„Ohne institutionelle Investoren läuft gar nichts“

Der Markt für Mittelstandsanleihen hält weiterhin auf einem hohen Niveau. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklärt Roger Peeters, Vorstand von Close Brothers Seydler Rearch, wie gesund der Markt generell ist und wie Aufstockungen aus Investorensicht gesehen werden.

GoingPublic: Herr Peeters, same procedure as last year in Bezug auf Mittelstandsanleihen anno 2013?
Peeters: Tatsächlich hat sich nicht viel geändert in den vergangenen Monaten. Der Markt für Mittelstandsanleihen hält sich summa summarum auf einem hohen Niveau, speziell wenn man das im Vergleich zu IPOs betrachtet. Auch in Bezug auf die „In-Branchen“ wie Mode und Konsumgüter sehen wir eine Verstetigung bestehender Trends. Ein etwas neueres Phänomen jüngster Zeit sind mehrere Aufstockungen notierter Anleihen.

GoingPublic: Sind Aufstockungen aus Investorensicht nicht etwas kritisch zu betrachten, weil sie häufiger als opportunistisch herüberkommen nach dem Motto: Der Markt hat es halt hergegeben?
Peeters: Diese Frage hat grundsätzlich ihre Berechtigung, denn eine Anleiheaufstockung ist zunächst einmal die Abweichung von einem bestehenden und meist erst wenige Jahre alten Businessplan. Allerdings kann ein Unternehmen auch nicht ganz so einfach mal eben aufstocken – eine Investorenansprache oder Roadshow muss da trotzdem schon noch gemacht werden, um Anleger aufs Neue zu überzeugen. Der Grund für die geplante Aufstockung sollte dementsprechend auch konsistent erläutert werden. Insofern sind die Marktmechanismen dabei völlig intakt.  Dass man mehrere erfolgreiche Aufstockungen gesehen hat, heißt ja nicht, dass es jeder gekonnt hätte. Man sieht ja naturgemäß nur die Erfolge.

GoingPublic: Wie gesund ist der Mittelstandsanleihenmarkt generell aus Ihrer Sicht?
Peeters: Interessant ist doch, dass die öffentliche Meinung tendenziell recht kritisch ist. Nicht dramatisch zwar und meistens auch konstruktiv kritisch, aber die Medien haben sich mehrheitlich doch spürbar negativ auf Mittelstandsanleihen eingeschossen. Ein enthusiastischer Artikel zu diesem Thema ist mir noch nicht begegnet. Trotzdem boomt der Markt und entwickelt sich so robust und solide wie 2012 weiter. Es gibt augenscheinlich sowohl genug Investoren, die hier tätig werden möchten, wie auch Unternehmen, die zu diesem Finanzierungsmittel greifen wollen. Die Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und tatsächlichem Erfolg ist bemerkenswert. Wertneutral ist es doch eine positive Überraschung, wenn sich ein Markt trotz dieser Kritik positiv entwickelt.

GoingPublic: Und negativ?
Peeters: Gut, wir hatten inzwischen auch einige Insolvenzen im Markt. Aber fairerweise muss man sagen: Überraschungen waren das nicht. Und im Bereich erneuerbarer Energien gab es auch auf der Aktienseite Ausfälle in Form von Insolvenzen und faktischen Totalverlusten. Bei SiC Processing war ich ein wenig überrascht, wie schnell es mit der Firma bergab ging.

GoingPublic: Wie sieht es mit Emissionsresearch aus – bleibt das generell institutionellen Investoren vorbehalten?
Peeters: Wenn wir bei Close Brothers Seydler emissionsbegleitendes Research anfertigen, optimieren wir damit die Ansprache institutioneller Investoren, die unser Adressat sind. Entsprechend wird auch unser Research benutzt. Das ist aber auch aus Haftungsgründen marktüblicher Standard, sowohl bei IPOs als auch bei Bondbegebungen. Wir können und wollen ja auch nicht den Bankberater ersetzen.

GoingPublic: Betonen die Emittenten nicht ständig, sich auch oder sogar vor allem für Privatanleger zu öffnen?
Peeters: Das ist ja in Ordnung. Aber die Arbeitsaufteilung ist doch folgende: Privatanleger zeichnen über die Plattformen der Börse, während wir als Bank die institutionellen Investoren adressieren. Auch hier ein kurzer Vergleich zur Aktienseite: Der kürzlich erfolgte Börsengang von LEG im Volumen von 1,4 Mrd. EUR wurde meines Wissens zu gerade ca. 1% an Privatanleger platziert. Und das ist ein Wohnungsbestandhalter, der nicht sonderlich erklärungsbedürftig sein sollte. Emittenten sind sicher offen gegenüber Privatanlegern, aber ohne Institutionelle läuft nichts, auch bei Mittelstandsanleihen.

GoingPublic: Unter den Ratingagenturen gibt es seit 2012 inzwischen etwas mehr Wettbewerb. Dem Vernehmen nach planen jetzt auch die amerikanischen Agenturen etwas mehr in dieser Beziehung. Begrüßenswert oder überflüssig?
Peeters: Mehr Wettbewerb wäre selbstverständlich begrüßenswert. Er würde zeigen, dass die Bedeutung der hiesigen Mittelstandsanleihemärkte dann auch in Übersee zur Kenntnis genommen würde. Aber so weit, dass die großen US-Agenturen jetzt massiv mitmischen, sind wir ja noch nicht. Das wurde übrigens schon häufiger gemunkelt.

GoingPublic: Weshalb können sich einige Ratings so dermaßen unterscheiden?
Peeters: Das ist nicht so mystisch, wie oft gemeint wird. Namentlich der neue Anbieter, der vergangenes Jahr hinzu kam, Scope, berücksichtigte bei einigen erfolgten Einschätzungen die gestellten Besicherungen viel stärker als die bisherigen Anbieter; im Gegenzug die aktuellen Geschäftszahlen weniger. Das ist eine Frage des Konzepts. Meinungsvielfalt kann aber nur gut tun. Meine bisherige Erfahrung ist, dass institutionelle Investoren auch bei aktiennotierten Unternehmen, die kein Rating bräuchten, doch lieber eines sehen möchten. Mit anderen Worten: Gelästert wird hier gern mal, aber dann guckt sich das Rating doch jeder an.

GoingPublic: Was bringt 2013 aus Ihrer Sicht?
Peeters: Ich sehe eine Fortsetzung des guten Marktes von 2012, und das soll alles andere als eine Floskel sein. Einen bevorstehenden Einbruch kann ich nicht erkennen. Eine moderate Steigerung gegenüber 2012 wäre für mich das naheliegendste Szenario für 2013.

GoingPublic: Herr Peeters, ganz herzlichen Dank für die interessanten Einblicke!

Das Interview führte Falko Bozicevic.

Ursprünglich erschienen im Special „Anleihen 2013“ des GoingPublic Magazins.