Law Corner: Erschütterung des Geschäftsmodells querulatorischer Anfechtungskläger

Dr. Christian Becker, Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
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Der Law Corner Beitrag von Dr. Christian Becker, Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Nach dem Schuldverschreibungsgesetz („SchVG“) können Anleihegläubiger die Beschlussfassungen der Anleihegläubigerversammlung (kurz: AGV) anfechten: Diese dürfen ohne gerichtlichen Freigabebeschluss nicht vollzogen werden. Die Karawane der räuberischen aktienrechtlichen Anfechtungskläger, die sich ihren Lästigkeitswert abkaufen lassen, ist zu den schuldverschreibungsrechtlichen Anleihegläubigerversammlungen weitergezogen. Aktuell hat das OLG Karlsruhe erstmals im Rahmen eines Freigabebeschlusses das Geschäftsmodell der schuldverschreibungsrechtlichen Anfechtungskläger als missbräuchliche Verwendung der Anfechtungsrechte bezeichnet und damit querulatorischen Anleihegläubigern ihr Geschäftsmodell zumindest erheblich erschwert.

Gesetzliche Grundlagen
Nach § 20 Abs. 1 SchVG kann ein Beschluss der Anleihegläubiger durch Klage angefochten werden. Gem. § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG darf ein angefochtener Beschluss nicht vollzogen werden, es sei denn, das zuständige OLG stellt auf Antrag des Emittenten fest, dass die Erhebung der Klage dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht. Für die inhaltliche Ausgestaltung dieses Antragsverfahrens verweist das SchVG auf die Vorschriften zum aktienrechtlichen Freigabeverfahren gem. § 246a AktG.

Querulatorische Anleihegläubiger
In der Vergangenheit tauchten immer wieder querulatorische Anleihegläubiger auf, die gezielt wenige Schuldverschreibungen von restrukturierungsbedürftigen Emittenten erworben hatten und wegen angeblicher formeller und materieller Fehler im Rahmen der Durchführung der Anleihegläubigerversammlung Widersprüche einlegten. Sie erhoben in vielen Fällen anschließend gegen die Beschlussfassungen Anfechtungsklagen. Da die jeweiligen Emittenten meist auf eine zügige Umsetzung der Beschlüsse angewiesen waren, konnten die Anfechtungskläger aufgrund der durch die Erhebung der Anfechtungsklagen ausgelösten Vollzugssperre für die Beschlüsse ein enormes Druckpotenzial aufbauen.

Häufig war der Fortbestand des Unternehmens von einem raschen Vollzug gefasster Beschlüsse abhängig. Dieses Druckpotenzial wurde dann dazu genutzt, um sich den mit der Klage geschaffenen Lästigkeitswert für ein Vielfaches des Werts der gehaltenen Schuldverschreibungen abkaufen zu lassen. Hierfür verständigten sich die Parteien auf einen Mindeststreitwert, nach dem sich die Rechtsanwaltsvergütung des Klägervertreters bemaß. Nach Eingang der Zahlung nahmen die Anfechtungskläger ihre Klagen zurück, so dass die Beschlüsse der Anleihegläubiger vollzogen werden konnten.

Entscheidung des OLG Karlsruhe (Az. 7 AktG 1/15)
Das OLG Karlsruhe hat im Rahmen eines Freigabebeschlusses vom 30.09.2015 nunmehr deutliche Worte für den gezielten Erwerb restrukturierungsbedürftiger Anleihen und die anschließende Erhebung von Anfechtungsklagen gefunden. Das Gericht bezeichnete das Verhalten der Anfechtungskläger als rechtsmissbräuchlich, wenn diese in Kenntnis der Restrukturierungsbedürftigkeit eine geringe Anzahl an Schuldverschreibungen erwerben und anschließend versuchen, den Vollzug der Beschlüsse der AGV durch Rechtsmittel zu torpedieren. Ein wesentliches Indiz des Rechtsmissbrauchs stellt dabei der enorme finanzielle Aufwand im Zusammenhang mit der Durchführung der Anfechtungsklagen dar, wenn dieser ein Vielfaches des Anschaffungs- oder Nennwerts der gehaltenen Schuldverschreibungen übersteigt.

Fazit
Das OLG Karlsruhe hat das Tätigkeitsfeld querulatorischer Anleihegläubiger quasi trockengelegt. Für die Anleiherestrukturierungspraxis ist die klare Bezeichnung des Geschäftsmodells durch das OLG Karlsruhe als Rechtsmissbrauch eine wichtige Errungenschaft. Es kann angenommen werden, dass etwaige Trittbrettfahrer wegen der zu befürchtenden Schadensersatzansprüche der Emittenten es sich in Zukunft genau überlegen werden, aus der Restrukturierungsbedürftigkeit eines Emittenten Kapital zu schlagen.

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