Junk Bonds aus dem Mittelstand – ein problematisches Marktsegment

Foto @ M.M.Warburg & CO (AG & Co.) KGaA

Die Schuldfrage
Wenn es zu einem solchen kollektiven Marktversagen kommt, stellt sich immer die Schuldfrage.

Die Schuld lässt sich einerseits auf der Seite der Unternehmen vermuten, denn bei vielen Emittenten war die finanzielle Situation vor der Anleiheemission so angespannt, dass zwingend eine weitere Finanzierungsquelle gefunden werden musste. Die Kreditlinien bei den Banken waren bereits ausgeschöpft. Die Anleihe war der Ausweg: Die finanzierenden Banken waren nicht dazu gezwungen, mit der Einforderung der fristgerechten Bedienung der Kredite die Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen auszulösen, sondern konnten durch die Anleiheemission ihr Kreditrisiko auf dritte Investoren übertragen. Häufig blieb die Hausbank in einer erstrangig besicherten Kreditgeberposition, um den Kredit in wirtschaftlich besseren Zeiten wieder ausweiten zu können.

Darüber hinaus war die Kreditüberwachung seitens der Anleihegläubiger nicht existent und dadurch aus Unternehmenssicht deutlich bequemer. Der Emittent hatte durch die Anleiheemission fünf weitere Jahre Zeit, sich finanziell zu rehabilitieren. Neben dem Emittenten und den Banken haben natürlich auch die weiteren beteiligten Parteien (Ratingagenturen, Börsen, Emissionsbegleiter, Anwälte, etc.) kräftig an dieser Entwicklung partizipiert. Da der Vertrieb in der Regel in Eigenemission erfolgte, war die Mithaftung der Emissionsbegleiter, die lediglich eine Vermittlungs- bzw. Vermarktungsleistung erbrachten, beschränkt. Dass sich etablierte kapitalmarkterfahrene Adressen in der Hinsicht zurückhielten und damit ihre Skepsis im Hinblick auf den Mittelstandsanleihemarkt zum Ausdruck brachten, wurde vernachlässigt.

Junk Bonds aus dem Mittelstand – ein problematisches MarktsegmentAuch auf Investorenseite ist die Schuldfrage nicht unangebracht. Obwohl die mittelständischen Emittenten bisher nicht am Kapitalmarkt bekannt waren und dadurch eine gewisse Intransparenz herrschte, ließ sich durch den von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt mit bestimmten Pflichtangaben ein umfassender Eindruck vom jeweiligen Emittenten gewinnen. Dass diese Prospekte häufig von Privatinvestoren nicht gelesen wurden, etwa, weil sie vom Umfang und der strikten Vorgaben folgenden, wenig leserfreundlichen Art überfordert waren, ist auch bekannt.

Die Ausrede, dass die Investoren nicht wussten, in was sie investierten, ist deplatziert. Vielmehr stellt sich die Frage, warum die Investoren diese Papiere kauften. Hohe Renditen bzw. Kuponzinsen sind seit jeher ein Risikoindikator. Diese Kapitalmarktlogik hat sich nun auch im Mittelstandsanleihemarkt gezeigt.

Wie geht es weiter?
Zweifelsohne ist die Etablierung eines Anleihemarktes für mittelständische Unternehmen zu begrüßen. Allerdings müsste vor der Emission von einem unabhängigen Dritten geprüft werden, ob der potenzielle Emittent die finanzielle Qualität hat, die Anleihe langfristig zu bedienen. Bei „guten“ Emittenten ist häufig zu beobachten, dass eine Anleiheemission ausbleibt, weil die Banken einerseits kreditseitig die Finanzierung wesentlich günstiger zur Verfügung stellen können und anderseits auch der Schuldscheinmarkt für solche Firmen zugänglich ist, wo insbesondere weniger Dokumentationsaufwand lockt.

Junk Bonds aus dem Mittelstand – ein problematisches MarktsegmentFür Emittenten, denen der Schuldscheinmarkt nicht zugänglich ist, oder die ganz bewusst eine Anleihe zur Diversifikation der Finanzierungsstruktur einsetzen möchten, sollten einige Spielregeln eingeführt werden. Wesentlich ist dabei eine stärkere Reglementierung des Emittenten in den Anleihebedingungen durch klare Leitlinien, die es zu überwachen gilt. Denn während bei der Bankkreditfinanzierung auch eine Kreditüberwachung stattfindet, fehlt ein Pendant bisher bei der Anleihefinanzierung. Die Überwachung der in den Anleihebedingungen vorgegebenen Leitlinien müsste durch eine kontrollierende und sanktionierende Instanz, erfolgen, z. B. durch einen Treuhänder, der im Namen der Anleihegläubiger handelt.

Flankierend ist die dauerhafte Coverage einer etablierten Ratingagentur sinnvoll. Diese Professionalisierung des Umfelds sollte sich ebenfalls in der Auswahl der Emissionsberater sowie in der Investorenstruktur widerspiegeln. Damit würde sich der Marktstandard dem etablierten amerikanischen Junk Bond Markt annähern, der eine langjährig anerkannte Anlageklasse ist. Diese langfristige Perspektive sollte dem Mittelstand – und auch den Investoren – gefallen.

Dr. Henrik Döweling, Corporate Finance

Ihr Ansprechpartner
Dr. Jens Kruse
Leiter Corporate Finance
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