Law Corner: Geplante Reform der Prospektregelungen – Entwurf der Kommission vom 30.11.2015

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Der Law Corner Beitrag von Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Am 30.11.2015 hat die Europäische Kommission ihren Entwurf zur Reform der Europäischen Prospektregelungen vorgelegt. Diese Überarbeitung ist Teil der beabsichtigten Kapitalmarktunion, deren Ziel es ist, eine Finanzierung über den Kapitalmarkt in Europa zu erleichtern. Der Reformentwurf hat v.a. folgende Gruppen vor Augen: (1) Unternehmen mit gehandelten Wertpapieren an einem regulierten oder Wachstumsmarkt, (2) kleinere und mittelständische Unternehmen (SMEs), (3) Daueremittenten und (4) Emittenten von Nicht-Dividendenpapieren.

Die wesentlichen Punkte der Reform sind in groben Konturen wie folgt:

Zusammenfassung: Die Zusammenfassung soll – zu Recht – insgesamt neu gefasst werden, insbesondere verständlicher und auf sechs Seiten begrenzt. Der vorgeschlagene Inhalt orientiert sich an den Regelungen für PRIIPS; falls darunter fallend, kann der Teil über Wertpapiere auch insgesamt durch das Key Information Document (KID) ersetzt und damit Doppelarbeit vermieden werden.

Ausnahmen von der Prospektpflicht: Die heute bekannten Ausnahmen bleiben weitgehend bestehen, die Schwelle wird von 0,1 auf 0,5 Mio. EUR erhöht. Zudem können die Staaten für ihr Land Emissionen von bis zu 10 Mio. EUR von der Prospektpflicht befreien. Allerdings: Die Regelungen können damit uneinheitlich werden.

Es sollen wieder kleinere Stückelungen gefördert werden. Die Stückelung eines Wertpapiers von 100.000 EUR und größer soll nicht mehr zur Prospektfreiheit führen.

Der Basisprospekt kann nun breiter für alle Nicht-Dividendenpapiere genutzt werden.

Freiwilliger Prospekt: Emittenten sollen Prospekte nun auch freiwillig billigen lassen können. Öffentliche Angebote sind aber noch notwendig, wenn eine andere Behörde den Prospekt billigen soll.

Erleichterungen für den Prospekt: Emittenten, deren Wertpapiere bereits seit mindestens 18 Monaten an einem regulierten oder Wachstumsmarkt zugelassen sind, können für ein öffentliches Angebot von Wertpapieren der bereits emittierten Gattung oder Nicht-Dividendenpapiere erleichterte Prospektanforderungen nutzen.

Ebenso sollen SMEs einen erleichterten Prospekt nutzen können, deren Inhalt sich auf entsprechend der Unternehmensgröße wesentliche und relevante Informationen konzentriert. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Wertpapiere zum regulierten Markt zugelassen werden sollen. Zudem ist ein Frage-/Antworten-Format für SMEs für bestimmte Wertpapiere geplant.

Beschleunigtes Prospektverfahren: Regelmäßige Emittenten sowohl im regulierten Markt als auch an einem MTF können ein jährliches Dokument hinterlegen, auf deren Basis bei günstigen Marktgegebenheiten ein verkürztes Prospektverfahren genutzt werden kann.

Die in Prospekten dargestellten Risiken sollen sich in Zukunft auf die für den Emittenten und die Wertpapiere relevanten beschränken. Dies wird in der Praxis nur funktionieren, wenn die Gerichte dies auch bei der Prospekthaftung berücksichtigen.

Ausblick
Es bleibt abzuwarten, wie die Reform am Ende aussehen und wie sie von Marktteilnehmern genutzt werden wird. Interessant wird auch, ob die Börsen ihre Segmentstruktur ggf. anpassen und z.B. einen Wachstumsmarkt schaffen. Ergänzend sollte überlegt werden, die Regelungen für Wertpapiere auf andere Finanzprodukte zu erstrecken – im Sinne einer Vereinfachung für sämtliche Finanzprodukte. Dabei sollte auch die Prämisse gelten, Hürden für den Zugang zu Kapital abzubauen und den Kapitalmarkt als echte Alternative und Ergänzung zu Banken zu gestalten.

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Dr. Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek

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