S.A.G. Solarstrom: „Strafzölle werden nicht helfen“

Dr. Karl Kuhlmann, S.A.G. Solarstrom

Interview mit Dr. Karl Kuhlmann, CEO, S.A.G. Solarstrom

Weltweit befindet sich die Solarbranche im Umbruch. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklärt Dr. Karl Kuhlmann, wer eine Mitschuld an dem Dilemma trägt, warum die Strafzölle nicht helfen werden und wie die S.A.G. Solarstrom sich diesen Trends widersetzt.

GoingPublic: Herr Dr. Kuhlmann, nicht nur die deutsche Photovoltaik-Branche befindet sich im Umbruch. Weltweit agierende Unternehmen gerieten in finanzielle Bedrängnis – geht es der Solarbranche allgemein betrachtet wirklich so schlecht?
Kuhlmann: Die Photovoltaik-Branche steckt in der Tat weltweit in der Krise, und das ist vor allem den vielen kurzfristigen regulatorischen Änderungen in den letzten Jahren geschuldet. Damit war das Marktumfeld für viele Unternehmen kaum planbar. Auf Boomphasen in einzelnen Ländern folgten massive Markteinbrüche. Nachdem in erheblichem Maße Produktionskapazitäten aufgebaut worden waren, standen die Hersteller plötzlich vor vollen Lagern und mussten Ware abverkaufen, um Verluste zu begrenzen.

GoingPublic: Und wer trägt daran die (Mit-)Schuld?
Kuhlmann: Die Politik hat einen erheblichen Anteil an der schwierigen Situation. Nicht dass wir uns falsch verstehen – Förderungen müssen degressiv gestaltet werden und keine Technologie kann auf Dauer subventioniert werden. Aber die sehr positive Entwicklung der Photovoltaik hin zu einer Wettbewerbsfähigkeit zu konventionellen Energiequellen wäre sicher auch ohne diese massiven Verwerfungen im Markt möglich gewesen, wenn man Förderungen planbar über mehrere Jahre abgeschmolzen hätte. Hinzu kommt natürlich, dass einige Unternehmen in der Solarbranche in Erwartung eines weiter boomenden Marktes in guten Zeiten zu viele Schulden aufgebaut haben – die können nun angesichts sehr deutlich gesunkener Margen im heutigen Marktumfeld gar nicht mehr zurückverdient werden.  S.A.G. Solarstrom AG war in der Lage, diese massiven Marktveränderungen in den letzten fünf Jahren immer wieder gut zu kompensieren. Aber dafür mussten wir uns auch quasi jedes Jahr neu erfinden.

GoingPublic: S.A.G. Solar konnte sich zuletzt diesem Trend widersetzen und steigerte sogar die Gesamtleistung im ersten Quartal – was ist Ihr Erfolgsergebnis?
Kuhlmann: Ein stabiles Fundament und eine sehr hohe Flexibilität. Wir haben mit unseren Geschäftsbereichen Projektierung und Anlagenbau, Partnervertrieb, Anlagenbetrieb und Services sowie Stromproduktion vier Säulen, stehen also nicht nur auf einem Bein. Die Geschäftsbereiche Anlagenbetrieb und Services sowie Stromproduktion sind beides sehr profitable Geschäftsbereiche mit zweistelligen EBIT-Margen. Auch wenn sie vom Volumen her vergleichsweise klein sind, so helfen sie doch in schwierigen Zeiten, das deutlich volatilere Geschäft in der Projektierung und im Anlagenbau und im Partnervertrieb abzufedern.

GoingPublic: Und wie macht sich die Flexibilität bemerkbar?
Kuhlmann: Ohne eine sehr große Flexibilität, die einer Organisation wirklich viel abverlangt, wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Wir haben beispielsweise im letzten Jahr ein erhebliches Projektvolumen von Italien zurück nach Deutschland umgeschichtet, weil sich die Finanzierungsbedingungen für Photovoltaik-Anlagen in Italien so sehr verschlechtert hatten, dass wir hier ein hohes Risiko beim Exit von Projekten gesehen haben. Wir haben eine Mannschaft, die in der Lage ist, schnell umzuschalten. Wir sind aufgrund unserer Größe eher ein Schnellboot und kein Tanker. So können wir rasch umsteuern, wenn wir sehen, dass der Markt das von uns verlangt. Das konnten viele größere Unternehmen nicht. GoingPublic: Sie haben sich in den letzten Jahren auch Liquidität über zwei Anleihen besorgt – wie bewerten Sie diese Entscheidung heute? Kuhlmann: Wir haben die beiden Unternehmensanleihen begeben, um unsere Finanzierungsstruktur zu diversifizieren, und dieses Ziel haben wir auch erreicht. Wir halten den Anleihemarkt nach wie vor für eine interessante Ergänzung zur klassischen Unternehmens- und Projektfinanzierung. Insofern wäre das sicher ein Instrument, dessen wir uns zu einem späteren Zeitpunkt durchaus wieder bedienen würden. Dazu müssten sich aber die Rahmenbedingungen im Markt für Photovoltaik und im Markt für Mittelstandsanleihen wieder positiver gestalten. Und wir wollen natürlich zunächst unsere beiden Unternehmensanleihen, die draußen sind, zurückbezahlen, bevor wir über eine neue nachdenken. GoingPublic: Die politische Debatte um Strafzölle: Fluch oder Segen für die deutsche Solarindustrie? Kuhlmann: Wir halten die Strafzölle für einen großen Fehler. Wir haben uns die Preisentwicklungen der Komponenten angeschaut und hier eine Entwicklung wie aus dem klassischen Ökonomie-Lehrbuch gesehen. Mit der Verdopplung der Installationskapazitäten sind die Preise jeweils um 20% gesunken. Und sie haben sich jeweils an sinkende Einspeisevergütungen angepasst. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Dumping in China zu tun.

GoingPublic: Sondern?
Kuhlmann: Photovoltaik ist zu einem Massenprodukt geworden, und das erst hat die hohen Preissenkungen und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu Strom aus konventionellen Energiequellen ermöglicht. Das ist eine Errungenschaft, nicht etwas, was mit protektionistischen Zöllen wieder rückgängig gemacht werden sollte. Und das Fatale ist: Strafzölle werden den deutschen Modulherstellern nicht helfen. Sie werden kein einziges Modul mehr absetzen als vorher. Wir erwarten im Gegenteil einen deutlichen Marktrückgang. Wir haben nicht mehr die hohen Einspeisevergütungen wie vor drei oder vier Jahren; wenn jetzt die Module durch die Strafzölle deutlich teurer werden, werden sich viele Projekte nicht mehr rechnen – weder mit deutschen noch mit chinesischen Modulen.

GoingPublic: Stimmen in der Branche sagen, dass in Zukunft kaum noch große Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Deutschland gebaut würden. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Kuhlmann: Das wird sicher in erheblichem Maße davon abhängig sein, wann in Deutschland der 52 MWp-Deckel des EEG erreicht ist und wie sich die Preise weiterentwickeln. Hier sind die Gestehungskosten pro kWh ausschlaggebend. Klar ist, dass Anlagen über 10 MWp seit 2012 keine Einspeisevergütung mehr erhalten. Bei größeren Anlagen müsste also der Strom über einen Stromabnahmevertrag aktiv vermarktet werden. Wenn die Gestehungskosten pro kWh wettbewerbsfähig sind, werden auch Freiflächenanlagen ohne Einspeisevergütung in Deutschland wieder attraktiv. Wir sind mitten in der Transitionsphase weg von einem geförderten Markt hin zu einem wettbewerbsorientierten Markt. Aber wir sehen da durchaus auch in Deutschland zumindest langfristig wieder Chancen für größere Freiflächenanlagen. Kurzfristig, das ist sicher richtig, wird es eher nicht.

GoingPublic: Das führt zur übergeordneten Frage: Lohnen sich Investitionen in Solarenergie in Deutschland überhaupt noch?
Kuhlmann: Ja, diese Investitionen lohnen sich noch! Natürlich können hier keine zweistelligen Renditen mehr erwartet werden, aber dennoch sehr sichere Investments mit planbaren Cashflows. Und gerade auch für den Endverbraucher, den Einfamilienhausbesitzer, lohnt es sich angesichts der weiter steigenden Strompreise, in eine eigene Photovoltaikanlage mit Speicher zu investieren. Nach einer Musterrechnung sind für eine kleine 4,5-kWp-Anlage über 20 Jahre Laufzeit Kosteneinsparungen von bis zu 29.000 EUR gegenüber den zu erwartenden Stromkosten möglich. Hier bieten wir Komplettlösungen mit Speicher über unsere Partner an.

GoingPublic: S.A.G. hat kürzlich ein Projekt in Großbritannien realisiert – was macht ausgerechnet den britischen Markt attraktiv?
Kuhlmann: Großbritannien hat zurzeit noch sehr attraktive Investitionsbedingungen, die mit den britischen Umweltzertifikaten, den ROCs, zusammenhängen. Energieversorger müssen einen steigenden Anteil erneuerbarer Energien an ihrem Gesamtstrommix nachweisen, deshalb gibt es hier aktuell eine große Nachfrage nach fertig installierten Photovoltaikanlagen. Die Anlage in Wymeswold, die wir im 1. Quartal 2013 gebaut haben, ist mit 33 MWp aktuell die größte Anlage in Großbritannien und für uns natürlich ein hervorragendes Referenzprojekt. Auch 2014 sehen wir hier noch einen attraktiven Markt.

GoingPublic: Wie geht es hier weiter? Welche Länder sind attraktiv, wenn man alle Rahmenbedingungen berücksichtigt?
Kuhlmann: Wir haben eine Reihe von Zielmärkten identifiziert, in denen wir bereits Projekte vorbereiten oder Kontakte knüpfen. Zentraleuropa mit den Schwerpunkten Deutschland, Spanien und, wie schon erwähnt, Großbritannien bleibt natürlich unser Heimatmarkt und weiterhin sehr wichtig. Daneben sind wir aber beispielsweise in der Türkei, Rumänien, Afrika und Lateinamerika mit Mexiko, Peru und Chile aktiv. Wichtig ist für uns immer, dass nicht nur die Sonne scheint, sondern dass wir in diesen Ländern auch vernünftige Rahmenbedingungen haben, also ein stabiles politisches und wirtschaftliches Umfeld. Dann sind Photovoltaik-Projekte in diesen Ländern auch für unsere Investoren spannend. Und hier sehen wir noch hochinteressantes Potenzial in den nächsten Jahren.

GoingPublic: Herr Dr. Kuhlmann, vielen Dank für die interessanten Einblicke.

Das Interview führte Maximiliane Worch. Ursprünglich erschienen in der Sonderausgabe ‚Cleantech 2013‘ des GoingPublic Magazins Ende Juli.