„Kapitalanlagebetrug nicht ausgeschlossen“

Mit Solar Millennium hat einer der größten deutschen Anleiheemittenten kurz vor Weihnachten Insolvenz angemeldet. Wegen schwerer Managementfehler und Verbindungen des Gründers Hannes Kuhn zum grauen Kapitalmarkt stand das Unternehmen schon längere Zeit in der Kritik. Der BondGuide sprach mit Dr. Walter Späth, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht von der Berliner Kanzlei Rohde & Späth Rechtsanwälte, über die für alle Involvierte unpässliche Situation.

BondGuide: Herr Dr. Späth, wie viele Anleger sind von der Insolvenz beim ehemaligen Börsenstar Solar Millennium betroffen?
Späth: Insgesamt sind wohl rund 30.000 Anleger durch die Pleite in Mitleidenschaft gezogen worden. Etwa 14.000 Aktionäre sowie 16.000 Anleger, die ihr Geld in Inhaberschuldverschreibungen des Unternehmens investiert haben, müssen mit hohen Verlusten rechnen, da sie als Gläubiger nachrangig behandelt werden. Wie hoch die Insolvenzquote hier ausfallen wird, lässt sich momentan noch nicht sagen. Erfahrungsgemäß können betroffene Anleger jedoch nur einen Bruchteil des angelegten Geldes als Insolvenzforderung realisieren. Besser sieht es für die rund 4.000 Anleger in den Fonds Andasol und Ibersol aus, die zur Finanzierung von zwei solarthermischen Kraftwerken in Südspanien aufgelegt wurden und die keine Insolvenz angemeldet haben.

BondGuide: Diese 16.000 Anleger haben 227 Mio. EUR in die fünf Anleihen von Solar Millennium investiert – auch viele Privatinvestoren?
Späth: Es sind viele Kleinanleger betroffen, die ihr Geld in eine zukunftsträchtige Öko-Anlage mit vernünftiger Verzinsung investieren wollten. Darunter sind auch viele Rentner, für die die Anleihe Teil ihrer Altersvorsorge war.

BondGuide: Über wie hohe Verluste reden wir hier?
Späth: Durchschnittlich dürften die Anleger zwischen 12.000 und 15.000 EUR investiert haben, schlimmstenfalls müssen sie mit Totalverlust rechnen.

BondGuide: Was sollten betroffene Investoren tun, um als Gläubiger im laufenden Insolvenzverfahren berücksichtigt zu werden?
Späth: Betroffene Anleger sollten unbedingt ihre Forderungen für die Insolvenztabelle anmelden, sobald dies möglich ist, um von einer möglichen Insolvenzquote zu profitieren.

BondGuide: Wie bewerten Sie als Jurist die zahlreichen laufenden Strafverfahren gegen Gründer Hannes Kuhn und mutmaßliche Fehler des Managements?
Späth: Das spricht nicht gerade für die Seriosität des Unternehmens. Ob hier Managementfehler passiert sind, wird wohl auch der Insolvenzverwalter demnächst näher beleuchten.

BondGuide: Sie raten dazu, zweigleisig zu fahren und auch wegen Prospekthaftung zu klagen. Welche Fehler gab es Ihrer Ansicht nach im Anlageprospekt zu monieren?
Späth: Meiner Meinung nach wurden die Anleger über die bestehenden Chancen und Risiken der Anlage nicht ausreichend aufgeklärt. Wir prüfen gerade mögliche Ansprüche gegen die Vorstände, Aufsichtsräte, aber auch gegen die Wirtschaftsprüfer. Sie verfügen in der Regel zumindest über eine Haftpflichtversicherung.

BondGuide: Sie halten bei dem Solarkraftwerk-Entwickler sogar Kapitalanlagebetrug oder ein sogenanntes Schneeballsystem keineswegs für ausgeschlossen. Ist das nur schweres Geschütz für die laufenden Klagen oder wirklich handfest?
Späth: Die laufenden Strafverfahren gegen Gründer Hannes Kuhn und die Verwicklung seiner Steuerberatungsfirma in andere Schadensfälle mit Inhaberschuldverschreibungen – zum Beispiel bei der DM-Beteiligungen AG – stimmen nachdenklich. Hier haben Anleger bereits hohe Verluste erlitten, und ein Fall von Kapitalanlagebetrug dürfte nicht ausgeschlossen sein. Auch der schnelle Ausstieg von Utz Claassen als Vorstandschef nach nur 74 Tagen könnte ein Indiz dafür sein, dass er von der Seriosität des Unternehmens seinerseits nicht überzeugt war.

BondGuide: Können sich Anleger in Mittelstandsanleihen vor Unternehmen mit zweifelhaften Geschäftsmethoden überhaupt schützen?
Späth: Eine Anleihe ist nur so gut wie das Unternehmen, das sie begibt. Die größte Renditeversprechung bringt Anlegern nichts, wenn das Unternehmen später Insolvenz anmelden muss. Investoren sollte immer bewusst sein, dass ihnen bei der Zeichnung einer Anleihe im schlimmsten Fall der Totalverlust drohen könnte. Daher sollte nur in Bonds bekannter, schon lange im Markt tätiger Unternehmen investiert werden. Wer sich nicht sicher ist, dem Unternehmen einen Kredit gewähren zu wollen, sollte also lieber kein Geld investieren!

BondGuide: Herr Dr. Späth, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Thomas Müncher.