Die Zukunft der Mittelstandsanleihen in Deutschland: Ideen zur Qualitätsverbesserung – der Experten-Kommentar

Christian Czaya, IKB

Von Stefan Dodel, Capital Markets, und Christian Czaya, Managing Director, Institutional Sales, IKB

In Deutschland überwiegen traditionell enge Beziehungen zwischen Hausbank und Unternehmen. Diese Beziehungen sind – ausgelöst durch die Finanzkrise und die daraus resultierende Regulierungsdynamik – einem grundlegenden Wandel ausgesetzt. Der sich seit 2010 entwickelnde Markt für kleinvolumige Anleihen bietet hier grundsätzlich eine flexible Finanzierungsalternative für Unternehmen. Einige Ideen sollten zur Qualitätsverbesserung beitragen.

Zu diesen kleineren Anleihen zählen sowohl High-Yield-Bonds als auch Mittelstandsanleihen (MSA). Zwar existieren auch bei diesen Anleihen seitens der Investoren Anforderungen hinsichtlich Standardisierung des Emissionsprozesses, verlässlicher Bonitätseinschätzungen von Ratingagenturen, Handelbarkeit der Anleihen im Sekundärmarkt und Transparenz der Unternehmensentwicklung im Zeitablauf; diese Anforderungen wurden aber aufgrund eines Anbietermarktes bei Mittelstandsanleihen bisher teilweise nicht ausreichend berücksichtigt. Resultat ist ein Marktsegment, das mit den jüngsten Insolvenzen, Ratingherabstufungen und Kurskapriolen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ohne Grund kritisch beobachtet wird und nun mit abnehmendem Investoreninteresse zu kämpfen hat.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, sind nachhaltige Qualitätsverbesserungen nötig, die den Anforderungen von Investoren Rechnung tragen. Eine wesentliche Rolle in diesem Prozess kommt dabei auch den Syndikatsbanken zu. Diese sollten eine über die Strukturierung und Platzierung der Anleihe hinausgehende Verantwortung für die Implementierung und Überwachung qualitativer Mindeststandards übernehmen.

Entscheidend für eine positive Entwicklung des Marktsegments für Mittelstandsanleihen wird sein, zusätzliche institutionelle Investoren für diese Assetklasse zu begeistern. Während der Markt bisher durch Privatanleger und gepoolte Investitionen von Vermögensverwaltungen dominiert wird, halten sich die klassischen institutionellen Investoren wie Fonds und Versicherungen mit dem Verweis auf die wenig standardisierte Dokumentation und Sicherheitenstellung sowie geringe Liquidität im Sekundärmarkt zurück. Um bei diesen Investoren Interesse zu wecken, wären unserer Meinung nach folgende Themenfelder zu adressieren:

Unternehmensbonität/Kreditqualität
Die Einschätzung der Bonität eines Anleiheemittenten muss nachvollziehbar sein und objektiviert werden. Die jüngsten Ratingentwicklungen mit mitunter zu hohen Ersteinschätzungen und daraus resultierenden (verspäteten) Herabstufungen sind allerdings kein Phänomen, das auf dieses spezielle Marktsegment begrenzt ist. Auch angloamerikanische Agenturen agieren oftmals deutlich verzögert, besonders in Märkten, in denen Transparenz und Informationsdichte noch wenig entwickelt sind. Richtig ist, dass Ratingagenturen wie Creditreform, Euler Hermes oder Scope ihre Methoden weiter verfeinern und vor allem nachvollziehbar vermitteln sollten. Nicht weniger bedeutsam ist aber auch die sorgfältige Auswahl potenzieller Emittenten auf Seiten der emissionsbegleitenden Syndikatsbanken.

Gerade weil die Unternehmen des deutschen Mittelstandes sehr divergierende Risiko-Ertragsprofile aufweisen, sollten sich die Syndikatsbanken vor der Mandatierung fragen, welche Restriktionen sie an einer direkten Kreditvergabe hindern. Dass diese Restriktionen nicht deckungsgleich mit der Risikoeinstellung der Investoren sein müssen, liegt auf der Hand. Mit einem vor der Anleihebegebung zwingend vorgeschriebenen Kreditprüfungsprozess der begleitenden Syndikatsbanken könnten Investoren allerdings ein weiteres Bewertungskriterium an die Hand bekommen, auch wenn das Ergebnis dieses Kreditprüfungsprozesses in der Regel nicht detailliert veröffentlicht wird.

Sicherheitenstellung/Covenants
Die Interessen von Anleiheemittenten und Investoren bei der Sicherheitenstellung laufen diametral auseinander. Während die Emittenten eine höchstmögliche Flexibilität ihres Fremdkapitals ohne einschränkende Schutzklauseln anstreben, versuchen institutionelle Investoren ihre Position durch eben diese Bedingungen abzusichern. Im Vergleich zu etablierten High-Yield-Bond-Märkten sind Covenants in Dokumentationen von Mittelstandsanleihen nach wie vor unterrepräsentiert. Institutionelle Investoren verweisen auf die jüngsten Insolvenzen am Markt für Mittelstandsanleihen, bei denen schärfere Covenants die Schieflage vermutlich nicht verhindert, den Anleihegläubigern aber eine bessere Stellung im Insolvenzverfahren gegeben hätten.

Transparenz
Unabhängig von begründeten Reaktionen auf konkrete Ereignisse sind viele Kursbewegungen auf einen Mangel an öffentlich erhältlichen Unternehmensinformationen zurückzuführen. In einem Segment, in dem Unternehmen nur alle sechs Monate Finanzergebnisse veröffentlichen, kann es verstärkt zu Spekulationen und Gerüchten kommen. Performanceorientierte Investoren mit periodischen Rechenschaftspflichten gegenüber ihren Kapitalgebern meiden Investitionen, deren Wertentwicklung nicht überwiegend fundamental nachvollziehbar sind. Letztlich liegt eine Erhöhung der Transparenz über die regulatorischen Mindeststandards hinaus im eigenen Interesse der Emittenten. Dies kann im Rahmen von Investoren-Updates , Finanzmeldungen oder auch Telefonkonferenzen erfolgen. Die Etablierung von Investor-Relations-Strukturen mit Ansprechpartnern für Investorenfragen wäre wünschenswert. Emissionsbegleitende Banken sollten zur Transparenz beitragen, indem sie verpflichtend regelmäßige Research-Analysen zur Unternehmensentwicklung beisteuern.

Illiquidität im Sekundärmarkt
Ein Markt mit Emissionsvolumina zwischen 10 und 150 Mio. EUR pro Anleihe kann keine hohe Sekundärmarktliquidität aufweisen. Dies umso weniger, wenn Mittelstandsanleihen mit hoher Granularität über eine Vielzahl von Privatanlegerportfolien verstreut liegen. Mittelfristig sollte das Ziel sein, ein Volumen von bis zu 1 Mio. EUR pro Emission innerhalb weniger Handelstage erwerben bzw. veräußern zu können. Hier sind die Syndikatsbanken in der Pflicht, über ihre entsprechenden Handelstische zu einer Liquiditätssteigerung beizutragen. Eine Market-Maker-Verpflichtung ist aufgrund der strukturellen Besonderheiten des Marktes für Mittelstandsanleihen (statisches Investorenverhalten, fehlende Repo- und damit Hedgingmöglichkeiten usw.) zum jetzigen Zeitpunkt illusorisch, sollte aber mittelfristig Zielsetzung der beteiligten Akteure sein.

Überwachungsfunktion/Trustee
In der derzeitigen Ausgestaltung der meisten Mittelstandsanleihen fehlt die Benennung eines Treuhänders („Trustee“), der im Interesse der Investoren die Kontrolle über die Sicherheiten und die ordnungsgemäße Abwicklung aller Zahlungsströme wahrnimmt. In der Folge müssen Investoren eigenständig auf die Einhaltung der Covenants während der Anleihelaufzeit achten und im Insolvenzfall ihre Vertretung auf der Gläubigerversammlung organisieren. Ein Seitenblick auf andere Anleihemärkte (z.B. Asset-Backed-Securities, High-Yield-Bonds Norwegen und UK) zeigt, dass eine Trustee-Funktion nicht nur Prozesssicherheit mit sich bringt, sondern durch umfangreiche Daten- und Analysefunktionen dieser Überwachungsorgane auch zur besseren Transparenz beiträgt.

Fazit
Für deutsche Mittelstandsunternehmen ist der Kapitalmarkt zunehmend eine bedeutsame und notwendige alternative Refinanzierungsquelle. Ziel bleibt die nachhaltige Etablierung eines deutschen High-Yield-Marktes für Anleihevolumina zwischen mindestens 30 und 150 Mio. EUR. Um die hier agierenden institutionellen Investoren nachhaltig zu interessieren, ist eine deutliche Verbesserung der Qualitätsstandards nötig. Der Blick auf die etablierten High-Yield-Märkte in Europa zeigt den Weg zu standardisierten Anleihedokumentationen, Prozessgenauigkeit und Rechtssicherheit. Um diesen Weg beschreiten zu können, sind sowohl von Seiten der Unternehmen wie auch der Syndikatsbanken Zugeständnisse und umfangreichere Verantwortlichkeiten nötig, die deutlich über den Emissionszeitpunkt der Anleihe hinausgehen. Nur wenn die wesentlichen Marktteilnehmer bereit sind, diese notwendigen Qualitätsverbesserungen mitzutragen, kann sich das Marktsegment der Mittelstandsanleihen zu einer nachhaltigen Erfolgsstory entwickeln.