„Die Lücke zwischen Entry Standard und internationalen Bond-Märkten geschlossen“

Interview mit Tilo Kraus, Head of Capital Markets & Derivatives, IKB Deutsche Industriebank AG

GoingPublic: Herr Kraus, was blieb Ihnen vom Jahr 2012 in Erinnerung, gut wie schlecht?
Kraus: Der Markt für Mittelstandsanleihen ist reifer geworden anno 2012. Konkret heißt es, dass Investoren gelernt haben, zwischen funktionierenden und nicht funktionierenden Geschäftsmodellen zu unterscheiden, Ratings einzuordnen usw. Die Welt der Mittelstandsanleihen ist selektiver geworden. Der zweite Punkt wäre, dass mit Einführung des Prime Standard für Unternehmensanleihen die Lücke zwischen Entry Standard einerseits und international orientierten Bond-Märkten andererseits geschlossen wurde. Zu nennen ist hier z.B. die Anleihe von SAF-Holland Mitte vergangenen Jahres.

GoingPublic: Woran machen Sie denn fest, wie reif ein Markt sich präsentiert?
Kraus: Am Investorenverhalten: Einige Emittenten werden als stabil beurteilt – diese notieren zu Kursen deutlich über pari; andere notieren genau so deutlich darunter. Anleger selektieren inzwischen. Das kann auch eine Aufstockung betreffen, an der sich Investoren lieber nicht beteiligen möchten.

GoingPublic: Sind Sie sicher, dass Investoren wirklich unterscheiden können? – zuletzt schien beinahe alles zu funktionieren.
Kraus: Einige wenige Emittenten sind ausgefallen, bei anderen sind es nur Gerüchte. Der Markt weiß das durchaus einzuordnen. Bei diejenigen, die ausgefallen sind, darf man nicht vergessen, in welcher Branche das war – erneuerbare Energien – und dass sich dort das gesamtwirtschaftliche Umfeld dramatisch verändert hat.

GoingPublic: Nach den Erfahrungen der letzten Monate sind Eigenemissionen ohne unterstützende Hilfe einer Bank so gut wie „abgestorben“ – Widerspruch?
Kraus: Nein, das ist tatsächlich eine Tendenz und es ist eine gute Tendenz. In der Tat bilden sich hier aktuell diejenigen Marktteilnehmer heraus, die das Geschäft mit Mittelstandsanleihen nachhaltig und profitabel betreiben können. Dies betrifft das gesamte Umfeld, das man braucht, aus Research, Handel usw. Das führt zur Frage, wer überhaupt für den Emissionsprospekt haftet. Wer keinerlei Haftungsmasse besitzt, kann auch nicht haften. Daher konsolidiert der Markt gerade ein wenig.

GoingPublic: Schwieriges Thema. Wer ist denn im Zweifel verantwortlich für den Prospekt?
Kraus: Es ist sicherlich eine gute Entwicklung, dass bei Emissionen eher zwei Kanzleien vertreten sind: eine Hausadresse, die in der Regel schon seit Jahren mit dem Emittenten verbunden ist, und eine Underwriter-Kanzlei, die speziell zu der jeweiligen Emission hinzugezogen wird. Nehmen Sie SAF-Holland als Beispiel mit einem Jahresumsatz von fast 1 Mrd. EUR, da war es selbstverständlich, es mit zwei Kanzleien zu tun gehabt zu haben.

GoingPublic: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass der Düsseldorfer mittelstandsmarkt sich ein wenig die Butter vom Brot hat nehmen lassen, trotz viel versprechenden Starts?
Kraus: Relativ zu wem, wäre die Frage. Dass Frankfurt als der wesentliche Börsenplatz in Deutschland mit allem Drumherum wie Beratern, Bankern etc. den größten Hebel haben würde, schien ziemlich klar. Vielleicht ist es aber auch eine gewisse Weitsicht, dass Düsseldorf nicht jeden Trend mitgemacht hat und so praktisch keinen Emittenten aus dem Sektor erneuerbarer Energien hat.

GoingPublic: Wozu genau bedarf es noch neuer Premiumsegmente?
Kraus: Der Entry Standard für Anleihen hat seine Bedeutung, und der Prime Standard genauso. Wenn ein Emittent wie Schaeffler seinen Bond international platzieren möchte, bedarf es dafür nicht erst eines Prime Standards. Wenn Sie aber bei einer großen Emission Privatanleger mit an Bord nehmen möchten, dann schon.

GoingPublic: Wie stehen Sie persönlich zu Aufstockungen bestehender Anleihen? – sind das genau genommen nicht Abweichungen bestehender Business-Pläne.
Kraus: Das sehe ich nicht ganz so. Mit Katjes waren wir einer der ersten, die eine Aufstockung, oder TAP, gemacht haben. Am Kapitalmarkt ist das gang und gäbe. Das Unternehmen muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass eine Aufstockung auch das Risiko eines bestimmten Fälligkeitstermins entsprechend erhöht. Aus Investorensicht ist das daher auch nicht durchgängig beliebt.

GoingPublic: Wie kann es sein, dass Folgeratings so überwiegend negativer ausfallen als die initialen Ratings?
Kraus: Also einen Generalverdacht gegenüber Ratings würde ich nicht äußern wollen. Vergessen wir nicht, dass je nach Ratings-Agentur verschiedene Rating-Ansätze dahinter stecken, und das ist auch gut so. Ratings sind Rückspiegelbetrachtungen und die Anleihen selbst verändern die Bilanzstruktur. Vergessen wir auch nicht, dass sich wie in der Branche der erneuerbaren Energien das Umfeld drastisch verändert hat. Grundsätzlich ist es richtig zu fordern, dass ersichtlich sein muss, wer wie zu welchen Ratngs gekommen ist.

GoingPublic: Wie benutzen Investoren aus Ihrer Erfahrung heraus Ratings?
Kraus: Ratings drehen eine Investoreneinschätzung niemals von negativ auf positiv; aber umgekehrt können sie die Einschätzungen negativ beeinflussen.

GoingPublic: Herr Kraus, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Falko Bozicevic.
Ursprünglich erschienen im Special "Anleihen 2013" des GoingPublic Magazins