9 Tipps für Investments in Mittelstandsanleihen – wie Sie in der Emissionswelle den Überblick behalten

Ralf Meinerzag, CIO, SGMF I, Steubing AG
Bild Panthermedia

Die Zahl der Neu-Emissionen bei Mittelstandsanleihen wird bis Jahresende zulegen, allerorten ist von prall gefüllten Pipelines (siehe Artikel über Neuemissionen) zu lesen, die vorzeitig geschlossene Emission der Helma Eigenheimbau AG vor einigen Tagen war sicherlich erst der Anfang.

Wie wir in der Vergangenheit gelernt haben, achten insbesondere Privatanleger stark auf bekannte Markennamen, was allerdings als alleiniges Anlage-Kriterium nur sehr eingeschränkt geeignet ist. Wir haben daher neun Tipps zusammengestellt, worauf Sie beim Investment in Mittelstandsanleihen achten sollten.

Liquidität: Wie langfristig ist sie gesichert? Ein Unternehmen sollte in der Lage sein, aus dem Stand einen angemessenen Teil seiner demnächst fälligen Schulden zu bedienen, zum einen aus der Kasse, zum anderen aus dem kurzfristig gebundenen Vermögen, ohne dabei Vorräte verkaufen zu müssen.

Covenants: Wie ist die Anleihe besichert? Aus unserer Sicht gehören Negativverpflichtung, Steuer- und Change of Control-Klausel in jedes Anleihe-Konzept. In Abhängigkeit von der Höhe der Verschuldung macht auch eine Verschuldungsbegrenzung Sinn. Positives Beispiel der vergangenen Monate war hier die MIFA, die mit besonderen Klauseln (Ausschüttungssperre von max. 50% Jahresüberschuss und max. 30% Bilanzgewinn, Mindesteigenkapitalquote 25%, Gemittelte Mindestzinsdeckung 200%) aufwartete.

Unternehmensstruktur: Wer bekommt was und wer sichert was ab? Falls ein Geflecht besteht zwischen Anleihe-Emittent, Unternehmenseigentümer und Tochtergesellschaften, sollte dieses entwirrt und verstanden werden. Schachtel-Strukturen, wie sie insbesondere zu Beginn dieses Neuen Markt-Segments häufig aufgetreten waren, sind eher zu vermeiden.

Finanzanalyse:  Wie steht es um die Bonität und Liquidität der Emittentin? Aus unserer Sicht sollten folgenden Kennzahlen besondere Beachtung geschenkt werden:
•    Cash Flow: Wie gestalten sich die Umsatzentwicklung und die operativen Mittelzuflüsse? Das Unternehmen muss in der Lage sein laufende und zukünftige Zinsverpflichtungen aus dem operativen  Cashflow zu generieren.
•    Cash Burn Rate: Ist der operative Cash Flow negativ, lässt sich die Cash Burn Rate (kurzfristiges liquides Vermögen / Operativer Cashflow) zu Rate ziehen. Diese gibt an wie viele Jahre die Liquiditätsreserven bei unveränderten Mittelzuflüssen ausreichen. Eine Cash Burn Rate von 0 impliziert, dass das Unternehmen kein Geld vernichtet.
•    Zinsdeckungsgrad (EBITDA Interest Coverage, EBIT Interest Coverage): Inwiefern ist die Gesellschaft in der Lage, ihren Zinsverpflichtungen aus dem EBIT / EBITDA nachzukommen? Ein Zinsdeckungsgrad kleiner als 1 impliziert, dass Zinszahlungen für Kredite nicht aus dem operativen Geschäft getätigt werden können.
•    Kapitalstruktur: Eine Eigenkapitalquote von 30% ist Ausdruck einer zumindest soliden Finanzierung. Eine weitere Kennziffer ist der Verschuldungsgrad, der in der Regel nicht höher als 100% liegen sollte. Ebenfalls aufschlussreich ist das Verhältnis von Finanzverschuldung zu Mittelzufluss.
•    Nettofinanzverschuldung / EBITDA: Das Verhältnis aus Finanzverbindlichkeiten und liquiden Mitteln ist als kritisch zu betrachten, wenn die Kennziffer größer als 6 ist. Daraus lässt sich erkennen, wie lange das Unternehmen theoretisch bräuchte, um seine Nettofinanzschulden aus dem laufenden Geschäft zu tilgen.
•    Investitionstätigkeit: Interessant ist die Frage, ob das Unternehmen seine Mittel nachhaltig verwendet und seine Investitionen also aus dem Geschäft heraus finanzieren kann. Wer dauerhaft mehr investiert, als er verdient, muss entweder einen überzeugenden Plan haben, dass durch die Investitionen auch seine Erträge wachsen – oder er sorgt so dafür, dass Investoren ein wenig auf Abstand gehen.

Geschäftsmodell und Strategie: Welche Qualität hat das Geschäftsmodell? Hier sollten die Stärken des Unternehmens, die Marktpositionierung und seine Historie begutachtet werden. Womit verdient das Unternehmen Geld? Welche Produkte und Dienstleistungen werden angeboten? Dies geht über in eine Markt- und Branchenanalyse.

Markt- und Branchenanalyse: Wie ist die Situation der Branche? Welche Trends werden hier in den kommenden Jahren maßgeblich sein und wie sind die Konsequenzen, Chancen und Risiken für das Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie? Hierzu zählt auch ein Blick auf die Wettbewerber. Wie leicht oder schwer sind die Produkte des Unternehmens austauschbar oder imitierbar? Entsprechende ergibt sich, wie gefestigt oder schwankungsanfällig die Marktposition ist.

Verwendung des Emissionserlöses: Wofür benötigt der Emittent das Geld? Typische Fälle sind eine Mischung aus Re- und Umfinanzierung, Optimierung des Working Capitals oder Finanzierung von Wachstum. Eher skeptisch sollten Investoren bei reinen Projektfinanzierungen sein oder wenn das Geld ausschließlich zur Ablösung von Gesellschafterdarlehen verwendet wird.

Expertise des Managements: Wer sind die entscheidenden Personen? Im deutschen Mittelstand tummeln sich viele charismatische Leader. Charisma ist gut, ein Unternehmen sollte jedoch nicht ausschließlich davon zehren, sondern mit Innovationskraft und überzeugenden Produkten punkten.

Transparenz: Wie gut kommuniziert das Unternehmen? Debt Relations (siehe Standpunkt German Mittelstand, Ausgabe 2) ist für viele Unternehmen Neuland, gerade deshalb sollten Mittelständler hier Personal und Ressourcen vorhalten und aktiv kommunizieren, um das Vertrauen der Anleger zu erhalten und die Preisbildung positiv zu beeinflussen. Wer Debt Relations ernst nimmt, stellt rechtzeitig Informationen zu relevante Nachrichten und Entwicklungen auf öffentlich zugänglichen Kanälen (wie z.B. der Homepage des Unternehmens) bereit.

Ralf Meinerzag, Steubing AG
Einen ausführlichen Kommentar zum Thema „Debt Relations“ finden Sie in der zweiten Ausgabe des „Standpunkt German Mittelstand“ auf www.germanmittelstandfonds.de