„Die Geld-Parkgebühr kommt“ – Kommentar von Raimund Brichta, n-tv

Raimund Brichta

Die Europäische Zentralbank denkt angeblich darüber nach, einen negativen Strafzins für Banken einzuführen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Ein solcher Schritt wäre keinesfalls absurd, sondern konsequent.

Wer sein Auto im Parkhaus abstellt, muss dafür zahlen. Das sind wir gewohnt. Genauso selbstverständlich ist es für uns aber, dass wir fürs Parken von Geld etwas bekommen – etwa auf einem Spar-, Tages- oder Festgeldkonto. In diesen Tagen jedoch reiben wir uns verwundert die Augen: Droht uns demnächst etwa fürs Geld ebenfalls eine Parkgebühr?

Die Frage ist durchaus berechtigt, denn schon seit Jahrzehnten zeigt der Trend bei den Zinsen nach unten, und zwar so weit, dass in einigen Bereichen bereits die Nulllinie erreicht ist. Was passiert also, wenn dieser Trend anhält? Klar, dann muss der Zins unter null abtauchen. Im Klartext heißt das, dann muss man für die Geldanlage bezahlen statt etwas kassieren zu dürfen. Ist das denkbar?

Ja, es ist. Die Europäische Zentralbank zum Beispiel denkt bereits darüber nach, den Banken eine Parkgebühr zu berechnen, wenn sie Geld bei ihr anlegen. Und amerikanische Geschäftbanken wollen eventuell sogar die privaten Sparer auf diese Weise zur Kasse bitten. Letzteres dürfte in Deutschland, dem Mutterland der Sparer, zwar für einen Aufstand sorgen, aber undenkbar ist es auch hierzulande nicht.

Angebot und Nachfrage

Verkehrte Welt? Nein, wenn man erkennt, was dahinter steckt. Zuerst muss man sich vor Augen halten, dass Geldvermögen nur existieren kann, wenn andere dafür in gleicher Höhe Schulden haben. Auf diese zwei Seiten derselben Medaille habe ich vor Kurzem schon hingewiesen.

Wenn man nun bedenkt, dass die Geldvermögen stetig zunehmen und mit ihnen gleichzeitig die Schulden wachsen, wird Folgendes schnell klar: Je mehr Geldvermögensbesitzer nach Anlagemöglichkeiten suchen, je größer also das Angebot an Geld wird, desto geringer wird der Preis, also der Zins, den man dafür bekommt. Zumal auf der anderen Seite der Medaille, also der Nachfrage, derselbe Mechanismus wirkt. Je mehr Schulden nämlich schon gemacht worden sind, desto geringer muss der Preis für neue Schulden sein, also der Zins, um überhaupt noch Schuldner finden zu können. Hier wirkt also ganz einfach das Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Das war schon immer so. Allerdings gab es früher in größeren Zeitabständen immer wieder heftige Krisen, die dafür sorgten, dass Geldvermögen und Schulden in großem Stil vernichtet wurden. Danach war das System bereinigt und beide Berge konnten wieder von neuem wachsen. Seit einigen Jahrzehnten sind diese Mechanismen jedoch außer Kraft gesetzt: Staaten und Notenbanken sorgen immer wieder dafür, dass solche Krisen schnell im Keim ersticken. Mit der Folge, dass Geld- und Schuldenberge immer größer werden und der Zins dafür immer kleiner.

Zugegeben, diese Spirale lässt sich wahrscheinlich nicht ewig weiterdrehen, aber nach meiner Einschätzung noch eine ganze Zeitlang. Und diesen Spielraum werden die Notenbanken auch in Zukunft nutzen, ja nutzen müssen, wenn sie den Einbruch nicht riskieren wollen. Das heißt: Der Druck auf die Zinsen bleibt bestehen und wir werden vermutlich auch noch die Parkgebühren fürs Geld erleben, meint Ihr

 

Raimund Brichta, Moderator und Börsenreporter beim Nachrichtensender n-tv.
Weitere Kolumnen finden Sie hier