Law Corner: Die Kapitalmarktunion – Verbesserungen der Unternehmens- und insbesondere Mittelstandsfinanzierung

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Der Law Corner Beitrag von Dr. Anne de Boer, LL.M. (RSA), Partnerin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

In seiner Rede vom 15.07.2014 hat Jean Claude Juncker die Idee einer Kapitalmarktunion als eine seiner Prioritäten für seine EU-Präsidentschaft bezeichnet1. Um Beschäftigung und Wachstum zu fördern, müssen Unternehmen finanziert werden, wobei nach Einschätzung der EU die Europäische Wirtschaft zu stark von Banken abhängig ist2. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sei der Zugang zum Kapitalmarkt in der EU zu aufwendig und teuer.

Der europäische Kapitalmarkt ist nach wie vor fragmentiert, überwiegend national ausgerichtet und in den Ländern haben sich historisch unterschiedliche Vorlieben entwickelt. Dadurch bestehen hohe Hürden für den Kapitalverkehr zwischen Anlegern und zu finanzierenden Unternehmen bzw. Projekten.

Am 18.02.2015 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch veröffentlicht, um den – als langfristig angesetzten – Prozess einer Harmonisierung und Schaffung einer Kapitalmarktunion auf den Weg zu bringen. Nach dem Grünbuch verfolgt die Kommission folgende Ziele3:

• Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln für alle Unternehmen in ganz Europa, insbesondere KMU, und für Investitionsprojekte, etwa im Bereich Infrastruktur;

• Ausweitung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen in Bezug auf Anleger aus der EU und dem Rest der Welt;

• wirksame und effizientere Märkte, die Anleger und Unternehmen oder Projekte mit Finanzierungsbedarf sowohl innerhalb der Mitgliedsstaaten als auch grenzüberschreitend kostengünstiger zusammenbringen.

Erwähnt werden dafür im Grünbuch u.a. folgende Elemente:

• Hochwertige Verbriefungen sollen gefördert werden, um die Bankbilanzen zu entlasten und die Kreditvergabe zu erleichtern.

• Die Mittelbeschaffung soll durch einheitliche Regularien einfacher und kostengünstiger werden, unnötige rechtliche oder aufsichtliche Hürden sollen abgeschafft werden.

• Das Insolvenz-, Steuer- und Gesellschafts- sowie Wertpapierrecht soll harmonisiert werden, soweit es Hürden für grenzüberschreitende Kapitalflüsse beinhaltet.

• Produkte, Marktregeln, transparente Produktmerkmale sollen standardisiert, kohärent beaufsichtigt und die Bestimmungen durchgesetzt werden. Genannt werden insbesondere gedeckte Schuldverschreibungen, Unternehmensanleihen und grüne Anleihen.

• Durch einheitliche Regelungen, Verfahren und Standards insbesondere für die Dokumentation sollen die Privatplatzierungen gefördert und bestehende Hindernisse reduziert werden.

• KMU-Finanzierung
– Die Kreditinformationen über KMU, u.a. ein gemeinsamer Mindestsatz an Informationen, Kreditscoring, sollen verbessert werden.
– IFRS auf KMU zu übertragen, wäre zu teuer. Daher sollen vereinfachte, einheitliche und qualitativ hochwertige Rechnungslegungsstandards entwickelt werden.
– Die Prospektrichtlinie soll überarbeitet werden, um Firmen die Kapitalaufnahme in der gesamten EU zu erleichtern und um KMU-Wachstumsmärkte zu fördern.

• Alternative Finanzierungsformen und Platzierungsmethoden unter Einbeziehung von Peer-to-Peer-Darlehen und Crowdfunding sollen geprüft werden.

• Die Nutzung der neuen europäischen langfristigen Investmentfonds soll gefördert werden.

• Ein wirksamer Verbraucher- und Anlegerschutz muss gewährleistet werden. Wenn Kleinanleger mehr Vertrauen in die Kapitalmärkte und Finanzvermittler haben, würden private Ersparnisse gegebenenfalls stärker in den Kapitalmarkt investiert werden.

Auswirkungen
Die Kapitalmarktunion dürfte zu einer umfassenden Harmonisierung auch des Gesellschafts-, Bilanz-, Aufsichts-, Insolvenz- und Steuerrechts führen; die EU Marktmissbrauchsregelungen waren damit nur ein kleiner Anfang. Etliche der bestehenden bzw. anstehenden deutschen Gesetze werden damit befristet4. Dies bietet eine Chance, dass der in Deutschland bestehende Flickenteppich an Regeln vereinheitlicht wird und einige (übertriebene) Regelungen zurückgenommen werden.

Bis zu einer Kapitalmarktunion wird es noch dauern. Insoweit sollten die Teilnehmer am Kapitalmarkt die Entwicklungen und Diskussionen genau beobachten und auch die Chance nutzen, sich mit ihren Ideen und auch Erfahrungen in den Regulierungsprozess einzubringen.

Fußnoten
1) Politische Leitlinien für die nächste Europäische Kommission – Rede zur Eröffnung der Plenartagung des Europäischen Parlaments vom 15.07.2014.

2) Verglichen wird u.a. mit den USA.
3) Grünbuch vom 18.02.2015, S. 5.
http://ec.europa.eu/finance/consultations/2015/capital-markets-union/docs/green-paper_de.pdf
4) Vgl. Kleinanlegerschutzgesetz.

www.bondguide.de/lawcorner/law-corner-referentenentwurf-zum-kleinanlegerschutz-vorgelegt www.bondguide.de/lawcorner/eu-marktmissbrauchsregelungen-keine-revolution-fuer-den-freiverkehr