GESAMT-ROUNDUP 2: Griechenlands Comeback – Athen sammelt drei Milliarden ein

(Neu: führt Marktrückkehr Athens und politischen Strang zusammen.)

ATHEN (dpa-AFX) – Fast vier Jahre nach dem Finanzkollaps ist Griechenland furios an die Kapitalmärkte zurückgekehrt. Erstmals seit dem Hilferuf an die Euro-Partner vertrauen private Investoren dem Land wieder längerfristig ihr Geld an, wie das Finanzministerium am Donnerstag in Athen mitteilte. Anleger rissen sich regelrecht um die neuen Anleihen. Das größte Krisenland im Währungsraum löst sich damit vom Tropf der Geldgeber – zumindest ein Stück weit. Einen Tag vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) richtete eine Autobombe in der Hauptstadt schweren Sachschaden an, verletzt wurde niemand.

Für Freitag hat die Polizei alle Demonstrationen im Regierungsviertel verboten. Sie vermutet, dass eine der zahlreichen linksgerichteten Untergrundorganisationen hinter dem Anschlag steckt – zunächst bekannte sich aber niemand zu dem Vorfall. Merkel will die griechische Regierung bei ihrem Besuch in ihrem Sparkurs bestärken. Zahlreiche Gewerkschaften, die stärkste Oppositionspartei Bündnis der radikalen Linken (Syriza) und autonome Gruppierungen haben zu Protesten aufgerufen.

Internationale Geldgeber und griechische Regierung reagierten erleichtert auf die geglückte Rückkehr an den Kapitalmarkt. Nach Angaben des Finanzministeriums wurden insgesamt drei Milliarden Euro am Anleihemarkt eingesammelt, rund eine halbe Milliarde mehr als angepeilt.

Die Nachfrage nach den neuen Staatspapieren mit fünfjähriger Laufzeit war enorm: Es gingen Gebote über 20 Milliarden Euro ein. Fast 90 Prozent der Papiere wurden laut Ministerium an Investoren im Ausland verkauft. Um die Titel am Markt unterzubringen, holte sich Athen Unterstützung großer Banken, darunter Goldman Sachs , JPMorgan und die Deutsche Bank .

Griechenland war seit der Beinahepleite im Frühjahr 2010 vom privaten Kapitalmarkt abgeschnitten, weil Anleger wegen des finanziellen Desasters das Vertrauen in das Land verloren hatten. In der Schuldenkrise kletterte die Rendite zehnjähriger Papiere zeitweise auf über 30 Prozent.

Nun erhalten die Anleger eine Nominalverzinsung von 4,75 Prozent. Das ist in Zeiten rekordniedriger Leitzinsen und im Vergleich zu den meisten anderen Euroländern viel, aber dennoch deutlich weniger als erwartet. „Alles was unter 5,3 Prozent ist, ist für uns super“, hatte es vor der Versteigerung aus dem Finanzministerium geheißen.

Der letzte Versuch, Geld am Anleihemarkt aufzutreiben, verlief traumatisch: Athen wollte sich im April 2010 eine Milliarde Euro für 20 Jahre leihen. Es kamen aber nur Angebote für lediglich 390 Millionen Euro zusammen.

Entsprechend positiv fielen erste Reaktionen aus. Griechenlands Regierungschef Antonis Samaras zeigte sich erfreut. Zugleich warnte er seine Landsleute davor, im Kampf gegen die Krise nachzulassen. „Macht keinen Fehler: Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, erklärte Samaras im griechischen Fernsehen.

Die EU-Kommission begrüßte das Kapitalmarkt-Comeback. „Heute ist ein sehr guter Tag“, sagte EU-Kommissar Joaquín Almunia nach einem Treffen mit dem griechischen Finanzminister Ioannis Stournaras in Athen. Um einen dauerhaften Marktzugang sicherzustellen, müsse Athen die vorgegebenen Budgetziele erreichen und wachstumsfördernde Reformen in die Tat umsetzen, erklärte Kommissions-Vizepräsident Siim Kallas. Der Gang an den Kapitalmarkt sei ein „wichtiges Zeichen, dass die griechische Volkswirtschaft beginnt, das Vertrauen von Investoren zurückzugewinnen(…).“

Lob kam auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Es sei ein „Zeichen, dass Griechenland auf dem richtigen Weg ist“, sagte IWF-Direktorin Christine Lagarde in Washington. Die große Nachfrage nach den Anleihen des Landes zeige, dass die „Feuerprobe, die die Regierung machen wollte, erfolgreich war“. Auch wenn Athen noch viel Arbeit vor sich habe, „werden Fortschritte gemacht“.

Auch Finanzprofis zeigten sich beeindruckt. „Griechenland ist mit einem triumphalen Paukenschlag zurück am Markt“, sagte Analystin Kathleen Brooks vom Handelshaus Gain Capital. Positiv bewerten viele Experten, dass Griechenland die neuen Anleihen unter britischem Recht ausgibt. Damit setzt Athen ein starkes Zeichen, um Befürchtungen eines erneuten Zahlungsausfalls für private Anleger zu zerstreuen.

Zur Erinnerung: Vor nur zwei Jahren hatte das überschuldete Griechenland seine Anleihehalter zu einem massiven Forderungsverzicht gedrängt. Möglich war dies, weil die umgeschuldeten Papiere griechischem Recht unterlagen. Anleihen unter britischem Recht blieben damals verschont.

Doch nicht überall gibt es Beifall. Negative Töne kamen erwartungsgemäß von Alexis Tsipras, dem Chef der größten griechischen Oppositionspartei, dem Bündnis der radikalen Linken: Mit dem Kredit schieße sich Athen „ins Bein“. Was das Land brauche, sei ein Schuldenschnitt. Bislang haben die Bürger wenig von den Fortschritten am Finanzmarkt. Die wirtschaftliche Lage bleibt kritisch, die Arbeitslosigkeit beträgt 27 Prozent.

Athen sei nur wegen der massiven Hilfe der Europartner in der Lage, Investoren mit hohen Zinsen zu ködern, sagten Börsianer in Frankfurt. „Ich glaube nicht, dass Griechenland solvent ist“, erklärte Fondsmanager Mike Riddell von M&G Investments. Die Griechen könnten es sich keinesfalls leisten, Schwierigkeiten bei der Bedienung der neuen Anleihe zu bekommen, warnte der Finanzexperte Bert Van Roosebeke von der Denkfabrik CEP im dpa-EU-Insight-Interview. Daher erwartete Athen, im Notfall weitere Finanzmittel von der Europäischen Zentralbank (EZB) oder dem Rettungsschirm ESM zu erhalten./hbr/tt/bgf/DP/hbr