Law Corner: Die neue Prospektverordnung 2017

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

KMU-Wachstumsprospekt und Prospektinhalte
Besondere Bedeutung wird voraussichtlich dem neuen KMU-Wachstumsprospekt zukommen. Der Begriff ist aber irreführend, da dies auch (i) Emissionen von Unternehmen erfasst, die keine KMU sind und deren Wertpapiere an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden bzw. sollen, sofern ihre durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 500 Mio. EUR betrug, sowie (ii) Emittenten, deren öffentliches Angebot von Wertpapieren einem Gesamtgegenwert in der EU von höchstens 20 Mio. EUR über einen Zeitraum von 12 Monaten entspricht; vorausgesetzt, dass keine Wertpapiere dieser Emittenten an einem MTF gehandelt werden und ihre durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr bis zu 499 betrug.

Der EU-Wachstumsprospekt soll ein standardisiertes Format haben sowie aus einer Zusammenfassung, einem speziellen Registrierungsformular und einer speziellen Wertpapierbeschreibung bestehen. Wesentliche Bedeutung beim KMU-Wachstumsprospekt könnte den Finanzinformationen zukommen: beim regulären Prospekt ist die Prospektverordnung 2017 wohl so zu verstehen, dass internationale Rechnungslegungsstandards und eine Erläuterung von Finanzinformationen für alle Wertpapiere (vorbehaltlich weiterer Ausnahmen) verpflichtend sein könnten. Der KMU-Wachstumsprospekt sieht bislang nur vor, dass Jahresabschlüsse und wesentliche Leistungsindikatoren aufzunehmen sind, ohne dass die Rechnungslegungsstandards vorgeschrieben sind. Für KMUs ist bei der Ausgestaltung der Prospektverordnung 2017 zu empfehlen, dass auch weiterhin nationale Standards wie HGB ausreichen dürfen.

Das einheitliche Registrierungsformular, Basisprospekt, Einzeldokumente, Sekundäremissionen
Die Prospektverordnung sieht zudem Anpassungen bei Basisprospekt, Verweisen und Einzeldokumenten vor.

Zudem wird „das einheitliche Registrierungsformular“ eingeführt, aus dem sich wesentliche Angaben zum Emittenten ergeben und zwar zu Organisation, Geschäftstätigkeiten, Finanzlage, Ertrag und Zukunftsaussichten sowie Führung und Beteiligungsstruktur des Unternehmens. Durch die Billigung dieses Registrierungsformulars wird der Status eines Daueremittenten ermöglicht und bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen die Frist zur Prospektbilligung von 10 auf 5 Tage reduziert. Dadurch sollen günstige Zeitfenster für Emissionen besser genutzt werden können.

Foto: © grafikplusfoto – stock.adobe.com

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Bei Sekundäremissionen von Emittenten, deren Wertpapiere bereits seit mindestens 18 Monaten fortlaufend an Aktienmärkten und KMU-Wachstumsmärkten zugelassen sind, gelten teilweise vereinfachte Prospektpflichten. Dies erfasst die Emission von Wertpapieren, die mit bereits zugelassenen Wertpapieren fungibel sind, die Emission von Nichtdividendenwerten von Emittenten, die bereits Dividendenwerte zugelassen haben und die Erhöhung eines bereits begebenen Wertpapiers. Der vereinfachte Prospekt besteht neben der Zusammenfassung aus einem speziellen Registrierungsformular und einer speziellen Wertpapierbeschreibung.

Ausblick
Die Konkretisierung des Verständnisses der Prospektverordnung 2017 und die noch folgenden technischen Dokumente werden noch Aufschluss geben, wie das neue Prospektregime in der Zukunft gelebt werden kann und ob es insbesondere Mittelständlern und KMUs im weiteren Sinne neue Chancen eröffnet.

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