Law Corner: Wandelschuldverschreibungen – Eine flexible Alternative auch vor dem Börsengang?

Dr. Thorsten Kuthe (li) und Christopher Görtz, Rechts-
anwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Der Law Corner Beitrag von Dr. Thorsten Kuthe und Christopher Görtz, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Börsengänge sind aktuell wieder eine echte Finanzierungsalternative. Gleichzeitig ist der Kapitalmarkt in Deutschland weiterhin nicht einfach. Gerade kleine und mittelgroße Unternehmen überlegen daher genau, welche Struktur für sie der beste Weg an die Börse ist. Klassische Anleihe und Wandelschuldverschreibungen können Bausteine auf dem Weg zum IPO sein.

Börsengänge von kleinen und mittelgroßen Unternehmen sind in Deutschland seit längerer Zeit Mangelware. Mit Ferratum hat es kürzlich mal wieder ein Emittent geschafft (GoingPublic berichtete). Einige andere Kandidaten bereiten sich vor. Ob dies einen Trend auslöst, wird sich erst noch zeigen. Eine andere Finanzierungsalternative lässt sich hingegen trotz aller Unkenrufe gut platzieren, nämlich Unternehmensanleihen. Hier zeigte jüngst die Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig, dass der Markt mehr als aufnahmefähig für das richtige Angebot ist. Es liegt daher nahe, beide Finanzierungsformen zu verbinden. Ferratum und auch der Verlag Bastei Lübbe haben einen Weg gezeigt, wie eine solche Kombination gelingen kann. Beide Unternehmen haben zunächst eine Anleihe begeben und danach erfolgreich auch das (Aktien-)Parkett betreten. Mit der Anleihe wurde der Kapitalmarkt geöffnet. Investoren konnten das Unternehmen beobachten, das Management prüfen und feststellen, ob Zusagen eingehalten wurden. Mit anderen Worten: Das so wichtige Vertrauen konnte geschaffen werden.

Ein Weg, um beide Elemente noch enger zu verzahnen, ist die Wandelschuldverschreibung.

Gerade Emittenten aus dem Immobilienbereich haben bereits eine ganze Reihe von Wandelschuldverschreibungen erfolgreich begeben. Hierbei handelt es sich meistens um Gesellschaften, die bereits notiert waren und zumindest im ersten Schritt eine Kapitalerhöhung platziert haben. Der nächste Schritt ist, Wandelschuldverschreibungen auch für noch nicht notierte Unternehmen zu begeben. Das könnte zum Beispiel bei Wachstumsunternehmen eine Option sein. So sieht man immer wieder in Diskussionen, das bestimme Anleihekandidaten der Sache nach den Anleihegläubigern zumindest teilweise ein Eigenkapitalrisiko mit aufbürden wollen und dann im Gegenzug von den Investoren auch entsprechendes Upside-Potenzial in Form eines Equity Kickers oder einer Wandlungsoption verlangt wird.

neue ZWLUmgekehrt sind auch Pflichtwandelanleihen wieder stärker in der Diskussion, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzierung von Banken, wenn Eigenkapitalvorschriften abgesichert werden sollen, sogenannte Contingent Convertible Bonds oder kurz CoCo-Bonds. Bei diesen tritt eine Pflichtwandlung dann ein, wenn bestimmte finanzielle Kennzahlen verletzt werden. Solche Konstruktionen können neben Banken auch für andere Unternehmen interessant sein. Dies gilt zunächst für Unternehmen, die ebenfalls in der Finanzbranche tätig sind und einer Regulierung unterliegen. Daneben lassen sich CoCo-Bonds aber auch für Wachstumsunternehmen oder auch Unternehmen, die aus einer Restrukturierung kommen, vorstellen. Eine Pflichtwandlung im Fall der Krise stärkt das Eigenkapital und ist rechtlich ohne weiteres möglich. Die seit fünf Jahren angekündigte Aktienrechtsnovelle, die nunmehr dieses Jahr umgesetzt werden soll, will diese Möglichkeiten noch vereinfachen. Umsetzbar sind CoCo-Bonds auch in anderen Rechtsformen als der Aktiengesellschaft, wenn alle Gesellschafter an der Gestaltung mitwirken.

In rechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass bei Wandelanleihen eine Prospektbilligung nur in dem Land, in dem der Emittent sitzt, möglich ist. Der in der Praxis bei Corporate Bonds übliche Weg zur Luxemburger Aufsichtsbehörde (CSSF) ist hier also versperrt. Das macht das Verfahren länger und aufwendiger. Hinzu kommt, dass bei Wandelschuldverschreibungen die Prospektanforderungen denen eines Aktienprospekts entsprechen, so dass insbesondere drei (bzw. bei KMU zwei) Jahresabschlüsse vorzulegen sind und Pro-forma-Angaben erfolgen müssen. Hinzu kommen detailliertere Angaben zu Kapitalverhältnissen, zusätzliche Angaben zu den Aktien, in die gewandelt werden soll, und die Erklärung zum Geschäftskapital. All dies macht die Sache prospektseitig aufwendiger und ist daher bei der Planung zu bedenken.

Ein wesentliches Kernelement ist die Ausgestaltung der Anleihebedingungen. Hier stellt sich die zentrale Frage, wann unter welchen Bedingungen gewandelt werden kann. Sofern es sich um ein Wandlungsrecht bei einem nicht börsennotierten Unternehmen handelt, ist zu klären, ob eine Wandlung möglich sein soll, wenn das Unternehmen nicht oder noch nicht an die Börse geht. Gibt es keinen Börsenkurs, so ist zu klären, wie die Bedingungen der Wandlung festgelegt werden. Denkbar wäre insoweit eine Unternehmensbewertung. Das ist allerdings zeitintensiv und kostenaufwendig. Handelt es sich um eine Pflichtwandelanleihe, die in einer bestimmten Krisensituation eingreift, so kann eine Bewertung möglicherweise aus der Definition der Krisensituation, die jedenfalls erfolgen muss, hergeleitet werden – etwa, indem aus dem Eigenkapitalwert, der unterschritten wird, ein Unternehmenswert hochgerechnet wird. Dabei werden sich Investoren häufig als Gegenleistung für die Verpflichtung, in einer solchen Situation zu wandeln, das Recht auf überproportional viele Anteile einräumen lassen. Generell lässt sich sagen, dass der momentan zu beobachtende Trend, Anleihebedingungen individueller und detaillierter zu gestalten, für Wandelschuldverschreibungen in besonderem Maße gilt.