenn nicht in ausreichendem Umfang genehmigtes Kapital vorhanden ist, das unter Ausschluss des Bezugsrechts ausgenutzt werden kann.

Emissionstermin beachten
Das SchVG ist anwendbar, wenn die Anleihe nach dem 5. August 2009 (Stichtag) begeben wurde und die Anwendbarkeit des SchVG in den Anleihebedingungen ausdrücklich zugelassen worden ist (Opt-in).

Sofern die Anleihe vor dem 5. August 2009 emittiert worden ist, können die Gläubiger die Anleihe mit Mehrheitsbeschluss den Regelungen des SchVG unterstellen (nachträgliches Opt-in). Allerdings hat die Rechtsprechung entschieden, dass ein nachträgliches Opt-in nicht möglich ist, wenn die Emittentin die Anleihe – wie in der Praxis weithin üblich – über eine ausländische Finanzierungsgesellschaft begeben hat.

Gläubigerversammlung
Die Anleihegläubiger fassen ihre Beschlüsse in Gläubigerversammlungen. Vorbereitung und Durchführung dieser Versammlungen ähneln dem formalisierten Verfahren der aktienrechtlichen Hauptversammlung.

Änderungen der wesentlichen Anleihebedingungen bedürfen einer qualifizierten Mehrheit von 75 % der an der Versammlung teilnehmenden Stimmrechte.

Die Gläubigerversammlung ist nur dann beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Schuldverschreibungen vertreten ist. Befindet sich die Anleihe in breitem Streubesitz, wird dieses Quorum oft nicht erreicht. In einer zweiten Gläubigerversammlung ist eine Änderung der wesentlichen Anleihebedingungen jedoch schon dann möglich, wenn nur ein Viertel der Schuldverschreibungen an der Abstimmung teilnimmt.

Achtung: Gläubiger, die zusammen mindestens 5 % der Anleihen halten, können die Einberufung einer Gläubigerversammlung verlangen. Sie können auch fordern, dass weitere Beschlussgegenstände auf die Tagesordnung einer bereits einberufenen Versammlung gesetzt werden.

Gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger
Anleihegläubiger können ihre Interessen durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters bündeln. Dieser kann ermächtigt werden, mit der Emittentin zu verhandeln und Vereinbarungen zu treffen, die dann für alle Anleihegläubiger bindend sind.

Vertragsvertreter sind die Ausnahme
Ein gemeinsamer Vertreter kann bereits in den Anleihebedingungen bestellt werden (Vertragsvertreter) oder die Gläubiger können ihn in der Gläubigerversammlung wählen (Wahlvertreter). Bei Mittelstandsanleihen ist der Vertragsvertreter bisher die Ausnahme geblieben. Aus Sicht der Gläubiger hat die Bestellung des gemeinsamen Vertreters schon in den Anleihebedingungen den Vorteil, dass dieser aus eigenem Recht die (erste) Gläubigerversammlung einberufen kann.

Künftig mehr Mittelstandsanleihen in der Restrukturierung
Für die kommenden Jahre ist damit zu rechnen, dass eine beachtliche Zahl von Mittelstandsanleihen mit den Instrumenten des SchVG restrukturiert werden wird. Auch großvolumige High-Yield-Bonds, die seit dem Inkrafttreten des SchVG nicht selten deutschem Recht unterstellt werden, wären einer Restrukturierung nach dem SchVG grundsätzlich zugänglich.

Von Stephan Gittermann, Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg und Frankfurt a.M.