Istanbuls Börsen von Protesten in der Türkei schwer getroffen

FRANKFURT (dpa-AFX) – Die Kapitalmärkte der Türkei sind von den am Wochenende eskalierten Protesten im Land zu Wochenbeginn schwer erschüttert worden. Die Welle der Empörung hatte sich an der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers entzündet, richtet sich nun aber vor allem gegen einen als immer autoritärer empfundenen Kurs von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.

Am Aktienmarkt lösten die Ausschreitungen die größten Verluste seit Oktober 2008 aus: An der Börse in Istanbul brach der National 30 Index am Nachmittag um 8,28 Prozent ein auf 96.992 Punkte. Vor allem Finanzwerte gerieten massiv unter Druck. Der Aktienindex hatte in den vergangenen Jahren allerdings auch eine Bilderbuchentwicklung gezeigt und sich in der vergangenen Dekade verzehnfacht. Alleine auf Jahressicht hatte das Kursbarometer in der Spitze fast 75 Prozent zugelegt.

‚Die internationalen Investoren sind zunächst etwas überrascht worden von der Entwicklung, nach der Mittagspause ist aber auch schon wieder etwas Kaufinteresse in den Markt gekommen‘, sagte Christoph Kleinsasser, Leiter des Sales-Trading für Emerging Europe bei Kepler Cheuvreux. Insbesondere US-amerikanische Anleger neigten schnell zu Verkäufen bei Protesten im Nahen Osten. Kleinsasser ergänzte: ‚Der Markt ist in der Region aber auch am besten gelaufen und somit anfällig für Gewinnmitnahmen.‘ Nach möglichen Anschlussverkäufe könnte sich die Lage zunächst wieder beruhigen.

‚Das Schlimmste, was der Türkei passieren kann, ist ein Rückfall in die alten Zeiten oder die Wende hin zu einer Autokratie nach russischem Vorbild- davor sorgen sich die Investoren und verkaufen‘, sagte Analyst Daniel Saurenz vom Investmentportal Feingold Research. Ein Weg des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan hin zu einem (autokratischen) Führungsstil vergleichbar mit Wladimir Putin in Russland könnte die Aufwärtsbewegung der Börse des aufstrebenden Landes nachhaltig ausbremsen.

Auch am türkischen Rentenmarkt machte sich zu Wochenbeginn die Unsicherheit bemerkbar. Die Rendite zweijähriger Staatsanleihen legte auf 6,38 Prozent zu. Richtungsweisende Zehnjahrespapiere rentierten mit bis zu 7,12 Prozent, verglichen mit Freitag sind das etwa 0,4 Prozentpunkte mehr. Die Rendite von Staatsanleihen gibt nicht zuletzt Auskunft über die Risikoneigung von Investoren. Je höher der Wert liegt, desto größer schätzen Anleger gemeinhin die Risiken ein, die mit einer Anlage in dem jeweiligen Land verbunden sind.

Am Devisenmarkt hielten sich die Ausschläge indes in Grenzen. Von Freitag auf Montag gab die türkische Lira zum amerikanischen Dollar um etwa ein Prozent nach. Ohnehin tendiert die Lira seit Wochen schwach. Ein Dollar kostet aktuell etwa 1,89 Lira und damit so viel wie seit etwa 17 Monaten nicht mehr. Die Landeswährung wird insbesondere von der lockeren Geldpolitik der türkischen Notenbank belastet./bfg/fat/ag/kja