Law Corner: Emittenten nutzen verstärkt Chancen des aktuellen Niedrigzinsumfelds durch vorzeitige Kündigung

Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, André Röhrle, LL.M. (Aberdeen), Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Ingo Wegerich (li) und André Röhrle, Rechtsanwälte,
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Die nachträgliche Aufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts für den Emittenten ist rechtlich möglich und wurde auch schon bereits mehrfach erfolgreich praktiziert. Rechtlich ist die Änderung von Anleihebedingungen im Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) geregelt.

§ 5 SchVG sieht vor, dass die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss Änderungen der Anleihebedingungen zustimmen können, sofern die Anleihebedingungen Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger zulassen.

Da geht noch was
Mit dem SchVG wird primär die Restrukturierung einer Anleihe in einer Krisensituation des Unternehmens verbunden – beispielsweise in Form einer Prolongation der Anleihe und/oder einer Anpassung des Zinskupons. Das SchVG eröffnet aber viel mehr Möglichkeiten als lediglich die Restrukturierung einer Anleihe in einer Krisensituation. Es ermöglicht beispielsweise auch die nachträgliche Aufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts für den Emittenten.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Gläubigerversammlung mit einer Mehrheit von mindestens 75% der teilnehmenden Stimmrechte der Änderung der Anleihebedingungen und der Aufnahme eines nachträglichen vorzeitigen Kündigungsrechts des Emittenten zustimmt. Zudem ist erforderlich, dass mindestens 50% der ausstehenden Stimmrechte an der Gläubigerversammlung teilnehmen. In einer zweiten Gläubigerversammlung reichen dann bereits lediglich 25% der ausstehenden Stimmrechte aus. Damit ist in der zweiten Gläubigerversammlung bereits mit Stimmen von lediglich 18,75% des ausstehenden Volumens die nachträgliche Aufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts für den Emittenten möglich.

Unternehmensrating der Gebr. Sanders GmbH & Co. KG mit B+ bestätigtDie nachträgliche Aufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts des Emittenten in die Anleihebedingungen ist auch bereits mehrfach in der Praxis erfolgreich praktiziert worden – so beispielsweise bei der Gebr. Sanders GmbH & Co. KG und bei der Strenesse AG. In beiden Fällen wurden als „Gegenleistung“ für die Anleihegläubiger zeitgleich mit der Aufnahme des vorzeitigen Kündigungsrechts weitere Covenants für die Anleihegläubiger aufgenommen – zudem lag teilweise der vorzeitige Rückzahlungsbetrag um ein bzw. zwei Prozentpunkte oberhalb des Nennbetrages.

Gescheitert ist dagegen die nachträgliche Aufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts bei der Sympatex Holding GmbH (jetzt Smart Solutions Holding GmbH) mangels Erreichen des notwendigen Quorums für die Beschlussfähigkeit in der zweiten Gläubigerversammlung. Als vorzeitiger Rückzahlungsbetrag waren hier 100 bzw. 101% des Nennbetrages (abhängig vom Kündigungszeitpunkt) vorgesehen. Die Anleihe stand zum Zeitpunkt der zweiten Gläubigerversammlung bei lediglich 80%.1)

Letzterer Fall zeigt insbesondere, dass neben der sehr guten rechtlichen Betreuung, einem ausgewogenen Refinanzierungskonzept mit auch entsprechenden Vorteilen für die Anleihegläubiger insbesondere auch der Kommunikation mit den Anleihegläubigern hier eine sehr wichtige Rolle zukommt. Die Anleihegläubiger müssen zum einen motiviert werden, an der Gläubigerversammlung teilzunehmen, zum anderen muss das Refinanzierungskonzept und auch dessen Vorteile für die Anleihegläubiger diesen plausibel gemacht werden.

Fazit
Das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld bietet Emittenten von Mittelstandsanleihen die Möglichkeit, ihre Finanzierungskosten ganz erheblich zu reduzieren. Dies wurde bereits von einer Vielzahl durch vorzeitige Kündigung ihrer Anleihen genutzt. Auch wenn die Anleihebedingungen kein vorzeitiges Kündigungsrecht des Emittenten vorsehen, ist auch im Nachhinein noch die Aufnahme eines vorzeitigen Kündigungsrechts für den Emittenten in die Anleihebedingungen möglich. Diese Möglichkeit wird durch das SchVG eröffnet. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert sehr gute rechtliche Betreuung, ein ausgewogenes Refinanzierungskonzept und auch eine gute Kommunikationsstrategie.

1) Die genannten Beispiele wurden sehr detailliert im Hinblick auf das Refinanzierungskonzept und die Kommunikationsstrategie analysiert. Luther bietet in diesem Zusammenhang – zusammen mit namhaften Kapitalmarktkommunikationsagenturen – für Emittenten, die sich über die Möglichkeit einer nachträglichen Aufnahme eines vor zeitigen Kündigungsrechts in die Anleihebedingungen informieren möchten, einen kostenlosen Anleihe-Refinanzierungs-Workshop an. Der Workshop wird für jeden Emittenten exklusiv und einzeln veranstaltet. Anmeldung ist möglich unter ingo.wegerich@luther-lawfirm.com und wird vertraulich behandelt.

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